Haltungsfehler und Haltungsschäden bei Kindern - Erkennung und Vorbeugung

Haltungsfehler und Haltungsschäden bei Kindern und Jugendlichen - ein verbreitetes Problem. Da diese langfristig zu einem verfrühten Verschleiß von Knochen, Gelenken und Bändern führen und so erhebliche Schmerzen und Einschränkungen verursachen können, sollten eventuelle Schäden möglichst frühzeitig erkannt oder besser noch im Vorfeld verhindert werden. Die Prävention beginnt bereits im Babyalter mit der richtigen Tragetechnik. Lesen Sie, wie Sie Haltungsfehler und Haltungsschäden bei Kindern erkennen und diesen vorbeugen können.

Britta Josten
Von Britta Josten

Die Körperhaltung des Kindes

Damit die unterschiedlichen Organe des menschlichen Bewegungs- und Haltungsapparates richtig zusammenspielen können, ist eine aufrechte und freie Körperhaltung von Nöten. Wie diese ausfällt, hängt besonders vom Wirbelsäulenzustand sowie der aktiven und passiven Haltevorrichtungen ab. Wie die Wirbelsäule geformt ist, wird vor allem durch die Beckenstellung - im Normalfall etwas nach vorne geneigt - beeinflusst.

Eine aufrechte Körperhaltung wird durch die Bogenform der Wirbelsäule im Lendenbereich ermöglicht: hier besteht eine Vorwärtskrümmung, die so genannte Lordose, während oberhalb der Lendenwirbelsäule eine leichte Rückwärtskrümmung, die Kyphose, zu erkennen ist. Im Bereich der Halswirbelsäule kommt es wiederum zu einer Vorwärtskrümmung - alles in allem erfolgt daraus die bekannte S-Form der Wirbelsäule.

Diese aufrechte Körperhaltung besteht nicht von Geburt an, sondern muss sich im Laufe der Entwicklung angeeignet werden: im Mutterleib und in den ersten Monaten nach der Geburt ist die Wirbelsäule eines Kindes nach hinten gekrümmt; gleichzeitig sind die Beine im Hüftgelenk um mehr als 90 Grad angewinkelt.

In der weiteren Entwicklung des Kindes, wenn es zunächst im Liegen den Kopf anhebt und später zu sitzen, zu stehen und zu laufen lernt, wird die Wirbelsäule nach und nach umgebildet: die Halswirbelsäule krümmt sich nach vorn und richtet sich immer weiter auf. Etwa im Alter von zwei Jahren hat sie die typische S-Form erreicht: Die Halswirbelsäule ist, von der Seite her betrachtet, leicht nach vorn gekrümmt, die Brustwirbelsäule leicht nach hinten und die Lendenwirbelsäule wiederum leicht nach vorn.

In der folgenden Zeit wandelt sich diese Haltung; sie ist abhängig vom Zustand der Bänder und Muskeln; dabei unterscheidet man eine Ruhe- und Arbeitshaltung: die Bänder halten den ruhenden Körper aufrecht, während die Muskulatur des Rumpfes ihn zur Arbeitshaltung aufrichtet und zudem für die Beweglichkeit der Wirbelsäule zuständig sind.

Die Bauchmuskeln stellen die Gegenspieler der Rückenmuskeln dar und wirken von der Vorderseite auf die Wirbelsäule ein. Zur Erhaltung einer normalen Körperhaltung sind somit eine gut entwickelte Rücken- und Bauchmuskulatur sehr wichtig - kommt es in diesem Bereich hingegen zu Hemmungen, leidet u.a. auch die Haltung.

Haltungsschwäche bei Kindern

Der Rücken mit Wirbelsäule und Muskulatur ist im Wachstum begriffen. Erste Haltungsschwächen können zu temporären Fehlhaltungen führen, und die ihrerseits zu chronischen Haltungsfehlern. Die sind im späteren Alter nicht mehr korrigierbar.

Als Haltungsschwäche wird eine nicht physiologische Form beziehungsweise Haltung der Wirbelsäule bezeichnet. Der Grund dafür ist nachrangig. Eine Krümmung der Wirbelsäule führt dazu, dass die natürliche, also physiologisch-gerade Stabilität, aus dem Gleichgewicht gerät.

Wenn sich die Krümmungsneigung erhöht, dann stehen die Wirbelkörper nicht mehr parallel aufeinander, sondern kippen seitlich ab. Damit verbunden ist eine ungleichgewichtige Kräfteverteilung. Sie führt zu einem erhöhten Druck und zu einem weiteren Abkippen der Wirbelkörper. Das Ergebnis sind

  • Haltungsschwächen
  • Haltungsfehler
  • Fehlhaltungen und
  • Rückenschmerzen.

