Rechenschwäche - Ursachen, Symptome und Behandlung

Eine Rechenschwäche äußert sich auf verschiedene Art und Weise. Die Diagnostik ist oftmals umfangreich. Verschiedene Ursachen können zu einer Rechenschwäche führen. Wenn die Rechenschwäche frühzeitig diagnostiziert und behandelt wird, können gute Ergebnisse in der Behandlung erzielt werden.

Von Claudia Haut

Krankheitsbild

Bei der Rechenschwäche (Dyskalkulie) handelt es sich um eine Beeinträchtigung des mathematischen Denkens. Sie ist keine Krankheit, und die Rechenschwäche sagt auch nichts über die allgemeine Intelligenz eines Kindes aus.

Forscher schätzen, dass etwa sechs Prozent der Schüler in Deutschland an Dyskalkulie leiden - oftmals ohne geeignete Förderung. Wer schon an den Grundrechenarten scheitert, schafft aber selten die Hürde auf eine weiterführende Schule.

In der ersten Klasse, wenn der Zahlenraum bis zehn auf dem Lehrplan steht, können Kinder die Rechenaufgaben noch an den Fingern abzählen. Bei größeren Zahlen ist diese Strategie zum Scheitern verurteilt.

Spätestens in der zweiten Klasse bekommen Dyskalkuliker deshalb Probleme - manchmal fällt dem Lehrer erst jetzt auf, dass sein Schüler bisher nie gerechnet sondern nur abgezählt hat. Bevor er sich größere Zahlenräume und Rechenverfahren erschließen kann, muss der Schüler die Bedeutung von Zahlen begreifen.

Ursachen

Eine Rechenschwäche hat nichts mit mangelnder Intelligenz oder einem Fehlverhalten der Eltern zu tun. Wissenschaftler vermuten viele abstrakte Ursachen der Rechenschwäche.

Bei jedem Kind können jedoch andere Ursachen der Krankheit zugrunde liegen. Manchmal spielen auch genetische Aspekte eine Rolle. Grob lassen sich die möglichen Ursachen in drei Bedingungsfelder einteilen:

  • Neuropsychologische Ursachen
  • Soziokulturelle und familiäre Bedingungen sowie
  • Schulische und sonstige Ursachen

Neuropsychologische Ursachen

Eine mögliche Ursache der Rechenschwäche kann darin liegen, dass das Kind in seiner rechnerischen Entwicklung eine Phase nicht vollständig abgeschlossen hat und so in den darauf folgenden Phasen nicht darauf aufbauen kann. Wissenschaftler gehen dabei von verschiedenen Entwicklungsphasen aus, in der die Kinder nach und nach die Bedeutung der Zahlen lernen, die Bedeutung der Rechenarten usw.

Auch

  • Koordinationsstörungen in der Feinmotorik
  • sprachliche Kodierungsschwierigkeiten und
  • Schwierigkeiten beim Speichern von Informationen im Kurz- und Langzeitgedächtnis

zählen zu diesem Feld.

Soziokulturelle und familiäre Bedingungen

In einigen Fällen ist die Rechenschwäche die Folge einer Konzentrationsstörung der Kinder, die mit Angst und Blockaden verbunden ist.

  • Psychische Belastungen in der Familie
  • Schulangst oder
  • sprachliche Barrieren

können ebenfalls mögliche Ursachen sein.

Schulische und sonstige Ursachen

Zudem gibt es einige Faktoren, die eine Rechenschwäche begünstigen können. Dazu zählen zum Beispiel

  • ein häufiger Lehrerwechsel
  • zu große Klassen
  • das Vorschreiben bestimmter Denkwege
  • Vorkenntnislücken oder
  • Begabungsdefizite.

Verlauf

Wichtig ist es, eine Rechenschwäche möglichst früh festzustellen. Das Kind wird zwar meist trotz Therapie kein Mathematikgenie werden, jedoch ermöglicht eine konsequente Therapie, dass sich das Mathematikwissen auf das benötigte Schulniveau einpendelt.

Dazu sind jedoch regelmäßige Behandlungen bei entsprechenden Therapeuten notwendig. Ausschlaggebend ist auch Motivation des Kindes sowie dessen Intelligenz. Wird die Rechenschwäche nicht behandelt, bleiben die Betroffenen auch im Erwachsenenalter in Mathematik auf dem Kenntnisstand eines Grundschülers.

