Herstellung pflanzlicher Arzneimittel und Verwendungsmöglichkeiten verschiedener Arzneipflanzen

Phytopharmaka sind Arzneimittel rein pflanzlichen Ursprungs. Um aus einer Pflanze ein wirksames Heilmittel zu machen, bedarf es jedoch eines aufwendigen Verarbeitungsprozesses.

Von Claudia Rappold

Der Verarbeitungsprozess: Wie aus Pflanzen Arzneimittel werden

Schon seit Anbeginn nutzen die Menschen Pflanzen als Heilmittel. Auch in der heutigen Zeit kommen zahllose pflanzliche Mittel, die man Phytopharmaka nennt, zur Anwendung.

Pflanzliche Präparate haben gegenüber chemischen Medikamenten den Vorteil, dass sie weniger Nebenwirkungen aufweisen. Daher sind sie ein beliebtes Arzneimittel zur Selbstmedikation. Doch auch von Ärzten werden sie regelmäßig gegen die unterschiedlichsten Beschwerden verordnet.

Anbau

Allerdings muss eine Pflanze erst einmal einen weiten Weg zurücklegen, bevor sie als Heilmittel zur Anwendung kommen kann. Da Heilpflanzen in der freien Natur wachsen, unterliegen sie zahlreichen Umweltfaktoren wie der Beschaffenheit des Bodens und dem Klima.

Außerdem können sie von Schädlingen befallen werden. Aus diesem Grund gewinnt man pflanzliche Rohstoffe lieber durch den Anbau auf einem Feld, denn dort lässt sich ihr Wuchs im Gegensatz zur Wildsammlung besser kontrollieren.

Richtlinien

An das pflanzliche Rohmaterial werden hohe Qualitätsansprüche gestellt. Aus diesem Grund verpflichten sich viele Anbaubetriebe freiwillig dazu, bestimmte Richtlinien bei der Anpflanzung von Arznei- und Gewürzpflanzen einzuhalten.

Dazu gehören unter anderem

  • die Anforderungen an die Beschaffenheit des Bodens
  • die Verwendung von qualitativ hochwertigem Saatgut sowie
  • der weitgehende Verzicht auf Pflanzenschutzmittel.

Außerdem ist es wichtig, die Pflanzen nach der Ernte gut zu lagern und sie vor schädlichen Einflüssen zu schützen.

Trocknungsprozess

Des Weiteren spielt auch der Trocknungsprozess eine wichtige Rolle. Bei diesem Vorgang wird die Feuchtigkeit so weit wie möglich entfernt, um die Entstehung von Schimmelpilzen zu vermeiden. Dabei darf die Qualität der gesundheitsfördernden Inhaltsstoffe der Pflanzen jedoch nicht beeinträchtigt werden.

Weiterverarbeitung

Nachdem man die Arzneipflanze, auch Droge genannt, getrocknet hat, bringt man sie in einem geeigneten Behälter unter und lagert sie an trockener und sauberer Stelle, bevor die Weiterverarbeitung erfolgt.

  • Handelt es sich bei dem Endprodukt um ein Pulver für eine Tablette bzw. Kapsel oder einen Tee, pulverisiert oder zerkleinert man die getrocknete Droge.
  • Soll die Darreichungsform hingegen flüssig oder fest sein, erfolgt ein technisches Extrahierungsverfahren, bei dem die wertvollen Inhaltsstoffe in eine Lösung gelangen.

Darüber hinaus ist es wichtig, die Inhaltsstoffe der Phytopharmaka in eine geeignete Form zu bringen, um deren Wirksamkeit zu gewährleisten.

Zulassung

Genau wie synthetische Medikamente unterliegen auch Phytopharmaka der behördlichen Zulassung. So dürfen sie erst nach einer gründlichen Überprüfung in

angeboten werden. Zuständig für das Erteilen der Erlaubnis ist das BfArM (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte). Für die Zulassung eines Arzneimittels muss nachgewiesen werden, dass es wirksam und zugleich unbedenklich ist.

Wie breit gefächert die Wirkung von pflanzlichen Arzneimitteln ist, zeigen wir Ihnen im Folgenden anhand einiger Beispiele...

