Die Gelenkerkrankung Morbus Bechterew - Ursachen, Symptome und Therapie

Bei Morbus Bechterew handelt es sich um eine chronische, entzündlich-rheumatische Gelenkerkrankung. Davon betroffen ist vor allem die Wirbelsäule.

Von Jens Hirseland
Klassifikation nach ICD-10: M45 M46 M54
ICD-10 ist ein weltweit verwendetes Klassifikationssystem für medizinische Diagnosen. Der sogenannte ICD-Code ist zum Beispiel auf einem ärztlichen Attest zu finden.

In der Medizin bezeichnet man Morbus Bechterew auch als Spondylitis ankylosans. Gemeint ist damit eine versteifende Wirbelsäulenerkrankung. Aber auch das Becken kann betroffen sein.

Benannt wurde die Krankheit nach dem russischen Mediziner Wladimir Michailowitsch Bechterew (1857-1927), der sie eingehend beschrieb. Morbus Bechterew zählt zu den Spondylarthropathien (Erkrankungen des Achsenskeletts).

Vorkommen und Merkmale

Morbus Bechterew tritt an der Wirbelsäule und deren Beckenverbindung auf. Des Weiteren können auch andere Skelettteile oder Gelenke wie die Sehnenansätze oder das Kniegelenk in Mitleidenschaft gezogen werden.

Ein typisches Merkmal von Morbus Bechterew ist die Zerstörung von Knochengewebe, die durch Umbauprozesse hervorgerufen wird. Zur gleichen Zeit bilden sich Knochenanhängsel, die sich negativ auf die Beweglichkeit auswirken. Darüber hinaus entstehen im Rücken- und Beckenbereich entzündliche Prozesse.

Im weiteren Verlauf der Krankheit verknöchern sich die zahlreichen kleinen Wirbelsäulengelenke sowie ihre Bänder immer mehr, was sich durch Schmerzen und Bewegungseinschränkungen bemerkbar macht.

Verbreitung

In Deutschland leiden nach Angaben der Deutschen Vereinigung Morbus Bechterew ca. 100.000 bis 150.000 Bundesbürger unter Spondylitis ankylosans. Entgegen früheren Einschätzungen zeigt sich die Krankheit bei Männern und Frauen in gleichem Maße.

Da Morbus Bechterew bei Frauen jedoch deutlich milder verläuft, wird bei ihnen diese Erkrankung seltener festgestellt. Die ersten Beschwerden treten oft schon im Alter zwischen 20 und 40 Jahren auf.

Ursachen

Die genauen Ursachen für die Entstehung von Morbus Bechterew konnten bislang nicht eindeutig geklärt werden. Es gilt aber als gesichert, dass eine genetische Veranlagung besteht und eine Fehlfunktion des Immunsystems vorliegt.

So kommt es zu einer pathologischen Immunreaktion des Körpers, die eine chronische Entzündung der Wirbelsäule hervorruft. Neben den Erbanlagen werden Umwelteinflüsse bzw. ein Wechselspiel zwischen beiden Faktoren für das Entstehen der Wirbelsäulenerkrankung verantwortlich gemacht.

HLA-B27

Bei 95 Prozent aller Morbus-Bechterew-Patienten liegt ein spezielles Protein vor, das man als HLA-B27 bezeichnet. Dabei handelt es sich um ein Erbmerkmal, das auch bei rund 8 Prozent aller gesunden Menschen zu finden ist.

Kommt dieses Protein jedoch gehäuft bei Menschen vor, die unter Morbus Bechterew leiden, gilt dies als Hinweis auf eine Vererbung der Krankheit. So wird durch HLA-B27 die Entstehung von Spondylitis ankylosans begünstigt.

HLA-B27 spielt eine wichtige Rolle innerhalb des Immunsystems und verfügt über die Eigenschaft, Bakterien, die Harnwegsinfekte oder Durchfallerkrankungen verursachen, einzuschließen, damit sie von den Abwehrzellen erkannt werden können.

Allerdings sind die Abwehrzellen nicht in der Lage, die eingeschlossen Krankheitserreger vollständig zu vernichten, was eine chronische Entzündung zur Folge hat. Mediziner vermuten, dass auf diese Weise Morbus Bechterew ausgelöst wird.

Symptome

Art und Ausmaß der Beschwerden, die bei Morbus Bechterew auftreten, hängen vom Krankheitsstadium ab. Darüber hinaus können die Symptome individuell unterschiedlich sein.

Als Hauptsymptom gelten Rückenschmerzen im Lendenwirbelsäulenbereich. Die Schmerzen beginnen langsam und halten mehr als drei Monate an. Durch Bewegung lassen sich die Beschwerden bessern.

Darüber hinaus leiden die Betroffenen in den Morgenstunden unter einer Versteifung der Wirbelsäule. In vielen Fällen treten die Schmerzen vor allem nachts auf und strahlen bis in die Oberschenkel und das Gesäß aus.

