Wundheilung - Formen, Ablauf und mögliche Komplikationen

Als Wundheilung werden der körpereigene Verschluss einer Wunde und die Wiederherstellung von beschädigtem Gewebe bezeichnet. Dieser natürliche Vorgang kann mit einer Behandlung unterstützt werden.

Von Jens Hirseland

Unvollständige oder vollständige Wundregeneration

Nach einer Verletzung, durch die eine Wunde entsteht, ist der menschliche Organismus fähig, zerstörtes Gewebe weitgehend wiederherzustellen, damit eine offene Wunde wieder verschlossen werden kann. Schon wenige Minuten nach dem Entstehen einer Wunde beginnt ein natürlicher biologischer Prozess zur Wundheilung. Im Verlauf dieser Wundheilung kommt es zur Bildung von Schorf und Narben.

Je nachdem, wie weit der ursprüngliche Zustand wiederhergestellt werden konnte, unterscheidet man zwischen:

  1. einer unvollständigen Wundregeneration
  2. einer vollständigen Wundregeneration

Wundarten

Wunden werden durch die Trennung von Gewebeteilen verursacht. Dies kann zum Beispiel passieren, wenn man sich schneidet oder sticht. Dabei wird zwischen verschiedenen Wundarten unterschieden. So gibt es:

  1. mechanische Wunden
  2. traumatische Amputationen
  3. thermische Wunden
  4. chemische Wunden
  5. strahlungsbedingte Wunden
  6. chronische Wunden

Unter mechanischen Wunden versteht man beispielsweise:

Zu den mechanischen Wunden zählen auch geschlossene Wunden wie Prellungen und Quetschungen, bei denen es zu Blutergüssen (Hämatomen) kommt.

Beispiele für thermische Wunden sind:

Chemische Wunden werden hingegen durch Laugen und Säuren hervorgerufen und strahlungsbedingte Wunden entstehen durch nukleare Strahlung oder Röntgenstrahlung.

Eine Wunde, die nach mehr als vier Wochen noch nicht verheilt ist, wird als chronische Wunde bezeichnet.

Formen der Wundheilung

Bei den Formen der Wundheilung unterscheidet man zwischen:

  1. primärer Wundheilung
  2. sekundärer Wundheilung
  3. epithelialer Wundheilung

Primäre Wundheilung

Primäre Wundheilungen setzen bei Operationswunden oder Schnittverletzungen ein. In der Medizin wird die primäre Wundheilung auch als Wundheilung p.p. bezeichnet, was einen störungsfreien und unkomplizierten Heilungsverlauf der Wunde bedeutet. Einige Tage später ist nur noch eine feine Narbe zu sehen.

Sekundäre Wundheilung

Zu einer sekundären Wundheilung kommt es, wenn die Wundränder auseinanderklaffen. Der entstandene Defekt im Gewebe wird dann zunächst mit Granulationsgewebe gefüllt. Danach kommt es zur Entstehung von neuer Haut über der Wunde.

Sekundäre Wundheilungen nehmen mehr Zeit in Anspruch als primäre Wundheilungen. Die zurückbleibende Narbe ist nicht glatt und fein, sondern recht auffällig. In manchen Fällen kann es dadurch auch zu Einschränkungen des verletzten Körperteils kommen.

Epitheliale Wundheilung

Bei einer epithelialen Wundheilung heilt die Wunde nach ein paar Tagen ab, ohne dass eine Narbe zurückbleibt, da die Haut nur oberflächlich in Mitleidenschaft gezogen wurde.

Ablauf der Wundheilung

Ob Wunden von alleine heilen können oder ob eine ärztliche Behandlung erforderlich ist, hängt von Ausmaß der erlittenen Wunde ab; auch die betroffene Körperstelle spielt eine Rolle. Kleine Schürfwunden können an der Luft heilen oder mit einem Pflaster und Wundsalbe versorgt werden. Eine tiefe Wunde jedoch, die zudem stark blutet, muss ärztlich behandelt werden. So kann es notwendig sein, dass die Wunde genäht oder geklammert wird.

Bei der Durchtrennung von Blutgefäßen kann auch eine Operation erforderlich sein. Fäden oder Klammern müssen nach ca. einer Woche wieder entfernt werden.

Wichtig für die Wundheilung ist es auch, mögliche Infektionen mit Keimen zu verhindern; Infektionen mit Keimen oder bestimmte Erkrankungen wie zum Beispiel Diabetes mellitus können jedoch zu Wundheilungsstörungen führen.

In den meisten Fällen verläuft die Wundheilung jedoch positiv. Eine Wundheilung verläuft in vier Phasen.

Phase 1: Exsudative Phase (Provisorisches Verschließen der Wunde)

In der ersten Phase der Wundheilung, die ca. fünf Tage andauert, kommt es zu einem provisorischen Verschließen der Wunde. Dabei wird die Blutung durch Blutgerinnung gestoppt und es kommt zu einem Auffüllen der Gewebelücke mit Wundsekret. Leukozyten (weiße Blutkörperchen) und Thrombozyten (Blutplättchen) wandern dabei in den Wundspalt ein.

Die Blutplättchen werden zu einem Thrombus, einem Pfropf, verklumpt, der durch den Eiweißstoff Fibrin verfestigt wird. Außerdem werden durch die Plättchen Wachstumsfaktoren gebildet, die für die Neubildung von Gewebe wichtig sind. Auch neutrophile Granulozyten, die Bakterien oder Fremdkörper beseitigen, werden aktiviert.