Symptome

Meist fallen Rechenprobleme schon im Kindergarten auf, etwa wenn das Kind bei Spielen scheitert, weil es kein Verständnis für Zahlen hat.

Oder weil es Mengen nicht unterscheiden kann. Viele Kinder haben auch Schwierigkeiten, räumliche Beziehungen korrekt zu erfassen.

Falls Eltern den Eindruck haben, dass ihr Kind sich mit dem Rechnen schwer tut, sollten Sie deshalb frühzeitig das Gespräch mit dem Erzieher oder Lehrer suchen. Da in der Mathematik jeder Lernschritt auf dem vorangegangenen aufbaut, ist eine zeitige Förderung wichtig.

Sonst bilden sich Lücken, die das Kind den Anschluss an seine Klassenkameraden verlieren lassen. Für eine frühe Förderung spricht außerdem, dass sich nur so Folgeprobleme wie seelische Belastungen, psychosomatische Beschwerden oder Probleme im Sozialverhalten vermeiden lassen.

Kinder mit einer Rechenschwäche zeigen vielfältige Symptome. Nicht bei jedem Kind treten alle Symptome auf.

Grundsätzlich haben die Kinder mit einer Rechenschwäche Probleme beim Zählen. Sie benutzen zum Rechnen meist die Finger und können zum Beispiel nicht spontan sagen, dass vier Stühle um einen Tisch herumstehen. Sie müssen die einzelnen Stühle zählen, um auf die Anzahl zu kommen.

Eine Rechenschwäche äußert sich auch dadurch, dass die Kinder nur schlecht rückwärts zählen können und auch bei kleinen Mengen meist immer wieder neu abzähleh müssen. Ziffern werden vertauscht oder nach Gehör falsch geschrieben (z.B. 34 statt 43).

Auch mit den Rechenarten haben Betroffene mit einer Rechenschwäche Probleme. Sie verwechseln die einzelnen Rechenarten wie zum Beispiel "Plus" und "Geteilt". Selbst die einfachsten Aufgaben (zum Beispiel 15+3) bereiten den Betroffenen Schwierikgeiten.

Zudem haben die Kinder Probleme, die Menge der Zahlen zu erfassen, zum Beispiel, dass 30 mehr als 10 ist. Des Weiteren können Barrieren bei Zeitangaben oder mit Geldbeträgen auftreten.

Auch wenn Betroffene zu Hause ständig üben, so verbessert sich ihre Rechenschwäche nicht. Sie lernen zwar auswendig, verstehen das Gelernte jedoch nicht.

Kinder mit einer Rechenschwäche sind nicht weniger intelligent als andere Kinder. In anderen Fächern können sie sogar überdurchschnittlich gut sein.

Die Rechenschwäche führt bei den Kindern häufig zu Konzentrationsstörungen und sie leiden auch psychisch unter ihrer Teilleistungsschwäche. Die Folgen einer Rechenschwäche sind mitunter

Diagnose

Eltern suchen häufig zuerst ihren Kinderarzt auf, wenn sie derartige Probleme feststellen. Dieser kann den Eltern meist Anlaufstellen nennen, in denen spezielle Tests durchgeführt werden können.

Dies sind häufig pädagogische Beratungsstellen, die sich unter anderem auf Kinder mit einer Rechenschwäche spezialisiert haben. Die Kinder müssen verschiedene Tests durchlaufen, wie zum Beispiel auch einen Intelligenztest.

In anschließenden Tests wird das mathematische Wissen der Kinder überprüft und festgestellt, ob es am Mathematikunterricht liegen kann, dass das Kind die Aufgaben nicht richtig lösen kann. Dabei werden nicht nur die Ergebnisse analysiert, sondern auch der Rechenweg.

Dazu werden die Kinder meist gebeten, ihre gedachten Rechenschritte laut zu äußern. Oft kann die Diagnose auch gestellt werden, wenn man das Kind beim Rechnen mit den Fingern beobachtet.

Generell sollten Eltern und Pädagogen schon im Kindgarten, aber besonders auch während der ersten beiden Schuljahres des Kindes auf mögliche Schwächen im mathematischen Bereich achten und diese ernst nehmen.

