Polytrauma - Verletzungen unterschiedlicher Körperregionen aufgrund von schweren Unfällen

Bei einem Polytrauma handelt es sich um mehrere, gleichzeitig auftretende, Verletzungen von unterschiedlichen Körperregionen. Dabei ist die Kombination der Verletzungen lebensbedrohlich.

Von Jens Hirseland

Von einem Polytrauma sprechen Mediziner, wenn gleichzeitig mehrere Körperstellen oder Organsysteme schwer verletzt sind. Außerdem kann durch mindestens eine Verletzung oder aufgrund der Kombination der Verletzungen Lebensgefahr für den Patienten bestehen.

Bei Menschen unter 45 Jahren bildet das Polytrauma die häufigste Todesursache. Die Sterblichkeitsrate beträgt etwa 20 Prozent. Besonders betroffen sind Männer.

Ursachen und Symptome eines Polytraumas

Verursacht werden Polytraumata durch schwere Unfälle wie Stürze aus großer Höhe oder Verkehrsunfälle. Zu letzteren zählen vor allem Autounfälle, die typische Verletzungsmuster aufweisen. Aber auch Unfälle im Haushalt führen nicht selten zu einem Polytrauma.

Beispiele und mögliche Folgen

Beispiele für ein lebensbedrohliches Polytrauma sind umfangreiche Risse in Blutgefäßen, die starke Blutungen hervorrufen, oder eine Ruptur der Milz. Darüber hinaus kann es zu

kommen. Außerdem besteht die Gefahr eines Schocks. Des Weiteren können in den ersten Tagen des Polytraumas Fettembolien oder eine akute Nierenschwäche auftreten.

Letztlich sind die Symptome eines Polytraumas ebenso unterschiedlich wie die erlittenen Verletzungen. Zu den größten Problemen des Polytraumas zählt die Bewusstlosigkeit des Patienten, der deshalb seine Beschwerden nicht mitteilen kann. Dadurch muss der Arzt die Diagnose ohne seine Mithilfe stellen.

Diagnose

In den meisten Fällen diagnostiziert bereits der Notarzt, der zum Unfallort eilt, ein Polytrauma. Dabei geht man nach einem bestimmten Ablauf vor.

So wird zunächst geklärt, ob der Patient bei Bewusstsein ist oder eine Wiederbelebung erfolgen muss. Bei stabilen Körperfunktionen kann der Notarzt den Patienten rasch nach einer bestimmten Vorgehensweise von Kopf bis Fuß untersuchen.

Sofern der Patient transportfähig ist, bringt man ihn dann in ein Krankenhaus, das am besten für die Behandlung der Verletzungen geeignet ist. So gibt es beispielsweise spezielle Kliniken für Kopfverletzungen. Bei sehr schweren Verletzungen und einem instabilen Zustand des Patienten kann aber auch ein Transport in das Krankenhaus erfolgen, welches am wenigsten entfernt ist.

Untersuchung im Krankenhaus

Nachdem der Patient das Krankenhaus erreicht hat, bringt man ihn in einen Schockraum. Dort erfolgt durch ein spezialisiertes Trauma-Team die weitere Diagnostik und Behandlung. Ein Trauma-Team setzt sich aus Ärzten aus verschiedenen medizinischen Fachgebieten wie

  • Chirurgie
  • innere Medizin
  • Anästhesie
  • Orthopädie und
  • Radiologie

sowie weiterem Fachpersonal zusammen. Als Leiter des Teams fungiert der Unfallchirurg. Von ihm werden alle nötigen Anweisungen erteilt. Bei der Versorgung der Verletzungen genießen lebensbedrohliche Schädigungen absolute Priorität.

Aufgaben des Anästhesisten

Vom Anästhesisten des Trauma-Teams werden die Lungen des Patienten abgehört. Besteht Verdacht auf einen Pneumothorax (überschüssige Luft im Pleuraspalt), wird eine Drainage in den Pleuraspalt gelegt, damit die Luft von dort entweichen kann. Kommt es zu einem zu starken Blutdruckabfall, verabreicht der Anästhesist über die Venen Medikamente.

