Rund um die Übersäuerung - Entstehung, Auswirkung und Therapie

Unter einer Übersäuerung versteht man eine Störung des Säure-Basen-Haushaltes. Dabei kommt es zum Absinken des pH-Wertes im Blut.

Von Jens Hirseland

Säure-Basen-Haushalt

Bei dem Säure-Basen-Haushalt handelt es sich um einen komplizierten Regelmechanismus innerhalb des Körpers. Er dient zur Aufrechterhaltung des Ablaufs von wichtigen Stoffwechselprozessen.

Schwankungen des Säure-Basen-Haushaltes werden oftmals durch die Aufnahme von Nahrung hervorgerufen. So weisen manche Lebensmittel höhere Säureanteile auf, während in anderen Nahrungsmitteln mehr basisch wirkende Anteile enthalten sind.

Einen hohen Säureanteil haben zum Beispiel:

Wurstwaren mit einem hohen Säureanteil
Wurstwaren mit einem hohen Säureanteil

Über einen hohen Basenanteil verfügen dagegen:

Der menschliche Organismus versucht ständig eine Regulierung des Säure-Basen-Anteils, denn beim pH-Wert toleriert er nur leichte Schwankungen, die zwischen 7,35 und 7,45 liegen.

Einen wichtigen Anteil an der Herstellung der Balance haben:

  • der Austausch von Gas in der Lunge
  • unterschiedliche Puffereigenschaften der Gewebe und des Blutes
  • Ausscheidungsvorrichtungen der Niere

Erschöpfen sich die Pufferkapazitäten jedoch, sammeln sich im Blut zu viele saure Stoffwechselprodukte an, wodurch der Säure-Basen-Haushalt wiederum gestört wird.

Übersäuerung und Ernährung

Gestörter ph-Wert im Blut
Gestörter ph-Wert im Blut

Mediziner bezeichnen eine Übersäuerung des Körpers auch als Azidose. Gemeint ist damit eine Störung des Säure-Basen-Haushaltes, bei der der pH-Wert im Blut auf einen Wert unter 7,35 absinkt.

Im Zusammenhang mit einer Übersäuerung wird häufig die Ernährungsweise ins Spiel gebracht. Auf gesunde Menschen hat die Ernährung jedoch diesbezüglich keine Auswirkungen, da die Puffersysteme, die durch die Nahrung aufgenommenen Säuren und Basen abfangen, wodurch der pH-Wert konstant bleibt.

Aus diesem Grund gelten Ernährungskonzepte wie die Säure-Basen-Diät wissenschaftlich nicht als sinnvoll. So sehen Ernährungswissenschaftler in dieser Diät keine therapeutische Wirkung.

Säuren sind u.a. in Essig enthalten, während man Basen vor allem in pflanzlicher Kost findet. Ernährt sich ein Mensch vorwiegend von pflanzlichen Lebensmitteln, werden mit dem Urin verstärkt basische Stoffe wie Bikarbonat ausgeschieden, was wiederum zu einem erhöhten pH-Wert führt.

Eine Übersicht der pH-Werte unserer Körperflüssigkeiten und Organe

Von großer Bedeutung für den Säure-Basen-Haushalt ist der pH-Wert. So wird durch ihn bestimmt, wie basisch oder sauer eine Lösung ist.

pH-Werte

Der pH-Wert ist wichtig für zahlreiche Stoffwechselvorgänge, die sich im Körper des Menschen abspielen. Dazu gehören u.a.:

Das Kürzel pH dient als Abkürzung für den lateinischen Begriff "potentia Hydrogenii" und bedeutet "Konzentration des Wasserstoffs".

Wie basisch oder sauer eine Lösung ist, wird mithilfe des pH-Wertes gemessen. So gibt er an, wie viele Wasserstoffionen sich in ihr befinden.

pH-Werte in der Medizin

In der Medizin befasst man sich vor allem mit dem pH-Wert des Blutes. Dieser liegt bei gesunden Menschen bei ca. 7,4.

