Borderline-Syndrom - Das Leben zwischen den Extremen

Das Borderline-Syndrom ist eine Persönlichkeitsstörung mit vielen verschiedenen Symptomen. Typisch ist die extreme Reizbarkeit der Betroffenen, die sich schon bei Kleinigkeiten zeigt. Auch Zustände der emotionalen Leere sind typisch. Mit diesen Symptomen gehen auch viele körperliche Beschwerden einher. Die Diagnose stellt meist der Psychologe oder Psychotherapeut. Informieren Sie sich hier ausführlich über das Krankheitsbild des Borderline-Syndroms.

Von Claudia Haut

Krankheitsbild

Das menschliche Gehirn ist ein ausgeklügeltes System und fungiert als Schaltzentrale für jegliche Vorgänge im Körper. Störungen in unterschiedlichen Regionen sind aufgrund der Anfälligkeit des Gehirns keine Seltenheit und zeigen verschiedene Auswirkungen auf die Betroffenen und deren Angehörigen. Borderline stellt hier allerdings eine besonders diffizile Persönlichkeitsstörung dar, facettenreich und sehr oft massiv belastend.

Diese inzwischen als Erkrankung eingestufte Störung der Persönlichkeit kann auf eine Geschichte zurückblicken, die ihren ersten konkreten Ursprung 1884 gefunden hat. Einst als Borderland bezeichnet, hat sich der Begriff mit den Jahren zu Borderline gewendet und wird oftmals als Grenzlinie oder auch als grenzwertig tituliert. Umstritten selbst unter den Experten, offenbart sich Borderline in einer großen Vielzahl von Symptomen, denen jedoch allen gemeinsam ist, dass nicht nur der Betroffene leidet, sondern auch dessen Angehörigen.

Borderline-Patienten erleben jeden Tag als Belastung. Kleine Reize, wie eine Verspätung zum gemeinsamen Essen, reichen oft aus und sie reagieren mit Wutausbrüchen, die sie nicht kontrollieren können. Oder sie werden scheinbar aus heiterem Himmel von einem Gefühl der inneren Leere und Taubheit heimgesucht und meinen, neben sich zu stehen.

Der Betroffene scheint zwischen solchen Zuständen der Leere und starker emotionalen Erregung hin und her zu pendeln und die Kontrolle über seine Gefühle verloren zu haben. Genau diese emotionale Instabilität macht die Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS) aus.

Ursachen

Wie Borderline entstehen kann, wird selbst in Fachkreisen nach wie vor heftig diskutiert und alle Theorien basieren auf Mutmaßungen, die sich im Bereich der Genetik und frühkindlichen prägenden Erlebnissen aufhalten. Patienten mit dem Borderline-Syndrom fühlen und handeln oftmals wie kleine Kinder.

Viele Patienten mussten auch in der Kindheit sexuellen Missbrauch oder Gewalt in der Familie erleben. In den meisten Fällen ist der Täter ein enger Familienangehöriger, so dass sich dadurch das Verhaltensmuster ergibt; eine vertraute Person dürfte die Betroffenen nicht verlassen und müsste sie beschützen.

Die Patienten haben jedoch keine Aggressionen gegen den Täter, sondern richten ihre Wut gegen sich selbst, da sie in ihren Augen ein schlechter Mensch sind und die Tat verdient hätten. Normalerweise fällt es zum Beispiel Missbrauchsopfern leichter, wenn sie häufig über den Missbrauch sprechen. Borderline-Patienten hingegen belastet dies mit jedem Gespräch darüber mehr.

Alle Patienten haben jedoch gemeinsam, dass sie meist keine intakte Kindheit hatten. Nicht immer muss das Kind jedoch Missbrauch erfahren haben. Oftmals legten auch die Eltern eine sehr strenge Erziehung an den Tag und das Kind bekam regelmäßig das Gefühl, böse und unartig zu sein.

Verlauf

Meistens zeigt sich die Erkrankung bereits in früher Kindheit. Da sich die Kinder und Jugendlichen jedoch immer noch entwickeln, wird die Diagnose Borderline meist erst im Erwachsenenalter gestellt. Im Verlauf der Erkrankung, wenn die Patienten etwa vierzig Jahre alt sind, nehmen die Symptome meist an Intensität etwas ab.