Oberflächliche Schürfwunden werden durch Austrocknung allmählich verschorft. Dieser Schorf wirkt wie ein körpereigenes Pflaster und dient zur Abdeckung der Wunde. Nach der Bildung von neuem Gewebe, fällt der Schorf wieder ab.

Phase 2: Resorptive Phase (Heilphase)

Schon ein bis zwei Tage nach der Verletzung, kommt es zur Einwanderung von Leukozyten und Fresszellen in die Wunde. Geschädigte oder abgestorbene Zellen werden von den Fresszellen in sich aufgenommen und zersetzt.

Durch diesen Vorgang kommt es zum Abbau und zur Auflösung von Fibringerinnseln sowie von abgestorbenen Wundrändern. Auf diese Weise werden auch eingedrungene Keime beseitigt.

Phase 3: Proliferative Phase (Ersetzen von zerstörtem Gewebe)

Die dritte Wundheilungsphase findet zwischen dem dritten und dem siebten Tag nach dem Entstehen einer Wunde statt. Dabei werden in der Region der Wunde neue Blutgefäße, Zellen und Bindegewebe gebildet. So können kleinere Schnittwunden primär heilen, indem die Wundränder einfach zusammenwachsen.

Heilen die Wunden sekundär, können die neuen Strukturen ziemlich durcheinander wachsen, sodass es zur Bildung von körnigem Granulationsgewebe kommt.

Phase 4: Reparative oder Regenerative Phase (Bildung von neuer Haut)

In der letzten Phase der Wundheilung wird eine neue Hautoberfläche vom Körper gebildet. Vom Wundrand aus kommt es zum Wachstum von neuen Zellen und zum allmählichen Verschluss der Wunde, die sich zusammenzieht. Schließlich wird die Wunde reißfest und es bildet sich eine Narbe.

Was man beachten sollte

Neben der Keimfreiheit der Wunde können auch

  • das Ruhigstellen der betroffenen Körperstelle
  • gute Durchblutung sowie
  • eine gesunde Ernährung

zu einer positiven Wundheilung beitragen.

Um die Wundheilung zu beschleunigen, gibt es mitunter ein Mittelchen, welches man stets bei sich trägt...

Mundspeichel beschleunigt die Wundheilung

Tiere lecken ständig an ihren Wunden und auch viele Menschen stecken bei Abschürfungen oder Schnittverletzungen automatisch den Finger in den Mund. Diese instinktive Reaktion ist durchaus sinnvoll, denn Speichel hat eine desinfizierende Wirkung.

Sich die Wunden lecken ist eine Redensart, die so viel bedeutet wie sich selbst Trost spenden, um sich zu von einem Misserfolg zu erholen. Das Wundenlecken hat also eine positive Bewandtnis.

Doch wie sieht es im Hinblick auf die Gesundheit aus? Kann Spucke tatsächlich Wunden heilen? Oder überwiegt das Infektionsrisiko? Schließlich enthält Mundspeichel eine Vielzahl von Bakterien, von denen einige Arten Entzündungen auslösen können.

Warum lässt Spucke Wunden besser heilen?

Niederländische Wissenschaftler wollten es genau wissen und haben Mundspeichel genau untersucht. Die Forscher züchteten die Zellen der Wangenschleimhaut nach und kratzten Teile dieser Speichel-Zellen an, um künstliche Wunden zu erzeugen. Im Anschluss trugen sie auf die eine Wunde eine isotonische Substanz, auf die andere Speichel auf.

Das Ergebnis nach 16 Stunden: Die mit menschlichem Speichel behandelte Wunde hatte sich fast vollständig geschlossen, während die mit isotonischer Flüssigkeit bestrichene noch deutlich sichtbar war.

Nachdem das Forscherteam den Mundspeichel mittels Flüssigchromatographie in seine Bestandteile aufspaltete, stellten sie fest, dass die wundheilende Wirkung insbesondere durch Histatin erzeugt wird, ein Protein, das zudem keimabtötende Eigenschaften besitzt.

Bei dem Speicheltest identifizierten die Wissenschaftler noch weitere heilende und desinfizierende Wirkstoffe, etwa das Enzym Lysozym, das auch in Tränenflüssigkeit vorkommt und Bakterien abtötet, indem es die Zellwände verschiedener Mikroorganismen abbaut. Das ist auch die Erklärung, warum Wunden im Mund besonders schnell abheilen.

Speichel zur Wundversorgung ist nicht immer empfehlenswert

Mundspeichel wirkt nicht nur antibakteriell, sondern aufgrund des enthaltenen Opiorphin auch schmerzlindernd. Dass menschlicher Speichel zur Reinigung und Desinfektion von Wunden sinnvoll ist, wird dennoch kontrovers diskutiert.

In der Mundflora tummeln sich zahlreiche Bakterien durch Speisen und Speisereste. Diese Mikroorganismen sind zwar harmlos, können für Menschen mit geschwächter Immunabwehr jedoch gefährlich werden, etwa für Diabetiker.

Gesunde müssen bei der behelfsmäßigen Wundversorgung mit Speichel keine Nachteile befürchten, allerdings gilt das nicht für Fremdspeichel. Deshalb sollten Eltern die Wunden von Babys und Kleinkindern nicht mit Speichel benetzen, denn es besteht das Risiko, dass Erreger wie Herpesviren in die Blutbahn gelangen.