Worüber man Kinder aufklären sollte

Kinder sollten über Sexualität so weit wie möglich aufgeklärt werden. Dabei müssen Eltern jedoch nicht ihr eigenes Sexualleben ausbreiten.

Von Jens Hirseland

Früher oder später beginnt fast jedes Kind damit, Fragen an seine Eltern über sexuelle Themen zu stellen, was diese häufig in Verlegenheit bringt. So wissen viele Erziehungsberechtigte nicht genau, worüber sie ihre Sprösslinge aufklären sollen und welche Themen sie lieber vermeiden.

Das passende Alter für erste aufklärende Gespräche

Grundsätzlich ist es besser, wenn in der Familie keine Tabuthemen herrschen. Natürlich spielt auch das Alter der Kinder eine wichtige Rolle.

Bei kleineren Kindern, die wissen wollen, woher die Babys kommen, genügt es meist zu sagen, dass diese im Bauch der Mama wachsen. Mit zunehmendem Alter steigt jedoch auch die Neugier der Kinder, die es dann schon genauer wissen wollen.

In diesem Fall empfiehlt es sich, auf Tabuthemen zu verzichten und die Fragen der Kinder offen und ehrlich zu beantworten. Dabei ist es wichtig, das Thema Sexualität so unverkrampft wie möglich anzugehen.

Zu lange darf man mit der Aufklärung jedoch nicht warten, denn schon beim Eintritt in die Schule sollten Kinder über die wichtigsten Begriffe Bescheid wissen. Ebenso ist es ratsam, sie darüber aufzuklären, woher die Babys eigentlich stammen und auf welche Weise sie entstehen.

Stellt ein Kind, das bereits im Schulalter ist, keine Fragen über Sexualität, weil es sich zum Beispiel nicht traut darüber zu sprechen, müssen die Eltern die Initiative ergreifen.

Wichtige Themen der Aufklärung

  • Zu den wichtigsten Punkten, über die man Kinder unbedingt aufklären sollte, gehört, was Geschlechtsverkehr ist und wie er funktioniert.
  • Darüber hinaus sollten sie über die männlichen und weiblichen Geschlechtsorgane sowie deren Funktionen Bescheid wissen.
  • Ebenso wichtig ist es, die Kinder über eine Schwangerschaft und deren Ablauf zu informieren und mit welchen Mitteln sie sich verhindern lässt.
  • Auch das Wissen über ansteckende und gefährliche Geschlechtskrankheiten wie AIDS oder Syphilis und wie man sich am besten davor schützt, gehört zu einer umfassenden Aufklärung.

Generelle Tipps

Bei Gesprächen über Aufklärung ist es sehr wichtig, dass sich das Kind dabei wohl fühlt und sich nicht schämt, da sonst ein gegenteiliger Effekt droht. Keinesfalls sollte das Kind Sexualität als peinlich oder unangenehm empfinden.

Über intime Details aus dem Sexualleben ihrer Eltern müssen Kinder jedoch nicht Bescheid wissen.

Im Folgenden gehen wir etwas näher auf die Themen, über die Kinder aufgeklärt werden sollten, ein.

Veränderungen in der Pubertät

Die Pubertät stellt eine Zeit der physischen und psychischen Veränderungen dar. Daher ist es wichtig, dass Jungen und Mädchen von ihren Eltern rechtzeitig über ihre Vorgänge informiert werden. Allerdings fällt die Aufklärung vielen Müttern und Vätern nicht immer leicht, da es dabei auch um das heikle Thema Sexualität geht.

Veränderungen bei Mädchen

Bei Mädchen setzt die Pubertät in der heutigen Zeit eher ein als in früheren Jahren. So trat die erste Menstruationsblutung früher oft erst im Alter zwischen 16 und 17 Jahren auf, während dies heutzutage schon zwischen 12 und 13 Jahren der Fall sein kann.

Eine Regel existiert dafür jedoch nicht. So ist das Einsetzen der Periode individuell unterschiedlich und reicht von 10 bis 15 Jahren.