Bestandteile und Verwendungsmöglichkeiten der Schlehe

Die Schlehe ist eine altbewährte Arzneipflanze. Sie wird auch Schlehdorn oder Schwarzdorn genannt. Schon im Mittelalter wurde Schlehenmarmelade als Aufbaunahrung bei zehrenden Krankheiten verwendet.

Herkunft und Merkmale

Die Schlehe gehört zu den Rosengewächsen und ist in

beheimatet. Sie wächst vorzugsweise an

Sie zeichnet sich durch ihre schwarze Rinde aus und die weitläufig kriechenden Wurzeln treiben vielfältige Sprossen aus. So entsteht die typisch dornige und undurchdringliche Schlehenhecke.

Der strauchartige Baum kann bis zu drei Meter hoch werden. Die Zweige tragen an den Enden Dornen. Die Blätter sind spiralförmig angeordnet und am Rand gesägt. Die Schlehe blüht von März bis April mit kleinen weißen Blüten.

Die graublauen Früchte werden erst nach dem Durchfrieren genießbar. Die Früchte erinnern an ganz kleine Zwetschgen und haben im Verhältnis einen großen Stein, aber vor dem Frost schmecken sie bitter, zusammenziehend und herb.

Inhaltsstoffe

Zur arzneilichen Verwendung kommen hauptsächlich sowohl die frischen, als auch die getrockneten Früchte, seltener die Blüten und die Wurzelrinde. Die Früchte enthalten hauptsächlich

  • Gerbstoffe,

die eine adstringierende Wirkung haben. Daneben enthalten sie

  • Amygdalin
  • Apfelsäure
  • Flavonoide
  • Vitamin C
  • Emulsin
  • fettes Öl
  • Glykoside
  • Nitritglykosid und
  • etwas Blausäure (in den Kernen).

Die Blüten werden im April und Mai gesammelt. Die Wurzelrinde im Oktober und November und die Früchte im späten Herbst und November.

Anwendungsgebiete

Die Inhaltsstoffe machen die Schlehe zu einem guten Phytopharmakon.

Man sagt der Schlehe hauptsächlich schleim- und krampflösende Eigenschaften nach. Sie hilft bei

Außerdem wirkt die Schlehe entzündungshemmend, wärmend und appetitanregend. Sie hilft auch bei

Auch in der anthroposophisch erweiterten Medizin spielt die Schlehe eine wichtige Rolle. Sie ist Bestandteil vieler Arzneimittel und wird hauptsächlich bei

  • Erkältungskrankheiten
  • Erschöpfungszuständen und
  • einer verzögerten Rekonvaleszenz

eingesetzt.

  • Schlehensaft ist eine wichtige Vitamin-C-Quelle und bei Entzündungen im Mund-Rachen-Raum kann mit ihm gegurgelt werden.
  • Ein Schlehentee dient auch der Blutreinigung. Er sollte kurativ etwa vier bis sechs Wochen angewendet werden.
  • Schlehenmarmelade regt den Appetit an und kann auch in der Rekonvaleszenz zur Stärkung gegessen werden.
  • Ein Schlehenblütenöl kann als wärmender Badezusatz verwendet oder zu Einreibungen genutzt werden.

Bestandteile und Verwendungsmöglichkeiten der Färberwaidpflanze

Der Färberwaid (Isatis tinctoria L.) wird auch als Deutsche Indigo oder Pastel bezeichnet. Die zweijährige Pflanze gehört zur Familie der Kreuzblütengewächse (Brassicaceae).

Seinen Ursprung hat der Färberwaid im Westen von Asien. Man kultiviert ihn jedoch bereits seit Jahrhunderten auch in Europa als Färberpflanze. So wurde in früheren Zeiten in Deutschland aus der Pflanze Indigoblau gewonnen. Doch auch als Heilpflanze hat der Färberwaid seine Qualitäten.

Vorkommen und Beschreibung

Beheimatet ist der Färberwaid in Westasien und Südosteuropa. Man findet ihn vor allem auf Weinbergen oder in warmen, trockenen Unkrautfluren. Die Pflanze erreicht eine Höhe zwischen 50 Zentimetern und 1,50 Meter. Ihre Blätter sind blaugrün und weisen die Form einer Lanzette auf.