Der pH-Wert umfasst Werte zwischen 0 und 14. Während 0 äußerst sauer bedeutet, steht 14 für sehr alkalisch. Als neutral gilt ein pH-Wert von 7. Unterhalb von 7 spricht man von einem sauren pH-Wert, während ein pH-Wert von über 7 als alkalisch bzw. basisch eingestuft wird.

In der Medizin misst man den pH-Wert mit einer Blutgasanalyse. So dient der pH-Wert als wichtiger Hinweis für mögliche gesundheitliche Störungen oder Erkrankungen. Daher achtet der untersuchende Arzt darauf, ob sich der pH-Wert über oder unter dem Normalwert befindet.

Liegt der pH-Wert unter 7,35, enthält der Körper zu viel Säure. Steigt der pH-Wert dagegen auf über 7,45 an, handelt es sich um eine Alkalose.

Puffersysteme

Um den Säure-Basen-Haushalt im Gleichgewicht zu halten, ist der menschliche Körper mit speziellen Puffersystemen ausgestattet. Diese befinden sich vor allem im Blut und im Urin.

Zu diesen Puffersystemen zählen in erster Linie Eiweiße. Diese haben die Eigenschaft, überschüssige Wasserstoffionen zu binden. Im Falle einer zu niedrigen Konzentration sind sie auch imstande, Wasserstoffionen abzugeben.

Das Nierensystem als Puffer
Das Nierensystem als Puffer

Neben den Puffersystemen dienen auch Organe wie

  • die Lunge
  • die Leber und
  • die Nieren

dazu, die Balance des Säure-Basen-Haushaltes aufrechtzuerhalten. So wird durch die Lunge saures Kohlendioxid abgeatmet. Die Nieren sorgen dafür, dass Wasserstoffionen ausgeschieden werden, wenn der Körper zu viel Säure enthält. Steigt der pH-Wert zu stark an, geben sie Bikarbonat oder Hydrogenkarbonat in den Urin ab.

pH-Wert der Körperflüssigkeiten und Organe

Der normale pH-Wert für Körperflüssigkeiten und Organe ist unterschiedlich. So beträgt er beim Blut etwa 7,4 bzw. 7,35 bis 7,45. Je nach Definition kann der Normalwert aber auch zwischen 7,36 und 7,44 liegen. Weitere normale pH-Werte sind:

  • 4,5 bis 7,9 für den Urin
  • 6,5 bis 8,2 für die Galle
  • 5,5 bis 7,8 für den Speichel
  • 7,0 für den Stuhl
  • 7,0 bis 7,8 für das Sperma
  • 1,0 bis 4,0 für den Magen
  • 5,5 für die Haut
  • 4,5 für den Schweiß
  • 7,0 bis 7,3 für die Körperzellen
  • 4,0 bis 5,0 für die Vagina
  • 7,0 bis 8,5 für das Gebärmutterhalssekret

Ursachen einer Übersäuerung

Bei einer Übersäuerung gilt es, zwischen zwei Formen zu differenzieren:

  1. der respiratorischen (atmungsbedingten) Azidose
  2. der metabolischen (stoffwechselbedingten) Azidose

Während bei der atmungsbedingten Übersäuerung Kohlendioxid nicht ausreichend abgeatmet wird, sammeln sich bei der stoffwechselbedingten Übersäuerung zu viele saure Stoffwechselprodukte im Blut an.

Respiratorische Azidose

Die respiratorische Azidose ist die am häufigsten vorkommende Form der Übersäuerung. Hervorgerufen wird eine atmungsbedingte Übersäuerung durch eine Hypoventilation (verminderte Atmung).

Das heißt, dass die Betroffenen zu wenig Kohlendioxid abatmen. Infolgedessen kommt es im Organismus zur Anlagerung von saurem Kohlendioxid als Bikarbonat.

