Platzangst (Agoraphobie) - Ursachen, Symptome und Behandlung

Bei einer Platzangst oder auch Agoraphobie handelt es sich um die Angst, die durch bestimmte Orte, beispielsweise weite Plätze, oder auch durch Menschengedränge ausgelöst wird. Sie ist nicht zu verwechseln mit der Klaustrophobie, der Angst vor engen Räumen. Die Diagnose stellt meist der Psychologe. Behandelt wird in der Regel in Form einer Psychotherapie und/oder mit Medikamenten. Informieren Sie sich über Ursachen, Symptome und Behandlungsmöglichkeiten einer Agoraphobie.

Von Claudia Haut

Agoraphobie - Krankheitsbild

Die Platzangst im eigentlichen Sinn wird auch als Agoraphobie bezeichnet. Sie beschreibt die Angst vor weiten Plätzen und großen Menschenmengen.

Betroffene geraten in Panik, wenn sie sich in Situationen wiederfinden, aus denen sie sich notfalls nur schwer befreien, bzw. in denen sie nur schwer Hilfe bekommen könnten. So vermeiden Betroffene Fahrstühle, Busse, Kinos, Menschenmengen oder generell weite Plätze.

"Agora" lässt sich mit "Marktplatz" übersetzen, während die "Phobie" eine Furcht bezeichnet. Aus diesem Grund nennt man die Agoraphobie auch Platzangst.

Nicht zu verwechseln mit Klaustrophobie (= Raumangst)

Umgangssprachlich wird - fälschlicherweise - auch die Klaustrophobie als Platzangst bezeichnet. Unter der Klaustrophobie versteht man jedoch die Angst vor engen schmalen Gebäuden, Zimmern usw. Richtig müsste diese Angst somit "Raumangst" genannt werden. In diesem Artikel informieren wir ausschließlich über die Platzangst, also die Angst vor weiten Plätzen - wenn Sie etwas über die Angst vor engen Räumen (Klaustrophobie) erfahren möchten, finden Sie alle nötigen Informationen - hier.

Zur besseren Unterscheidung: Patienten mit einer Klaustrophobie bekommen Panikzustände, wenn sie sich in

  • engen Räumen
  • Tunneln
  • Aufzügen
  • öffentlichen Verkehrsmitteln
  • im Kino oder
  • sonstigen geschlossenen Räumen

aufhalten. Die Patienten bekommen auch bei bestimmten ärztlichen Untersuchungsgeräten, wie zum Beispiel einer Computertomografieröhre "Raumangst".

Menschen mit Agoraphobie bekommen hingegen

  • auf weiten Plätzen
  • in großen Menschenansammlungen sowie
  • bei Reisen an ferne Orte oder
  • bei Reisen, die sie allein antreten müssen,

Angstzustände.

Die Betroffenen versuchen, die auslösenden Situationen so gut es geht zu vermeiden. In Extremfällen wird es ihnen unmöglich, das Haus zu verlassen, weil sie sich nur dort sicher fühlen und keinen Kontrollverlust zu befürchten haben.

Würden sie in eine angstauslösende Situation geraten, hätten sie Panik, nicht aus dieser flüchten zu können. Auch die Angst, dass es peinlich werden könnte und dass keine Hilfe zur Verfügung steht, spielt dabei eine Rolle. Sehr oft tritt die Agoraphobie gemeinsam mit einer Panikattacke auf.

Ursachen

Die Entstehung einer Platzangst kann unterschiedlichste Ursachen haben. Einige Patienten haben schlechte Erfahrungen gemacht und entwickeln daraus ihre Angststörung. So können sie sich etwa in einem großen Menschengedränge aufgehalten haben, was zu einem unbehaglichen Gefühl geführt hat.

Oftmals liegt die Ursache der Platzangst auch in der "Angst vor der Angst". Die Patienten betreten ein überfülltes Kaufhaus, in dem stickige Luft herrscht. Aufgrund des Sauerstoffmangels wird ihnen übel, während die anderen Menschen sie von allen Seiten anrempeln. Das Herz der Patienten schlägt schneller und sie schwitzen.

Sie bekommen Panik und verlassen das völlig überfüllte Kaufhaus. Vor dem nächsten Kaufhausbesuch fragen sich die Patienten dann, ob sie die gleiche Situation wieder erleben und ob sie dann erneut unter diesen Symptomen leiden müssen. Aufgrund dieser Angst vor der Angst meiden die Patienten dann meist diese Orte.

Verlauf

Wie sich die Platzangst weiter entwickelt, ist unterschiedlich. Häufig wird sie chronisch. Mit entsprechender psychologischer Betreuung können die Patienten jedoch gut mit Ihrer Erkrankung leben.

Anderenfalls kann sich die Platzangst so weit entwickeln, dass sich die Patienten nicht mehr aus der Wohnung trauen. Eine unbehandelte Platzangst kann die Patienten in einigen Fällen auch zur völligen Isolierung und schließlich in den Selbstmord führen.

Symptome

Hauptsächlich kennzeichnet sich die Agoraphobie durch eine unbegründete Angst oder unrealistisch starke Angstgefühle, wenn man einen bestimmten Ort besuchen oder eine bestimmte Reise antreten soll. Schon die reine Vorstellung löst großes Unbehagen aus.

In den Angst auslösenden Situationen bekommen die Patienten aus dem Grund Panik, da sie der Meinung sind, sie könnten die Situation nicht mehr selbst kontrollieren. Die Patienten leiden unter starkem Herzklopfen und Schmerzen im Bereich der Brust.

