Situationen einer unterlassenen Hilfeleistung und die straflichen Konsequenzen

Leistet jemand nach einem Unfall oder Unglücksfall keine Hilfe, spricht der Gesetzgeber von unterlassener Hilfeleistung. Diese kann strafrechtliche Konsequenzen haben. Es handelt sich um ein Unterlassungsdelikt. Beim Tatbestand der unterlassenen Hilfeleistung muss zwischen verschiedenen Notlagen unterschieden werden. Lesen Sie alles Wissenswerte zum Thema unterlassende Hilfeleistung.

Von Jens Hirseland

In Deutschland gilt eine allgemeine Hilfeleistungspflicht. Das heißt, dass jeder Mensch rechtlich dazu verpflichtet ist, im Notfall Hilfe zu leisten, falls die Situation dies erfordert und die Hilfeleistung zumutbar ist. Tut man dies nicht, handelt es sich um unterlassene Hilfeleistung, die straf- und zivilrechtlich belangt werden kann.

Die unterlassene Hilfeleistung zählt zu den Unterlassungsdelikten. Es handelt sich somit um eine Straftat, bei der jemand bestraft wird, wiel er etwas nicht gemacht hat.

Dabei hätte derjenige, der untätig geblieben ist, durchaus die Möglichkeit gehabt, zu handeln. Neben der unterlassenen Hilfeleistung zählen auch das Nichtanzeigen von geplanten Straftaten sowie der Hausfriedensbruch zu den Unterlassungsdelikten.

Unterlassene Hilfeleistung

Von unterlassener Hilfeleistung ist die Rede, wenn jemand nach einem Unfall oder Unglücksfall verletzten oder schwer erkrankten Personen keine Hilfe leistet, obwohl er die Möglichkeit dazu hat und die Situation dies erfordert. Geregelt wird die Unterlassene Hilfeleistung in Deutschland durch Paragraph 323c (STGB).

Als Voraussetzung zur Hilfeleistung gilt das Eintreten eines Unglücks oder einer Not- bzw. Gefahrensituation. Unter einem Unglücksfall versteht der Gesetzgeber ein plötzliches Ereignis, in dem erhebliche Gefahr für ein Individualrechtsgut besteht. Dabei kann es sich beispielsweise um eine gefährliche Körperverletzung handeln. Allerdings muss die Hilfeleistung für den Helfer auch zumutbar sein.

Bei einer unterlassenen Hilfeleistung wird von einem bedingten Vorsatz des Täters ausgegangen. Dabei bezieht sich der Vorsatz auf die Gefahrensituation sowie das Wissen, Hilfe leisten zu müssen.

Unterteilt werden die rechtlichen Aspekte der unterlassenen Hilfeleistung in eine strafrechtliche Seite sowie eine zivilrechtliche Seite. Während es beim Strafrecht um die Frage geht, ob das Tun des Angeklagten strafbar ist, befasst sich das Zivilrecht mit möglichen Schadensersatzfragen.

Situationen einer unterlassenen Hilfeleistung

Kommt es zu einer Notlage, ist jeder Mensch verpflichtet, umgehend Hilfe zu leisten. Dazu gehört bereits das Alarmieren eines Rettungsdienstes, der Feuerwehr oder der Polizei. Unter Umständen müssen auch lebensrettende Sofortmaßnahmen ergriffen werden, um die Zeit bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes zu überbrücken.

Keine Angst vor Folgeschäden

Viele Menschen schrecken jedoch vor einer raschen Hilfeleistung zurück, weil sie Angst haben, etwas falsch zu machen. So befürchten sie, rechtlich belangt zu werden, wenn sie durch ihre Hilfsmaßnahmen die Lage des Opfers versehentlich noch verschlimmern.

Diese Ängste sind jedoch meist unbegründet. Auch wenn die Hilfe nicht optimal verläuft, wird der Helfer weder strafrechtlich noch zivilrechtlich belangt, sofern keine grobe Fahrlässigkeit vorliegt.