Ursachen

Als mögliche Ursachen für eine respiratorische Azidose gelten:

Asthma als mögliche Ursache der respiratorischen Azidose
Asthma als mögliche Ursache der respiratorischen Azidose

Metabolische Azidose

Eine metabolische Azidose tritt seltener auf als eine respiratorische Übersäuerung. Da sich dabei zu viele saure Stoffwechselprodukte im Blut anreichern, führt dies zu einer Überlastung der Puffersysteme und einem abrupten Abfall des pH-Wertes.

Im schlimmsten Fall kann eine metabolische Azidose sogar lebensgefährlich sein.

Ursachen

Zu den häufigsten Ursachen für eine stoffwechselbedingte Übersäuerung gehören:

Doch auch eine Vergiftung mit Salicylaten, Glykol oder Methanol löst mitunter eine metabolische Azidose aus.

Diabetes als mögliche Ursache der metabolischen Azidose
Diabetes als mögliche Ursache der metabolischen Azidose

Messung und Diagnose einer Übersäuerung

Eine akute Übersäuerung lässt sich durch eine Blutgasanalyse diagnostizieren. Dabei misst man u.a. den pH-Wert.

Blutgasanalyse

Um eine akute Übersäuerung festzustellen, erfolgt eine Blutgasanalyse. Das bedeutet, man misst:

  1. den pH-Wert des Blutes
  2. den Säure-Basenhaushalt
  3. die Gasverteilung von Kohlenstoffdioxid und Sauerstoff

So lässt sich durch die Bikarbonat-Werte und den Kohlendioxid-Partialdruck ermitteln, ob es sich um eine respiratorische oder metabolische Azidose handelt.

Messung des pH-Wertes

Die Bestimmung des pH-Wertes erfolgt in den meisten Fällen aus arteriellem Blut. Da die Punktion von arteriellen Blutgefäßen schwerer ist als bei einer Venenpunktion, führt man sie in der Regel nur im klinischen oder intensivmedizinischen Bereich durch.

Es ist aber auch möglich, den pH-Wert aus Kapillarblut zu ermitteln. Dazu muss nur ein kleiner Stich in den Finger des Patienten erfolgen.

Auswertung der Testergebnisse

Während niedrige Bikarbonat-Werte als Hinweis auf eine stoffwechselbedingte Übersäuerung gelten, ist ein hoher Kohlendioxid-Partialdruck ein Indiz für eine atmungsbedingte Übersäuerung.

Liegt Verdacht auf eine chronische Azidose des Gewebes vor, setzt man spezielle Teststreifen ein, mit denen der pH-Wert im Harn gemessen wird.

Mögliche Auswirkungen einer Übersäuerung

Eine Azidose hat unterschiedliche Auswirkungen auf den Körper.

Auswirkungen einer atmungsbedingten Azidose

Atemnot als mögliche Folge
Atemnot als mögliche Folge

Eine Übersäuerung des Körpers kann sich auf verschiedene Weise bemerkbar machen. So kommt es bei einer atmungsbedingten Azidose zu einer Blaufärbung der Lippen und Atemnot. Aber auch Schwächegefühle und Desorientierung sind möglich.

Im schlimmsten Fall kann der Patient ins Koma fallen. Da die Nieren einen Ausgleich der Übersäuerung herbeiführen wollen, scheiden sie verstärkt Wasser aus dem Körper aus.

Auswirkungen einer stoffwechselbedingten Azidose

Bei einer stoffwechselbedingten Übersäuerung treten andere Symptome auf. Dazu gehört eine verstärkte und sehr tiefe Atmung, die man auch als Kußmaulatmung bezeichnet. Auf diese Weise versucht der Organismus das überschüssige Kohlendioxid abzuatmen.

Wird die Azidose von Diabetes mellitus verursacht, riecht der Atem des Patienten oftmals nach Azeton.