Zusätzlich schwitzen sie stark und bekommen kaum Luft. Dadurch wird den Patienten schwindelig und sie haben die Angst zu ersticken. Des Weiteren kommt es zu

  • Zittern
  • Mundtrockenheit
  • Beklemmungsgefühl
  • Angst vor Kontrollverlust
  • vermehrtem Harndrang oder
  • Übelkeit.

Diagnose

Bei der Diagnose muss zwischen der körperlichen und der psychologischen Untersuchung unterschieden werden.

Körperliche Untersuchungen

Um körperliche Ursachen für eine Platzangst ausschließen zu können, erfolgt im ersten Schritt meist eine Untersuchung beim Hausarzt. Krankheiten wie eine Schilddrüsenüberfunktion könnten ähnliche Symptome wie die Platzangst hervorrufen, so dass dies zuerst abgeklärt werden muss.

Dazu führt der Arzt eine körperliche Untersuchung durch, nimmt Blut ab und untersucht Urin und Stuhl. Teilweise erfolgen weitere Untersuchungen wie zum Beispiel ein Ultraschall der Schilddrüse, bevor die Überweisung an einen Psychologen ansteht.

Psychologengespräch

Der Psychologe führt ein eingehendes Gespräch mit dem Patienten und befragt ihn nach seinen genauen Beschwerden, wann diese auftreten und wie sich diese äußern. Um andere psychische Erkrankungen von der Platzangst abgrenzen zu können, benutzt der Psychologe spezielle Fragebögen, die ihm die Diagnostik erleichtern. Für den Psychologen ist es auch hilfreich, wenn der Patient ein Angsttagebuch führt und darin genau notiert, in welchen Situationen er Angstzustände bekommt.

Laut ICD-10, einem bestimmten Klassifikationssystem für medizinische Diagnosen, muss eine bestimmte Anzahl an Angstauslösern nachweisbar sein, um die Diagnose Agoraphobie stellen zu können. Dies ist darauf zurück zu führen, dass der Begriff "Platzangst" mittlerweile nicht mehr ausschließlich für die Angst vor weiten Räumen verwendet wird.

Mindestens zwei dieser Angstauslöser müssen bei dem Patienten nachweisbar sein:

  • öffentliche Plätze
  • Menschenmengen
  • Reisen alleine
  • Reisen mit weiter Entfernung von zu Hause

Dabei muss nicht zwangsläufig auch eine Panikstörung vorliegen.

Behandlung

Die Behandlung einer Platzangst kann aus mehreren Säulen bestehen. Dabei spielen

eine bedeutende Rolle. Doch auch bei plötzlicher Platzangst kann man etwas tun.

So gilt es, seine Aufmerksamkeit ins Jetzt zurück zu holen. Man fixiert dazu einen bestimmten Punkt, den man als positiv oder zumindest nicht ganz so belastend empfindet, wie etwa eine Person oder ein Auto.

Auch das Konzentrieren auf etwas zu Essen oder zu Trinken ist empfehlenswert; man "zwingt" sich gewissermaßen dazu, auf alle Geschmacksnuancen zu achten. Alternativ lenkt man seine Konzentration auf ein Geräusch, welches man gerade wahrnimmt.

Bei diesen Bewusstseinsübungen sollte man versuchen, langsam und ruhig zu atmen. Auch etwas kaltes Wasser, in das man seine Hände eintaucht oder mit dem man sein Gesicht befeuchtet, kann hilfreich sein.

Medikamentöse Behandlung

Teilweise werden in der Therapie der Platzangst spezielle Medikamente, so genannte Antidepressiva, eingesetzt. Sie lindern jedoch nur die Symptome und haben keine heilende Wirkung. Verwendet werden auch Selektive Serotoninwiederaufnahmehemmer und Anxiolytika.

Zum Einsatz kommen die Wirkstoffe Citalopram oder Paroxetin; auch Venlafaxin ist ein typisch eingesetztes Mittel. Diese Medikamente sorgen für eine längere Wirkung des jeweiligen Botenstoffs in der Zelle.

Die eingesetzten Medikamente kommen mit einigen Nebenwirkungen daher. Möglich sind beispielsweise

  • Schlafstörungen
  • Übelkeit
  • Erbrechen und
  • sexuelle Funktionsstörungen

Antidepressiva haben den großen Nachteil, das sie abhängig machen können.

Psychotherapeutische Behandlung

Neben der medikamentösen Therapie erhalten die Patienten eine Verhaltenstherapie. Im ersten Schritt der Therapie muss der Psychologe herausfinden, welche Ursache hinter der Platzangst steckt.

Dann müssen sich die Patienten Schritt für Schritt ihrer Angst auslösenden Situation stellen. Sie lernen im Rahmen der Therapie, ein überfülltes Kaufhaus zu besuchen, sich auf einem großen Platz aufzuhalten usw.

Entspannungsverfahren

Zusätzlich helfen den Patienten auch Entspannungsübungen, die sie während einer Angstattacke anwenden können. Hilfreich sind in diesem Zusammenhang beispielsweise

Vorbeugung

Um einer Platzangst vorzubeugen, sollte man sich grundsätzlich immer wieder seiner persönlichen Angst auslösenden Situation stellen und diese keinesfalls meiden. Dadurch würde die Angst immer mehr aufgebaut anstatt abgebaut.

Sollte man dennoch entsprechende Symptome bemerken, sollte man diese umgehend von einem Therapeuten abklären lassen. Je früher die Krankheit behandelt wird, desto besser sind die Heilungschancen.

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