Der Durchmesser der gelben Blüten, die in den Monaten Juli und August auftreten, beträgt rund 3 bis 6 Millimeter. Aus den Waidblüten entstehen bis zum Herbst die Samen, die in geflügelten schwarzbraunen Schötchen gedeihen. Diese erreichen einen Durchmesser von ca. 10 bis 25 Millimetern.

Bestandteile

In den Blättern der Färberwaidpflanze befindet sich das farblose Glykosid Indican. Dieses wird nach der Ernte durch Enzyme in Indoxyl und Zucker gespalten und oxidiert zu Indigo.

Bis es zur kompletten Umwandlung nach dem Färbeprozess kommt, dauert es einige Stunden. Die Wurzeln des Färberwaids dienen auch zur Herstellung von Waidbitterlikor.

Geschichte des Färberwaids

In Deutschland kultivierte man die Färberwaidpflanze seit dem 9. Jahrhundert, wobei der Anbauschwerpunkt vor allem in Thüringen lag. So stieg die Stadt Erfurt zum Zentrum des Waidhandels auf. Neben Thüringen dienten auch das Elsass, Südfrankreich und England als Hauptanbaugebiete.

Um die Pflanze zu verarbeiten, benötigte man spezielle Waidmühlen. Bis ins 16. Jahrhundert war der Färberwaid für die Produktion von blauem Leinen überaus wichtig. Im 17. Jahrhundert wurde er jedoch von dem echten Indigo zunehmend verdrängt.

In der heutigen Zeit greift man jedoch wieder häufiger auf die Färberwaidpflanze zum Färben von Holz zurück. Darüber hinaus lässt sich der Färberwaid auch als Heilpflanze verwenden.

Färberwaid als Heilpflanze

Sowohl in Asien als auch in Europa kann der Färberwaid auf eine lange Tradition als Heilpflanze zurückblicken. In Europa verarbeitete man seine Blätter und Wurzeln meist zu Salben.

Anwendungsgebiete

Die Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) greift auf die Färberwaidwurzel zurück, um mit ihr Erkrankungen wie zum Beispiel

zu behandeln. In China wird das pflanzliche Heilmittel Banlangen genannt. Es kam dort auch während der SARS-Epidemie zum Einsatz. Zur Anwendung kommt die Pflanze zudem bei

Wirkung

Der Färberwaidpflanze werden verschiedene heilende Effekte zugeschrieben. So wirkt sie

  • fiebersenkend
  • antiviral
  • antibakteriell
  • blutstillend
  • immunstärkend
  • adstringierend und sogar
  • antikarzinogen.

Darüber hinaus gilt der Färberwaid als

  • entgiftend.

Darreichungsformen

Die Inhaltsstoffe der Färberwaidpflanze lassen sich auf unterschiedliche Weise darreichen. So gibt es

  • Salben gegen Lähmungen, die schon von Hildegard von Bingen (1098-1179) hergestellt wurden
  • gepresstes Samenöl gegen Hautkrankheiten
  • Tees aus Blättern oder Wurzeln zum Gurgeln oder
  • Aufgüsse gegen Schwellungen und kleinere Blutungen.

Eine innerliche Anwendung gilt wegen der giftigen Wirkung der Pflanze und der schwierigen Dosierung als nicht ungefährlich. Die Homöopathie setzt Färberwaid gegen bestimmte Virenerkrankungen ein.

Färberwaid anbauen

Wer Färberwaid selbst anbauen möchte, sollte mit der Aussaat entweder im Frühling oder im Spätsommer beginnen. Wichtig ist, die Pflanze nicht immer am selben Ort zu kultivieren. Als idealer Untergrund für den Färberwaid gilt ein warmer und lockerer Boden, der stickstoff- und kalkreich ist.