Auswirkungen einer akuten Übersäurung

Eine akute Übersäuerung hat Auswirkungen auf das Herz und die Blutgefäße. So kommt es zum Absinken der Herzleistung sowie einer Erweiterung der peripheren Gefäße. In manchen Fällen können

auftreten.

Auswirkungen einer chronischen Übersäuerung

Nicht immer handelt es sich bei einer Übersäuerung um eine akute Azidose, die mit schweren Erkrankungen wie Nierenschwäche oder Diabetes einher geht. So kann es auch zu einer chronischen Übersäuerung kommen, deren Beschwerden weitaus geringer ausfallen.

Allerdings besteht die Gefahr, dass die Reserven des Körpers allmählich aufgebraucht werden.

Müdigkeit als mögliche Folge
Müdigkeit als mögliche Folge

Als Hinweis auf eine chronische Azidose gelten:

Letzteres lässt sich darauf zurückführen, dass die anhaltende Übersäuerung die Zellteilung hemmt, was sich wiederum negativ auf die Regenerationsfähigkeit des Gewebes auswirkt. Des Weiteren werden den Knochen zur Neutralisation der Säuren wichtige Phosphate und Mineralsalze entzogen.

Gesundheitliche Folgen der chronischen Übersäuerung

Ohne eine entsprechende Behandlung der chronischen Übersäuerung besteht die Gefahr von Folgeerscheinungen wie:

Doch auch das Bindegewebe wird durch eine chronische Übersäuerung in Mitleidenschaft gezogen, da sich dort verstärkt Stoffwechselprodukte ablagern. Infolgedessen vermindern sich die Spannkraft des Bindegewebes und der Haut, was die Bildung von Falten und Cellulitis fördert.

Außerdem begünstigt eine chronische Übersäuerung die Entstehung von zahlreichen Krankheiten wie:

Maßnahmen zur Entsäuerung

Die Behandlung einer Azidose verfolgt zwei Ziele. So sollen einerseits die Symptome und andererseits die Ursachen der Störung bekämpft werden.

Behandlung der atmungsbedingten Übersäuerung

Leidet der Patient unter einer atmungsbedingten Übersäuerung, wird seine Atemfrequenz gesteigert. Auf diese Weise kann er mehr saures Kohlendioxid ausatmen.

Da eine respiratorische Azidose stets mit einer Mangelversorgung des Gewebes mit Sauerstoff (Hypoxie) einher geht, hängt die Behandlung auch von deren Ausmaß ab. So kann es in schweren Fällen nötig sein, den Patienten zu beatmen.

Behandlung einer stoffwechselbedingten Übersäuerung

Bei einer stoffwechselbedingten Übersäuerung muss mit einer Therapie begonnen werden, wenn der pH-Wert auf unter 7,15 fällt. Als geeignetes Behandlungsmittel gilt Bikarbonat (Natriumhydrogencarbonat).

Liegen keine Beeinträchtigungen der Atemfunktion vor, ist eine Bikarbonat-Infusion möglich. Der Patient kann das Kohlendioxid dann verstärkt abatmen.

Das Bikarbonat lässt sich aber auch in Tablettenform einnehmen. Die Tabletten dienen dazu, die natürlichen Puffersysteme des Organismus zu unterstützen.

Liegen bestimmte Grunderkrankungen, wie zum Beispiel Diabetes oder eine Nierenkrankheit vor, werden diese entsprechend durch Insulin-Zufuhr bzw. eine Dialyse (Blutwäsche) behandelt.

Ernährungsumstellung

Um einer Übersäuerung entgegenzuwirken, wird empfohlen, langfristig eine Ernährungsumstellung vorzunehmen. So ist es ratsam, sich ausgewogen zu ernähren und mindestens zwei Liter Flüssigkeit pro Tag zu trinken. Auf Alkohol und Nikotin sollte man dagegen lieber verzichten.

Wichtig ist auch regelmäßige Bewegung.