Da auch das Verhältnis zu ihren behandelnden Psychotherapeuten oftmals schwierig ist, wechseln die Patienten häufig ihre Therapeuten. Meist handelt es sich um eine chronische Erkrankung, so dass die Therapien langfristig durchgeführt werden.

Symptome

Unberechenbar zeigt sich diese Störung und Mediziner sowie Psychologen stehen in vielen Fällen dieser Erkrankung hilflos gegenüber. Die meisten Vorgänge spielen sich in dem Betroffenen selbst ab, die sich oft genug als paradox in sich aufzeigen. Allgemein kann man sagen, dass Patienten mit dem Borderline-Syndrom Probleme haben, ihre Gefühle in den Griff zu bekommen.

Psychische Faktoren

Borderline-Patienten haben immer die Angst, verlassen zu werden und somit alleine zu sein. Die Betroffenen brauchen zum Beispiel ein Foto ihres Partners, um sich immer an diesen zu erinnern. Gelingt dies einmal nicht, fühlen sich die Betroffenen extrem einsam.

Treffen Borderline-Patienten eine Verabredung mit einer anderen Person und diese muss die Verabredung absagen, fühlen sich die Borderline-Patienten schuldig, nicht geliebt und "böse". Gehen Borderline-Patienten eine Beziehung ein, sollten in deren Augen die Partner immer und uneingeschränkt für sie da sein. Tun sie das nicht, beenden die Borderline-Patienten oft die Beziehung.

Angst vor dem Alleinsein paart sich mit der Angst vor der Nähe zu anderen Menschen. Stimmungsschwankungen zwischen Euphorie und depressiven Gefühlen tauchen bei Borderlinern ebenso auf als auch ein eigenes Ausgrenzen aus der Gesellschaft. Diese Ausgrenzung erfolgt durch Lügen (die die Betroffenen in der Regel selbst als Wahrheiten ansehen), Stehlen, Aggressivität und auch durch ein permanentes Abhauen aus der Familie oder später aus der Beziehung.

Viele Patienten neigen auch dazu, sich selbst zu gefährden. Sie

  • verletzen sich selbst
  • führen riskante Autofahrten durch
  • nehmen Drogen oder
  • essen im Rahmen einer Fressattacke innerhalb kürzester Zeit den Kühlschrank leer.

Das selbstzerstörende Verhalten durch das Aufritzen der Extremitäten, Selbstmordversuche oder auch starkes Nägelkauen bis auf das Fleisch sind hierbei ebenso möglich als auch Bulimie, das Zufügen von Verbrennungen, Quetschungen und ein großes Suchtverhalten mit Alkohol und Drogen. Die Betroffenen wollen sich mit diesen Maßnahmen oft selbst bestrafen.

Fühlen sich die Patienten vernachlässigt, kann dies auch oft in extremen Wutausbrüchen und Gewalt enden. Depressionen, Verzweiflung und eine chronische Erschöpfung gehen ebenfalls als Symptomatik mit dem Borderline-Syndrom einher und ergänzt sich in vielen Fällen mit den Symptomen des ADHS-Syndroms.

Der Umgang mit dem betroffenen Kind oder Familienmitglied stellt sich als äußerst beschwerlich dar, da man nie weiß was als nächstes kommt. Interessanterweise zeigt sich bei Testungen, dass es sich bei den Betroffenen um sehr intelligente Menschen handelt, die mitunter einen IQ von über 140 aufzeigen. Liebenswert und sozial eingestellt, wird der Borderliner von einer Minute zur anderen von einem "Dr. Jekyll zu einem Mr. Hyde" und die Unberechenbarkeit nimmt ihren weiteren Lauf.

Körperliche Symptome

Auch körperliche Symptome werden durch das Borderline-Syndrom verursacht. Die Betroffenen haben

Borderline ist eine sehr komplexe Erkrankung mit einer Vielzahl verschiedenster Symptome. Die Symptome bilden sich meist bereits im Kindesalter und ziehen sich bis zum Erwachsenenalter durch.