Bestandteile und Verwendungsmöglichkeiten der Passionsblume

Die vor allem in südlichen Teilen Nordamerikas und den nördlichen Teilen Südamerikas beheimatete Passiflora ist eine Kletterpflanze, die bis zu 8 Meter Höhe erreichen kann. In Europa sind vorwiegend ihre wohlschmeckenden Früchte als Maracuja bekannt. Als Heilpflanze findet ausschließlich die Passiflora incarnata L. Anwendung.

Geschichte

Anders als im heutigen Europa, wurden von den Indianern Nordamerikas nicht die Blüten und Blätter der Passiflora incarnata L. zu Heilzwecken verwendet, sondern ihre Wurzeln. So wurden Teezubereitungen aus der Wurzel von den Cherokee

  • für die leichtere Entwöhnung von Kindern

verabreicht und

Der Brei aus dem Wurzelpulver kam bei

zum Einsatz. Ein Sud aus den Wurzeln wurde auch bei

  • Ohrenentzündungen

in die Ohren geträufelt. Es ist also anzunehmen, dass die Passiflora auch entzündungshemmende Eigenschaften besitzt.

Die ersten Einwanderer in das Beheimatungsgebiet der Passionsblume verwendeten Tees und Auszüge aus den oberirdischen Anteilen der Passiflora gegen

Wirkungsweise und heutige Anwendungsgebiete

Es ist unsicher, warum die früher offensichtlich bevorzugten Teile der Passiflora incarnata L. in heutigen medizinischen Forschungen unbeachtet bleibt. Dagegen erlebt das Kraut mit seiner sedativen, beruhigenden Wirkung gerade wieder eine hohe Beachtung für Heilzwecke.

  • Die Passiflora hilft durch die Kombination ihrer Wirkstoffe, zum Beispiel den Flavonoiden bei Ängsten Unruhezuständen vor wichtigen Ereignissen (wie zum Beispiel einer Operation) und

  • beruhigt die Nerven vor Stresssituationen (zum Beispiel einem Auftritt vor Publikum).

  • Auch ermöglicht die Passiflora ein leichteres Einschlafen, ohne den Schlafrhythmus zu stören. Hierzu werden häufig auch Präparate aus einer Kombination von Passiflora und Baldrianwurzel verwendet.

  • Es gibt Hinweise darauf, dass die Passiflora incarnata L. auch Depressionen beeinflussen kann; man soll sogar die Dosis von Johanniskraut entsprechend reduzieren können.

    Allerdings hier der wichtige Hinweis: Eine Depression gehört unbedingt in fachmännische Behandlung. Es gibt jedoch Ärzte, die sich neben einer medikamentösen oder psychotherapeutischen Behandlung auch den Möglichkeiten einer zusätzlichen Behandlung Unterstützung durch die Phytotherapie (Pflanzenheilkunde) holen.

    Denn die Kraft der Natur kann unterstützend wirklich viel bewirken, was gerade auch bei der Passiflora incarnata L. inzwischen auch von Schulmedizinern Beachtung findet.

  • Daneben kann die Passiflora incarnata L. auch bei so genannten generalisierten Angststörungen hilfreich sein.

Darreichungsformen

Die Passiflora incarnata L. gibt es für jeden Verwendungszweck in unterschiedlichen Darreichungsformen und Dosierungen. Für die Mitbehandlung leichter Einschlafstörungen kann man durchaus auf

  • das Heilkraut der Passiflora

zurückgreifen und sich abends vor dem Einschlafen einen Tee zubereiten. Hier hilft natürlich auch die angenehme Wärme des Tees noch zusätzlich. Ansonsten gibt es, wie bereits erwähnt,

  • Tabletten

entweder allein aus der Passiflora, oder auch in Kombination mit Baldrianwurzel oder anderen schlaffördernden Pflanzenteilen. In der Homöopathie verwendet man die Passiflora auf

  • so genannten Streukügelchen, auch Globuli

genannt. Diese bestehen aus einem Zuckerkügelchen, auf die das jeweilige potenzierte Präparat aufgesprüht wurde.

Man nimmt die Globuli nicht wie eine Tablette ein, sondern lässt sie unter der Zunge vergehen. Nach Beratung bei einem guten Heilpraktiker erhält man die Globuli in der Apotheke.