Die Lungenpleura grafisch dargestellt
Die Lungenpleura grafisch dargestellt

Aufgaben eines Neurochirurgen

Eine Gehirnblutung muss ausgeschlossen werden
Eine Gehirnblutung muss ausgeschlossen werden

Durch einen Neurochirurgen wird das Gehirn auf eventuelle Blutungen hin untersucht. Dazu durchleuchtet man die Augen mit einer Taschenlampe. Im Normalfall kommt es durch die Lichteinstrahlung zum Zusammenziehen der Pupille, während sie bei Gehirnblutungen dagegen starr bleibt.

Aufgaben des Allgemeinchirurgen

Der Bauchraum wird von einem Allgemeinchirurgen untersucht, der ein Ultraschallgerät verwendet, um Flüssigkeit in der Bauchhöhle festzustellen. Diese ist ein Hinweis auf innere Blutungen, was eine sofortige Operation erforderlich macht.

Mittels Ultraschalluntersuchung innere Blutungen im Bauchraum feststellen
Mittels Ultraschalluntersuchung innere Blutungen im Bauchraum feststellen

Aufgaben des Unfallchirurgen

Um die Gliedmaßen des Patienten kümmert sich der Unfallchirurg, der nach Knochenfrakturen und anderen Verletzungen sucht. Dazu werden Arme und Beine vollständig durchbewegt.

Weitere Maßnahmen

Bei einem Polytrauma gilt es, zu beachten, dass der Patient auch an bestimmten Grunderkrankungen wie beispielsweise Diabetes leiden kann. In solchen Fällen muss Insulin injiziert werden, da sonst Lebensgefahr für den Patienten besteht.

Auch das Übersehen eines Herzinfarktes kann tödliche Folgen haben. Da lebensbedrohliche Verletzungen absolute Priorität verlangen, wird die Untersuchung gestoppt, wenn einer der Ärzte eine solche Verletzung entdeckt. Anschließend erfolgt umgehend eine Operation.

Behandlungsmaßnahmen

Liegt bei einem Polytrauma ein Milzriss vor, muss dieser rasch operiert werden. In manchen Fällen kann trotz Operation keine vollständige Versorgung durchgeführt werden, wie zum Beispiel bei einem instabilen Beckenbruch, der starke Blutungen hervorruft.

Die operative Behandlung eines Beckenbruchs erfordert erheblichen Aufwand und ist für den Patienten sehr belastend. So muss dieser zunächst einmal stabilisiert werden.

Um die Blutungen aufzuhalten, bringt man einen so genannten Fixateur externe in das Becken ein. Dieser ähnelt einer Schraubzwinge. Auf diese Weise verbindet man die einzelnen Knochenfragmente miteinander und sorgt für ihre richtige Position.

Die Behandlung von Verletzungen, die nicht als lebensbedrohlich eingestuft werden, erfolgt erst zum Schluss. Dazu gehören unter anderem Meniskus- oder Kreuzbandrisse im Knie.

Wann sich weitere Operationen durchführen lassen, ist vom Zustand des Patienten abhängig. Nach einer erfolgreichen Polytrauma-Behandlung muss der Patient viel Zeit mit der Rehabilitation verbringen. So sind monatelange physiotherapeutische Übungen erforderlich.

Prognose und Komplikationen

Die Prognose eines Polytraumas richtet sich nach der Art und dem Ausmaß der erlittenen Verletzungen. Neben den Unfallfolgen spielen auch eventuelle Komplikationen eine entscheidende Rolle.

Eine gefürchtete Komplikation des Polytraumas ist die Verletzungskrankheit. Dabei besteht die Gefahr einer Blutgerinnungsstörung.

Außerdem kann es einige Tage nach dem Unfall zu akutem Nierenversagen kommen, was Ärzte als Crush Niere bezeichnen. Bei dieser Komplikation ballt sich Myoglobin, das aus verletzten Muskeln freigesetzt wird, in den Blutgefäßen der Nieren zusammen.