Auch das Ausmaß und die Zeitdauer der Periode sind verschieden. Bis ein dauerhafter Rhythmus einsetzt, vergehen mitunter bis zu drei Jahre.

Begonnen wird die Pubertät bei Mädchen mit einem Wachstumsschub. Dieser hat das Anwachsen der Brüste und eine Verbreiterung des Beckens zur Folge. Außerdem bilden sich Achselhaare und Schamhaare. Auch die inneren Geschlechtsorgane beginnen sich zu entwickeln.

Veränderungen bei Jungen

Bei Jungen zeigt sich die Pubertät in der Regel später als beim weiblichen Geschlecht. Im Alter von 11 bis 12 Jahren setzt das Wachstum der Hoden ein. Außerdem kommt es zu einem starken allgemeinen Wachstumsschub. So vergrößert sich auch der Penis und Schamhaare zeigen sich.

Darüber hinaus tritt die Behaarung des Körpers auf, was sich auch durch einen Flaum an der Oberlippe bemerkbar macht. Weiterhin werden der Kehlkopf und die Stimmbänder größer und es kommt zum Stimmbruch.

Pubertät im Gehirn

Vorbereitet wird die Pubertät im Kopf, genauer gesagt im Gehirn. So entstehen dort die ersten Planungen, noch bevor am Körper sichtbare Veränderungen einsetzen.

Zum Beispiel bilden sich die Sexualhormone FSH (Follikelstimulierendes Hormon) und LH (Luteinisierendes Hormon), die in den Blutkreislauf einströmen und auf diese Weise Veränderungen am Körper hervorrufen. So wird von ihnen die Herstellung der Sexualhormone Testosteron und Östrogen stimuliert.

Die Hormonproduktion hat auch Auswirkungen auf die Haut, was sich oftmals in Form von unangenehmen Mitessern und Pickeln bemerkbar macht.

Psychische Veränderungen

Auch die Psyche bleibt von den Veränderungen während der Pubertät nicht verschont. So verhalten sich die Kinder anders und orientieren sich neu. Dies wirkt sich natürlich auch auf die Beziehungen zu den Eltern aus, worunter oftmals die Harmonie der Familie leidet.

Häufig kommt es zu Provokationen und heftigen Streitigkeiten. Dabei testen die Kinder ihre Grenzen aus.

Phasen der Pubertät

Die Pubertät lässt sich in drei unterschiedliche Phasen einteilen.

1. Phase: die Vorpubertät

Die erste Phase beginnt im Alter zwischen 10 und 12 Jahren. In diesem Zeitraum treten physische Veränderungen wie die erste Regelblutung bei Mädchen und der Stimmbruch bei Jungen auf. Außerdem werden Sexualhormone wie Testosteron bei Jungen und Östrogen bei Mädchen produziert. Am Körper sprießen Haare und Schamhaare hervor.

Auch das Verhalten der Kinder verändert sich in der ersten Phase spürbar. So

  • gehen sie zu ihren Eltern mehr auf Distanz,
  • lügen diese an und
  • haben Geheimnisse vor ihnen.

Außerdem kommt es zu plötzlichen Stimmungswechseln und Wutausbrüchen.

2. Phase: die Hochphase der Pubertät

Die zweite Phase dauert vom 13. bis zum 15. Lebensjahr an. Dabei entstehen abrupte Wachstumsschübe und Körperproportionen, die unstimmig wirken. Jungen erleben ihren ersten Samenerguss und es bilden sich Pickel und Mitesser, weil die Talgdrüsen ein Übermaß an Fett herstellen.

Während der zweiten Pubertätsphase haben die Jugendlichen Probleme mit ihrem Selbstwertgefühl, wodurch sie häufig provokativ und aggressiv reagieren. Außerdem nehmen Jungen und Mädchen ihre typischen Rollenmuster ein und erforschen ihre Sexualität.

3. Phase: die Spätpubertät

Die dritte Phase der Pubertät findet zwischen dem 16. und dem 18. Lebensjahr statt. Viele Jugendliche üben nun einen übertriebenen Kult um ihren Körper aus, was sich durch Fitnessübungen, aber auch durch Essstörungen bemerkbar machen kann.