Zu Beginn der Erkrankung machen sich die Schmerzen vorwiegend im Kreuz bemerkbar, was auf eine Entzündung der Iliosakralgelenke zurückzuführen ist. Im weiteren Verlauf breiten sie sich dann auf weitere Bereiche der Wirbelsäule aus.

Erste Anzeichen

Als typische frühe Anzeichen von Morbus Bechterew gelten

Anzeichen im weiteren Verlauf

Im weiteren Verlauf zeigt sich die Wirbelsäulenerkrankung schubweise. Außerdem kommt es im Laufe der Zeit zu Veränderungen der Körperhaltung. So verkrümmt sich die Brustwirbelsäule immer mehr, während die Lendenwirbelsäule abflacht. Des Weiteren beugen sich das Hüftgelenk und die Kniegelenke.

Gleichzeitig streckt sich der Hals. Nicht selten entsteht bei den Patienten ein Buckel.

Während bei einigen Patienten die Symptome auf die Wirbelsäule beschränkt bleiben, haben sie bei anderen dagegen auch Auswirkungen auf weitere Gelenke und Organe. So leiden ca. 40 Prozent aller Betroffenen unter Arthritis in der Hüfte oder den Gliedmaßen.

Mögliche Begleiterscheinungen

Diagnose

Um Morbus Bechterew eindeutig diagnostizieren zu können, muss der Arzt eine Entzündung der Iliosakralgelenke nachweisen. Zu diesem Zweck wird das Kreuzbein mit der Hand festgehalten und gleichzeitig das Becken durch Überstreckung bewegt, was man als Menell-Test bezeichnet. Kommt es dabei zu Schmerzen, gilt dies als Anzeichen von Morbus Bechterew.

Darüber hinaus können auch bildgebende Verfahren wie eine Röntgenuntersuchung oder eine Kernspintomographie (MRT) Aufschluss über die entzündlich-rheumatische Erkrankung geben.

  • So lassen sich mithilfe der Magnetresonanztomographie Entzündungen der Iliosakralgelenke nachweisen, da sie auch Veränderungen der Weichteile sichtbar macht.
  • Auf einer Röntgenaufnahme sind hingegen nur knöcherne Gelenkveränderungen zu erkennen, die jedoch erst nach einigen Jahren auftreten.

Als weiteres Diagnoseverfahren kommt eine Laboruntersuchung infrage, bei der das Erbmerkmal HLA-B27, das bei fast allen Morbus-Bechterew-Patienten vorkommt, nachgewiesen wird.

Behandlung

Die Behandlung von Morbus Bechterew setzt sich aus einer medikamentösen Therapie und einer Physiotherapie zusammen. Ziele der Behandlung sind die Bekämpfung der Schmerzen sowie die Erhaltung der Beweglichkeit der Wirbelsäule.

Im Rahmen der medikamentösen Therapie erhält der Patient nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR) wie Diclofenac, Ibuprofen oder Indometacin sowie entzündungshemmende Mittel wie Kortison. Letztere werden vor allem bei akuten Schüben in die schmerzende Körperregion gespritzt.

Sind auch die Gliedmaßen von Beschwerden betroffen, wird mitunter Sulfasalazin eingesetzt. Dieser Wirkstoff greift in den Stoffwechsel von Entzündungsbotenstoffen ein.

In schweren Fällen besteht zudem die Möglichkeit, TNF-Alpha-Blocker wie Golimumab zu verabreichen. Diese wirken sich hemmend auf den Botenstoff TNF (Tumor-Nekrose-Faktor alpha) aus.

Eine wichtige Rolle bei der Behandlung von Morbus Bechterew spielt körperliche Bewegung. So muss der Patient regelmäßig krankengymnastische Übungen absolvieren. Auch sportliche Aktivitäten können die Krankheit positiv beeinflussen.

Operative Eingriffe werden bei Morbus Bechterew nur sehr selten vorgenommen. Dies kann zum Beispiel der Fall sein, wenn sich die Erkrankung so stark auf das Hüftgelenk auswirkt, dass man es durch ein künstliches Gelenk ersetzen muss.

Prognose

Heilen lässt sich Morbus Bechterew nicht. So dienen die Behandlungsmethoden lediglich dazu, die Schmerzen zu lindern und das Voranschreiten der Krankheit aufzuhalten. In den meisten Fällen lässt sich Morbus Bechterew jedoch über einen langen Zeitraum in Schach halten, sodass die Betroffenen trotz ihrer Einschränkungen auch weiter ihren beruflichen Tätigkeiten nachgehen können.

Grundsätzlich ist der Verlauf von Morbus Bechterew individuell sehr unterschiedlich. Bei manchen Betroffenen verläuft die Krankheit so mild, dass sie gar nicht erst entdeckt wird. In schweren Fällen kommt es hingegen zu dauerhaften Gelenkschäden und Bewegungseinschränkungen.

Menschen, die unter Morbus Bechterew leiden, eignen sich nur bedingt als Blutspender. So dürfen sie während eines akuten Schubs oder einer medikamentösen Therapie mit Kortison bzw. NSAR kein Blut spenden.

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