Diagnose

Bevor die Diagnose durch einen Psychiater gestellt wird, muss dieser anhand eines Fragebogens klären, ob wirklich ein Borderline-Syndrom vorliegt. Dafür müssen einige Eigenschaften der Erkrankung vorliegen.

Dazu gehören zum Beispiel

  • impulsive Handlungen, ohne dass sich der Betroffene Gedanken über die Folgen macht
  • unbeständige Beziehungen
  • ein gestörtes Selbstbild und
  • die fehlende Fähigkeit Dinge oder Aktionen im Voraus zu planen.

Behandlung

Unterschiedliche Auswertungen haben aufgezeigt, dass selbst jahrelange Therapien kaum eine Besserung bringen. Aufgrund der wenigen Kenntnisse mit der Thematik Borderline gibt es auch nicht viele Experten, die eine Behandlung erfolgreich im Sinne von Abmildern durchführen können. Erschwert wird eine Behandlung auch dadurch, dass viele Betroffene, übrigens rund 1-2% der Bevölkerung und bis zu 75% Frauen, ihre "Krankheit" nicht erkennen und demzufolge dank ihrer emotionalen Intelligenz auch Therapeuten austricksen können.

Psychotherapie

Da die Betroffenen sich nur schwer auf langfristige Beziehungen einlassen, gestaltet sich eine Therapie des Borderline-Syndroms oftmals schwierig. Was im Privatleben gilt, gilt auch in Bezug auf die Therapeuten: Die Patienten fühlen sich ungeliebt, verlassen und missverstanden, so dass die Patienten häufig ihre Psychologen bzw. Psychotherapeuten wechseln.

Zu Beginn der Behandlung klärt der Therapeut den Patienten über seine Erkrankung und die genaue Therapie auf. Auch wenn bereits Therapieabbrüche durch den Patienten bekannt sind, werden diese besprochen. Auf diese Weise können viele Patienten rechtzeitig Bescheid geben, wenn sie das Bedürfnis verspüren, den Therapeuten erneut wechseln zu müssen.

Als erstes werden schwerwiegende Verhaltensmuster der Erkrankung behandelt, wie zum Beispiel

  • die Selbstverletzung,
  • Drogenmissbrauch,
  • Therapeutenwechsel
  • usw.

Im nächsten Teil der Therapie werden die Erlebnisse (wie sexueller Missbrauch) besprochen. Die Betroffenen sollen lernen, dass das Erlebnis in der Vergangenheit geschehen ist und dass man sich nicht dauernd daran erinnern sollte.

Die Behandlung wird - je nach Intensität der Symptome - ambulant oder stationär durchgeführt. Oftmals zeigt die Therapie nur dann einen Erfolg, wenn sie intensiv während einer mehrwöchigen Behandlung in einer Fachklinik durchgeführt wird.

Medikamentöse Therapie

Neben der Psychotherapie erhalten die Patienten auch spezielle Medikamente, so genannte Psychopharmaka, verordnet.

Vorbeugung

Der Erkrankung kann man nach heutigem Wissen nicht vorbeugen. Je früher die Erkrankung jedoch behandelt wird, desto besser sind die Erfolgsaussichten der Therapie. Sollten demnach Symptome bemerkt werden, sollte man die Betroffenen darauf hinweisen und einwirken, dass diese sich umgehend in ärztliche Behandlung begeben sollten.

Für die Angehörigen bleibt nur der Faktor Zeit als Haltepunkt, denn wie man feststellen konnte, lassen die Symptome der Persönlichkeitsstörung mit den Jahren nach, ohne allerdings gänzlich zu verschwinden. Selbsthilfegruppen und die Hilfe von staatlichen Stellen wie etwa dem Jugendamt, können jedoch dabei helfen mit dem Borderliner besser umzugehen und auch nicht ständig die Schuld bei sich selbst zu suchen.

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  • Malte Ludwig Repetitorium für die Facharztprüfung Innere Medizin: Mit Zugang zur Medizinwelt, Urban & Fischer Verlag/Elsevier GmbH, 2017, ISBN 3437233165
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  • Reinhard Strametz Grundwissen Medizin: für Nichtmediziner in Studium und Praxis, UTB GmbH, 2017, ISBN 3825248860

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