In ihrem Verhalten lösen sich die Kinder mehr und mehr von ihrem Elternhaus und nehmen eine Neuorientierung vor. So werden sie selbstständiger und grübeln über ihre Zukunft und den Sinn ihres Daseins nach.

Folgen für die Eltern

Auch für die Eltern kommt es durch die Pubertät zu Veränderungen. Einerseits sind sie ständig bemüht, ihren Kindern mehr Freiraum zu lassen, müssen ihnen aber andererseits auch Grenzen setzen. Häufig können sie das veränderte Verhalten ihres Sprösslings nicht mehr nachvollziehen.

Es gilt, die richtige Balance zwischen Halten und Loslassen zu finden.

Probleme während der Pubertät

Die Pubertät bringt in vielen Haushalten Probleme mit sich. Zum Beispiel zeigen sich manche Jugendliche äußerst verhaltensauffällig, andere begehen sogar kriminelle Delikte, lassen die Schule links liegen oder werden süchtig. Bei Mädchen tritt häufig das Problem von Essstörungen wie Magersucht auf.

Nicht selten reagieren die Eltern auf die Probleme mit Verunsicherung und Überforderung und suchen Hilfe in beratenden Büchern oder im Internet. Diese Ratgeber können mitunter tatsächlich hilfreich sein. Außerdem erfahren die betroffenen Eltern, dass sie nicht die einzigen Menschen sind, die Probleme mit ihren pubertierenden Kindern haben.

Sex, Verhütung und Schwangerschaft

In der Pubertät ist es wichtig, dass die Jugendlichen über Themen wie Sex, Verhütung und Schwangerschaft Bescheid wissen. Eine wichtige Rolle spielen zudem sexuell übertragbare Erkrankungen.

Verhütung

Vor dem ersten Sex sollte unbedingt auf sichere Verhütungsmittel geachtet werden.

Das Kondom

Als sicherster Schutz, nicht nur vor einer ungewollten Schwangerschaft, sondern auch vor Infektionskrankheiten, deren Übertragung beim Geschlechtsverkehr erfolgt, gilt das Kondom. Es zählt gemeinsam mit der Antibabypille zu den Verhütungsmitteln, die am häufigsten zum Einsatz gelangen.

Das Kondom gehört zu den mechanischen Verhütungsmitteln und ist in mehreren Farben, Formen und Varianten erhältlich. Der Gummischutz des Kondoms fängt das männliche Sperma nach dem Orgasmus auf und verhindert auf diese Weise, dass es zur weiblichen Vagina vordringt.

Wichtig ist allerdings die exakte Verwendung des Kondoms, was mitunter ein Problem für ungeübte Jugendliche darstellt.

Mechanische und hormonelle Verhütungsmittel

Weitere sichere Schutzmaßnahmen vor einer Schwangerschaft sind:

  • die Antibabypille
  • die Spirale
  • das Diaphragma

Allerdings haben diese Methoden den Nachteil, dass sie nicht vor Geschlechtskrankheiten und sexuell übertragbaren Erkrankungen schützen.

Während die Pille, ebenso wie die Spirale und das Diaphragma, vom Arzt verschrieben werden müssen, bekommt man ein Kondom schon in der Apotheke, im Supermarkt oder der Drogerie.

Ungewollte Schwangerschaft verhindern

Experten raten Eltern dazu, ihre Söhne darüber aufzuklären, dass es durch eine vergessene Pille der Freundin oder eine unsichere Verhütungsmethode zu einer ungewollten Schwangerschaft kommen kann.

Manche Eltern sprechen mit ihren Kindern allerdings gar nicht über sexuelle Themen, weil sie befürchten, dass ihre Sprösslinge dies als Ermunterung zum Geschlechtsverkehr betrachten könnten. Das Verschweigen dieses sensiblen Themas gilt jedoch als weitaus riskanter.