Mögliche Gründe für Haltungsfehler und -schäden

Die S-Form der Wirbelsäule ermöglicht das aufrechte Stehen und Gehen, allerdings nur dann, wenn auch die Rücken- und Bauchmuskulatur ausreichend stark sind. Insbesondere in den Phasen des forcierten Längenwachstums zwischen dem fünften und dem siebten sowie zwischen dem elften und dem 15. Lebensjahr kann es vorkommen, dass die Muskulatur mit der Entwicklung der Knochen nicht Schritt halten kann. Die in Relation zum Skelett zu schwache Muskulatur macht sich bemerkbar in Form:

  • eines Hohlkreuzes
  • eines Rundrückens
  • eines Flachrückens

Begünstigt wird die Entstehung von Haltungsschäden durch:

  • eine vorwiegend sitzende Lebensweise
  • Bewegungsmangel
  • einseitige oder zu große Belastungen (letztere beispielsweise auch in Form von Übergewicht)

Haltungsschäden erkennen

Ein ausgeprägtes Hohlkreuz mit nach vorn gewölbtem Bauch sowie ein Rundrücken mit stark herausstehenden Schulterblättern fallen in der Regel ins Auge. Da bei Haltungsschäden jedoch eine möglichst frühzeitige Diagnose entscheidend für den Behandlungserfolg ist, sollten auch unabhängig davon einige kleine Tests zur Früherkennung durchgeführt werden, ganz besonders dann, wenn ein Wachstumsschub zu verzeichnen ist.

Steht das Kind gerade mit hüftbreit gesetzten Füßen, sollten sich die Kniekehlen auf gleicher Höhe befinden, beide Arme denselben Abstand zum Körper haben und die Pofalte gerade verlaufen. Die Schulterblätter sollten nur wenig hervorstehen. Von der Seite betrachtet sollten sich die äußeren Fußknöchel, die Hüftknochen, die Schultergelenke und die Ohren auf einer gedachten geraden Linie befinden.

Zudem sollte ein Grundschulkind folgende Aufgaben meistern können:

  • mit nach vorn ausgestreckten Armen 30 Sekunden lang gerade stehen
  • mit geschlossenen Augen 60 Sekunden stehen, ohne ins Schwanken zu geraten
  • mit durchgestreckten Knien die Fingerspitzen zu den Zehen führen
  • ohne Festhalten eine Ferse bis zum Po bewegen

Gibt es bei diesen Tests Auffälligkeiten, sollte ein Orthopäde konsultiert werden. Nicht immer jedoch lassen sich mögliche Fehlhaltungen und Schäden gleich erkennen, da nicht unbedingt gleich Symptome üblich sind. Unbehandelt führen solche Störungen beispielsweise zu Rücken-, Nacken- sowie Kopfschmerzen.

Neben Rundrücken und nach vorn gebeugter Haltung ist auch ein kraftlos wirkender Gang, manchmal schlurfend, typisches Anzeichen für Probleme mit der Körperhaltung. Es ist wichtig, in diesem Fall zeitnah mit dem Kinderarzt darüber zu sprechen.

Haltungsschäden vorbeugen

Babys richtig tragen

Die natürliche Haltung des Babys, wie zu Beginn beschrieben, sollte auch beim Tragen unterstützt werden: Die Tragehilfe sollte den Rücken des Babys zwar stützen, aber dennoch eine Krümmung zulassen.

Ein Tragetuch, in dem das Baby mit gespreizten, angewinkelten Beinen sitzen kann, ist dafür in der Regel gut geeignet. Wird das Kind vor dem Bauch getragen, sollte sein Blick in Richtung der Mutter gewandt sein, da seine Wirbelsäule anderenfalls in eine ungesunde Hohlkreuz-Stellung gezwungen wird.

Bewegung

Der ganz allgemeine Tipp, um Fehlhaltungen bei Kindern vorzubeugen, lautet "Bewegung". Sobald das Kleinkind laufen kann, bewegt es sich ständig. Es erkundet seine Umwelt und bewegt sich solange, bis es buchstäblich nicht mehr laufen kann.

Doch schon in der Kita, im Kindergarten und spätestens in der Grundschule wird mehr und mehr gesessen. Das Sitzen aus verschiedenen Anlässen wird innerhalb weniger Jahre zu einem Dauersitzen über viele Stunden hinweg. Der Rücken ist permanent gekrümmt, die Schultern sind nach vorne gezogen.

Ob

- überall wird ausschließlich gesessen.

Der beste Schutz für die Wirbelsäule ist eine leistungsfähige Muskulatur. Kinder sollten also viele Gelegenheiten bekommen, ihrem natürlichen Bewegungsdrang nachzugeben oder gegebenenfalls zu Bewegung im Freien ermuntert werden.

Laufspiele sind besonders geeignet, da diese natürliche Bewegungsformen fördern. Auch Schwimmen ist sinnvoll, allerdings sollte dabei die Technik beherrscht werden.

