Berührzwang - Der Zwang, etwas anfassen zu müssen bzw. nicht anfassen zu dürfen

Eine Form von Zwangsstörung ist der Berührzwang. Dabei verspüren die Betroffenen den Drang bestimmte Dinge zu berühren oder aber deren Berührung zu vermeiden.

Von Jens Hirseland

Der Berührzwang oder Berührungszwang wird zu den Zwangsstörungen gezählt. Zwangsstörungen sind psychische Störungen, die dazu führen, dass die Betroffenen immer wieder bestimmte Handlungen ausführen. Zu den verschiedenen Arten von Zwangsstörungen gehören unter anderem

Unter Zwangsstörungen versteht man Handlungen, die von den Betroffenen immer wieder ausgeübt werden müssen. So führen die betroffenen Personen diese Tätigkeiten selbst dann aus, wenn sie wissen, dass sie übertrieben oder sinnlos sind. Während bei einem Reinlichkeitszwang zum Beispiel immer wieder die Hände gewaschen werden, müssen bei einem Zählzwang alle möglichen Dinge gezählt werden.

Krankheitsbild

Bei einem Berührzwang unterliegen die Betroffenen dagegen dem Zwang, alle möglichen Dinge zu berühren. In manchen Fällen wird die Berührung von bestimmten Dingen jedoch konsequent vermieden.

Ein Berührzwang kann mitunter sogar strengen Ritualen unterliegen. So werden zum Beispiel Gegenstände in einer gewissen Reihenfolge oder nach einer bestimmten Regel berührt, um dadurch das Eintreten von schlimmen oder beängstigenden Ereignissen zu verhindern.

Das Berühren der Gegenstände ist dabei wie ein magisches Ritual, das negativen Erlebnissen entgegenwirken soll. Dabei spielen oft bestimmte Ängste eine Rolle, negative Erlebnisse oder Ereignisse, nach denen man oft unbewusst irgendetwas angefasst hat und es in genau diesem Moment die Hoffnung kam, dass es einem von nun an besser geht, weil das Gefühl der Sicherheit plötzlich da ist.

Dieses Gefühl übertragen Betroffene dann auch auf alle anderen Situationen, aus denen sie keinen Ausweg sehen. Unbewusst kommt in ihnen das Bedürfnis auf, etwas - oder auch etwas ganz Bestimmtes - anzufassen, damit sie sich wieder besser und sicherer fühlen.

Ebenso verbreitet ist das Nichtberühren von Gegenständen. So glauben die Betroffenen, dass es zu Unheil kommt, wenn sie bestimmte Dinge oder Personen anfassen.

In Deutschland leiden ungefähr zwei Prozent der Bevölkerung unter Zwangsstörungen wie dem Berührzwang. Da es sich dabei zumeist um milde Formen handelt, werden jedoch nur die wenigsten Betroffenen auffällig.

Meist sieht das Umfeld die Zwangshandlungen als Marotte an. Bei starken Ausprägungen versuchen die Patienten die psychische Störung oft selbst zu verbergen, um nicht als verrückt eingestuft zu werden. In vielen Fällen leiden die Betroffenen stark unter ihren Zwangshandlungen, die sie nicht als Teil ihrer Persönlichkeit empfinden.

Diagnose

Da Zwangsstörungen sich auf die unterschiedlichste Weise äußern, ist es nicht immer ganz einfach, sie zu diagnostizieren. Mediziner verwenden daher besondere Fragebögen, die auf das Erkennen von Zwangsstörungen spezialisiert sind. Darüber hinaus wird abgeklärt, wie sich eine Zwangsstörung auf das Umfeld des Patienten auswirkt und ob möglicherweise weitere psychische Erkrankungen wie Angststörungen oder Depressionen vorliegen.

Behandlung

In früheren Zeiten wurden Zwangsstörungen wie der Berührzwang noch als unbehandelbar angesehen. Heutzutage ist eine erfolgreiche Therapie jedoch möglich.

Selbst wenn die Störung nicht vollständig geheilt werden kann, lässt sich dennoch der Leidensdruck des Patienten deutlich senken. Gut bewährt hat sich eine Kombination aus medikamentöser Therapie und Verhaltenstherapie.

Im Rahmen einer Verhaltenstherapie wird der Patient gezielt mit Situationen konfrontiert, in denen er seinen Zwang nicht ausleben kann. Oftmals ist das Widersetzen gegen den Zwang sehr anstrengend für die betroffene Person.

Mit der Zeit nehmen die Angstgefühle und die Zwangshandlungen jedoch ab. Um die Therapie zu ergänzen, verabreicht man den Patienten Medikamente wie Antidepressiva.

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