Der Umgang mit einer Teenagerschwangerschaft

Besteht der Verdacht auf eine Teenagerschwangerschaft, sollten die betroffenen Eltern mit ihrer Tochter zunächst einmal einen Gynäkologen aufsuchen. Dieser kann durch eine Untersuchung den Verdacht entweder bestätigen oder dementieren. Mitunter kommt es auch durch physische oder emotionale Gründe zum Ausbleiben der Regelblutung.

Bestätigt sich die ungewollte Schwangerschaft, gibt es drei Möglichkeiten:

  1. Das Mädchen kann das Kind bekommen und aufziehen.

  2. Das Mädchen kann den Säugling nach der Geburt zur Adoption freigeben.

  3. Eine andere Option ist das Unterbrechen der Schwangerschaft durch eine Abtreibung.

Welche Vorgehensweise letztlich ausgewählt wird, sollte durch ausführliche Gespräche mit allen Beteiligten abgeklärt werden. Die letzte Entscheidung muss jedoch das schwangere Mädchen treffen.

Sexuelle Gewalt

Ein sehr unerfreuliches Thema ist sexuelle Gewalt. Doch auch darüber sollte das Kind so gut wie möglich aufgeklärt werden.

Rechtliche Grundlage und Statistiken

Das Recht auf freie sexuelle Selbstbestimmung wird bereits im Grundgesetz aufgeführt. Verstößt jemand gegen dieses Recht, stellt das einen Fall von sexueller Gewalt dar. Besonders betroffen von sexueller Gewalt sind Kinder. So kommt es immer wieder trotz drohender Strafen zu sexuellem Missbrauch von Kindern.

Nicht selten stammen die Täter aus dem sozialen Umfeld oder sogar der Familie. So sind 93 Prozent aller betroffenen Kinder und Jugendlichen dem Täter vorher bekannt. Bei rund 90 Prozent der Täter handelt es sich um Männer.

Häufig führt der Missbrauch zu schweren Traumatisierungen und Persönlichkeitsstörungen, die das ganze Leben lang anhalten können. Aus diesem Grund ist es überaus wichtig, Kinder über sexuelle Gewalt aufzuklären, was zumeist in der Schule erfolgt. Darüber hinaus sollten sich auch die Eltern mit dem heiklen Thema befassen.

Kinder über sexuelle Gewalt aufklären

Ein wichtiger Schritt ist es dem Kind klarzumachen, dass sein Körper ihm ganz allein gehört. Niemand hat das Recht über ihn zu verfügen. Auch größere Kinder sollten sich nicht zu ungewollten sexuellen Aktionen drängen lassen.

Sexuelle Gewalt beginnt jedoch nicht nur mit einer Vergewaltigung, sondern kann schon früher einsetzen. So gilt es, zwischen unterschiedlichen Formen von sexueller Gewalt zu unterscheiden. Dazu gehören zum Beispiel:

  • anzügliche Gesten und Berührungen an Brust oder Genitalien

  • das Entblößen der Genitalien

  • das Aufzwingen von sexuellen Handlungen

  • abwertende Bemerkungen über das Aussehen

  • das heimliche Beobachten in intimen Situationen

  • das Anfertigen und Veröffentlichen von Nacktfotos oder Nacktfilmen

Das Erkennen von sexueller Gewalt

Nicht jeder Kuss und jede zärtliche Berührung bedeuten sexuelle Gewalt und können durchaus positiv sein. So muss das Kind auf sein Gefühl achten. Spürt es ein unangenehmes Gefühl bei der Berührung, sollte es sofort Nein sagen. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um einen Fremden oder einen Verwandten handelt.

Bei Belästigungen in der Öffentlichkeit raten Experten dazu, laut um Hilfe zu rufen.

Kinder haben keine Schuld

An sexueller Gewalt haben Kinder keinerlei Schuld. Diese trägt allein der Täter, der meist durch das Ausüben von Macht eigene psychische Probleme bewältigen will.

Kommt es zu einem Vorfall, sollte das Kind sich unbedingt jemandem anvertrauen wie:

  • den Eltern
  • einer Beratungsstelle
  • dem Lehrer

Durch das Brechen des Schweigens lassen sich in Zukunft weitere Sexualdelikte verhindern.