Der grosse Teil des heutigen Lebens der Kinder spielt sich sitzend ab
Der grosse Teil des heutigen Lebens der Kinder spielt sich sitzend ab

Richtiges Sitzen

Wenn daran nichts oder nur wenig zu ändern ist, dann sollte zumindest richtig gesessen werden. Das ist schon mit einigen wenigen Kniffen erreichbar.

  • Der Arbeitsplatz am heimischen Schreibtisch wächst mit dem Kind und muss ergonomisch angepasst werden
  • Das gilt für alle Sitzmöbel im Kinderzimmer, ebenso wie im Wohnzimmer
  • Die Füße müssen immer und dauerhaft fest auf dem Fußboden stehen

Das Kind muss daran gewöhnt werden, längeres Sitzen durch regelmäßige Pausen zu unterbrechen.

Der Arbeitsplatz des Kindes sollte auch ergonomisch gestaltet sein
Der Arbeitsplatz des Kindes sollte auch ergonomisch gestaltet sein

Übungen bei bestehenden Schäden

Spezielle (kranken-)gymnastische Übungen zur Stärkung der Rücken- und Bauchmuskulatur hingegen werden erst bei bereits vorhandenen Haltungsschäden notwendig: gymnastische Übungen oder das Hocken auf dem Hüpfball als einen Gymnastikball lockern den Körper und machen den Kopf frei. Im Bereich der Prävention darf gern der Spaß im Vordergrund stehen, denn dieser stellt für Kinder den besten Anreiz zur Bewegung dar.

Rückenschule für Kinder

Als Rückenschule für Kinder können sowohl die ganz allgemeine Bewegung bei Spiel, Sport und Spaß bezeichnet werden, als auch gezielte Übungen in einer Gruppe Gleichalteriger. Als gesunde und geradezu ideale Sportarten bieten sich

an. Bei diesen Sportarten wird die Rückenmuskulatur durch die sportliche Anstrengung gleichzeitig gestärkt und entwickelt.

Laufen oder Ballspiele sind ein dazu passender Ausgleich. Jedes Kind ist schon im Kindergartenalter im örtlichen Sportverein gut aufgehoben.

Die Erzieher müssen darauf achten, dass die Übungsleiter vom LSB, dem Landessportbund, oder vom Fachverband ausgebildet sowie zertifiziert sind. Nur dann ist gewährleistet, dass in diesem Wachstumsalter Rücken, Muskulatur und Wirbelsäule richtig beansprucht, sprich trainiert werden.

Rückenfreundlicher Rucksack

Zur Vermeidung von Haltungsschwächen gehört unbedingt die rückenfreundliche Schultasche. Täglich wird sie über Jahre hinweg auf dem Rücken getragen. Sie muss nach der DIN 58124 genormt, und sie darf nicht breiter als die Schultern des kindlichen Trägers sein.

Der Schulranzen samt Inhalt sollte nicht mehr als zehn Prozent des kindlichen Körpergewichtes wiegen.

Die Schultasche sollte nicht breiter als die Schultern des Kindes sein
Die Schultasche sollte nicht breiter als die Schultern des Kindes sein
Theorie und Praxis

In der kindergerechten Rückenschule werden die Kleinen in Theorie und Praxis geschult. Altersgerecht werden der Rücken und die Bandscheiben erklärt.

Im Kindergarten ersetzen die Bauklötze einzelne Wirbel, mehrere von ihnen die Wirbelsäule. Dazwischen werden kleine Schaumstoffteile als Bandscheiben eingefügt.

Im praktischen Teil der Rückenschule lernen die Kinder zunächst ein rückenschonendes Bewegungsverhalten. Übungen, Rollenspiele sowie kleine Tests sorgen für ein kindergerechtes und spielerisches Lernen.

Im Kindergarten kann die Wirbelsäule aus Bauklötzen nachgebaut werden
Im Kindergarten kann die Wirbelsäule aus Bauklötzen nachgebaut werden
Haltungstest

Den folgenden Haltungstest sollten die Erzieher in regelmäßigen Abständen durchführen: das Kind muss bei gerader, also voll aufgerichteter Wirbelsäule die Arme nach vorne strecken. Ohne eine Hohlkreuzbildung und ohne die Arme zu bewegen, also zu heben oder zu senken, muss diese Haltung eine halbe Minute beibehalten werden. Gelingt das, dann ist die Rückenhaltung insgesamt in Ordnung.

Bauchmuskeltraining

Laut einer britischen Studie leiden ein Drittel aller Jungendlichen an Rückenschmerzen, die von einer schwachen Bauchmuskulatur hervorgerufen werden. In den letzten 20 Jahren ist die Anzahl der betroffenen Kinder stark gestiegen.

Deshalb rät die "Ärzte Zeitung", schon frühzeitig diesem Problem durch viel Sport und gezielte Übungen, zum Beispiel Crunches oder Rumpfbeugen, vorzubeugen. Weiterhin stellte man fest, dass viele Kinder durch zu wenig Sport sehr unbeweglich in der Hüfte sind.