Auch für eventuelle Kollateralschäden wie Rippenbrüche bei einer Wiederbelebung oder die Beschädigung von Kleidungsstücken wird der Helfer nicht bestraft. Kommt er aufgrund der Hilfeleistung selbst zu Schaden, gibt es Möglichkeiten zum Schadensausgleich.

Fahrender Rettungswagen auf Straße, verschwommene Menschen und Umgebung
Fahrender Rettungswagen auf Straße, verschwommene Menschen und Umgebung

Tatbestand

Beim Tatbestand der unterlassenen Hilfeleistung wird zwischen verschiedenen Notlagen unterschieden. Dabei handelt es sich um

  • einen Unglücksfall
  • gemeine Not und
  • gemeine Gefahr.

Zu den Unglückfällen zählen vor allem Verkehrsunfälle oder sonstige Unfälle. Ebenso können

  • ein plötzlich auftretender Herzinfarkt
  • ein epileptischer Anfall oder
  • drohende Komplikationen bei einer Geburt

einen Unglücksfall darstellen.

Für den Gesetzgeber spielt es keine Rolle, ob der Unglücksfall vom Opfer selbst verschuldet wurde, wie zum Beispiel bei einem Suizidversuch. Als typische Situation, bei der Hilfe zu leisten ist, gilt das regungslose Verharren eines Autofahrers, dessen Wagen an einem Graben steht. So muss selbst dann ein Hilfsversuch unternommen werden, wenn sich herausstellt, dass gar keine Hilfe erforderlich ist, weil der Betroffene lediglich geschlafen hat.

Unter gemeiner Gefahr versteht man eine konkrete Gefahrensituation für Leib und Leben mehrerer Menschen oder von beträchtlichen Sachwerten. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Gefahr unvermittelt eintritt.

Um eine gemeine Gefahr kann es sich beispielsweise bei Hindernissen auf Straßen oder giftige Gase nach einem Chemieunfall handeln. Als gemeine Not gelten Notsituationen, die die Allgemeinheit betreffen, wie Überschwemmungsgefahr oder ein plötzlicher Stromausfall.

Sanktionen bei unterlassener Hilfeleistung

Eine unterlassene Hilfeleistung kann strafrechtlich mit einer Geldbuße oder einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr geahndet werden. Beim der Festlegung des Strafmaßes spielen verschiedene Kriterien eine Rolle, wie zum Beispiel das Ausmaß der Notlage oder das Verhalten nach der Tat.

Eine Bestrafung wegen unterlassener Hilfeleistung erfolgt jedoch nur dann, wenn dem Nichthelfer die Hilfe auch zuzumuten ist. Grundsätzlich besteht bei jeder Person die Verpflichtung, so gut wie es ihr möglich ist, zu helfen.

Die Zumutbarkeit hängt von verschiedenen Kriterien wie

  • der Persönlichkeit des Helfers
  • seiner Vorbildung
  • seiner Lebenserfahrung sowie
  • seinen geistigen und körperlichen Kräften

ab. Als zumutbar gelten geringe eigene Verletzungsgefahren sowie geschäftliche Nachteile. Unzumutbar ist hingegen die Inkaufnahme von eigenen schweren Verletzungen oder die Vernachlässigung von wichtigen Pflichten, sofern durch das Verlassen des Platzes oder Arbeitsplatzes Gefahrensituationen entstehen.

Ist zum Beispiel jemand Nichtschwimmer, ist es ihm kaum zuzumuten, einen Ertrinkenden aus einem tiefen Gewässer zu retten, da er sich dabei selbst in Gefahr bringen würde. Als grundsätzlich zumutbar gilt jedoch das Verständigen von anderen Helfern.

Eine unterlassene Hilfeleistung kann auch dann geahndet werden, wenn der drohende Schaden nicht eintritt, weil das Opfer von einem anderen Helfer zufällig aus seiner Notlage gerettet wurde. Eine Bestrafung bei unterlassener Hilfeleistung erfolgt jedoch nur dann, wenn der Täter um das Vorliegen einer Notlage weiß und imstande ist, Hilfe zu leisten, dies aber aus persönlichen Gründen nicht tut.