Behandlung

Den normalen Mathematikunterricht zu intensivieren, bringt Kindern mit Rechenschwäche nichts. Im Gegenteil: es erhöht den Frust. Statt den gleichen Aufgabentyp ständig zu wiederholen oder zusätzliche Übungsblätter zu bearbeiten, müssen die Kinder erst das zugrundeliegende Verständnis von Mengen und Zahlen entwickeln.

Am besten gelingt dies mit einem speziell qualifizierten Therapeuten. Adressen und Selbsthilfetipps finden Eltern beim Bundesverband für Legastheniker und Dyskalkuliker bvl-legasthenie.de.

Frühzeitige Förderung

Bei einer vorliegenden Rechenschwäche kann keine allgemeine Therapie durchgeführt werden. Jedes Kind hat andere Schwächen im Bereich der Mathematik und andere Ursachen liegen der Entwicklungsstörung zugrunde.

Daher werden die Kinder im Rahmen einer Einzeltherapie behandelt. Die Therapeuten gehen dabei individuell auf die Bedürfnisse der Kinder ein. Da sich die meisten Kinder mit einer Rechenschwäche vorgefertigte Lernschemen eingeprägt haben, müssen die Therapeuten im Rahmen der Behandlung diese festen Schemen durchbrechen.

Erst dann können die Kinder die richtige Rechenweise erlernen. Zu Hause müssen die Kinder die erlernten Übungen dann weiter fortführen, um auch Erfolgserlebnisse zu haben. Es stehen spezielle Hausaufgabenprogramme zur Verfügung.

Auch die Eltern werden in die Therapie miteinbezogen. Wichtiger Teil der Therapie besteht darin, den Eltern klarzumachen, dass die Rechenschwäche ihres Kindes nichts mit mangelnder Intelligenz zu tun hat.

Zusätzlich lernen die Eltern im Rahmen der Therapie, ihr Kind sinnvoll bei seiner Rechenschwäche zu unterstützen. Meist erfolgt auch eine enge Zusammenarbeit mit den Lehrern der Schule.

Besonders trainiert werden anfangs die Zahlen bis 10, weil diese die Grundlage aller Zahlen bilden. Nur wenn rechenschwache Kinder diese Zahlen verstehen, können sie auch kompliziertere Aufgaben rechnen.

Sobald die Kinder einen Lernerfolg sehen, ist ein erster wichtiger Schritt in der Therapie erreicht. Die Kinder fassen wieder Selbstvertrauen und wagen sich auch an schwierigere Aufgaben heran. In der Regel findet eine Rechentherapie einmal wöchentlich statt, während die Kinder aber auch zu Hause noch üben müssen.

Im Alltag trainieren

Die Eltern können die Rechenschwäche ihres Kindes aber zusätzlich im Alltag trainieren. So deckt man beispielsweise den Tisch für drei Personen und lässt das Kind überlegen, wie viele Teller man dafür denn benötigt. Rechenschwachen Kindern fällt es oft schwer, herauszufinden, dass jede Person einen Teller benötigt und es demzufolge drei Teller sein müssen.

Auch mit Obst kann man den rechenschwachen Kindern die Regeln der Mathematik verdeutlichen. So legt man fünf Kirschen auf einen Teller und fragt, wie diese gerecht zwischen zwei Kindern aufgeteilt werden können.

Kinder ohne Rechenschwäche werden sofort sehen, dass es keine gerechte Aufteilung gibt. Es sei denn, einer beißt die Hälfte von der Kirsche ab. Kinder mit einer Rechenschwäche hingegen müssen erst verstehen lernen, warum fünf Kirschen nicht gerecht auf zwei Kinder aufgeteilt werden können.

Vorbeugung

Eltern können einer Rechenschwäche bei ihrem Kind nicht vorbeugen. Jedoch sollten Eltern sich frühzeitig an entsprechende Institute wenden, wenn sie eine Rechenschwäche vermuten. Eine frühzeitige Behandlung erleichtert auch das weitere Leben des betroffenen Kindes.

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  • Malte Ludwig Repetitorium für die Facharztprüfung Innere Medizin: Mit Zugang zur Medizinwelt, Urban & Fischer Verlag/Elsevier GmbH, 2017, ISBN 3437233165

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