Zerrungen - Ursachen, Symptome, Behandlung und Tipps, um Zerrungen schneller auszuheilen

Egal ob Anfänger oder ambitionierter Wettkampfsportler und ungeachtet der betriebenen Sportart, hat sich jeder schon einmal einen Muskel gezerrt. Und obwohl die Zerrung zu den gängigsten Sportverletzungen zählt, sind sich Athleten wie Trainer häufig gleichermaßen darüber unsicher, was man tun sollte, um möglichst schnell die körperliche Leistungsfähigkeit wieder komplett herzustellen.

Von Andreas Hadel
Klassifikation nach ICD-10: T14.6
ICD-10 ist ein weltweit verwendetes Klassifikationssystem für medizinische Diagnosen. Der sogenannte ICD-Code ist zum Beispiel auf einem ärztlichen Attest zu finden.

Definition

Zerrungen (Distensionen) gelten als häufig vorkommende Bagatellverletzungen. Besonders bei sportlichen Aktivitäten kann es leicht zu einer Zerrung von Muskeln oder Bändern kommen.

Von einer Muskelzerrung spricht man, wenn es zu einer Aufdehnung muskulärer Gewebestrukturen kommt. In schlimmeren Fällen kann es sogar zu einer Zerstörung der kontraktilen Gewebe kommen.

Muskelzerrung

Zerrungen der Muskeln entstehen durch die übermäßige Dehnung eines Muskels. Dabei bleibt jedoch die eigentliche Struktur der Muskeln unversehrt.

Wenn die Kraft der Gewalteinwirkung allerdings höher ist als die der Muskeln, besteht die Gefahr, dass die Muskelfasern oder sogar ganze Muskeln reißen. In diesem Fall handelt es sich um einen Muskelfaser- bzw. Muskelriss.

Bänderzerrung

Von einer Bänderzerrung spricht man, wenn es zu einer Überdehnung der Kapsel-Bestandteile eines Gelenks kommt. Die stabilisierende und führende Funktion der Bänder bleibt im Falle einer Zerrung jedoch intakt.

Ursachen

Zerrungen der Muskeln und der Bänder kommen häufig vor. Besonders häufig in Mitleidenschaft gezogen werden:

Ursachen für eine Zerrung können

  • eine unzureichende Elastizität des Muskels
  • Überschätzung des eigenen Leistungsvermögens
  • Gewebeverhärtung
  • eine Vorschädigung des Muskels als besondere Anfälligkeit
  • eine Muskelübermüdung oder
  • eine fehlerhafte intramuskuläre Koordination

sein. Eine unzureichende Aufwärmphase hängt mit unzureichender Durchblutung zusammen, woraus wiederum ein fehlerhafter Austausch von Informationen zwischen Haut-, Gelenk- und Muskelrezeptoren resultiert und zur Zerrung führen kann.

Vor allem bei untrainierten Menschen kommt es in vielen Fällen zu einer Distension, da deren Muskeln weniger elastisch und geschmeidig sind, als trainierte. Untrainierte Muskeln können sich plötzlichen Spannungsänderungen nur langsam anpassen, was schnell zu einer Muskelzerrung führt.

Besonders bei sportlichen Aktionen kommt es rasch zu einer Zerrung. Grund dafür sind schnelles Beschleunigen und Anhalten. Typische Bewegungen sind zudem eine Kombinationen daraus oder Dreh- und Schlagbewegungen Eine hohe Schnellkraft belastet den Muskel durch die maximale Kontraktion (Zusammenziehung), so dass der Muskel die plötzlich auftretenden Zugkräfte nicht mehr abfangen kann und überdehnt.

Risikoreiche Sportarten sind beispielsweise:

Aber auch im normalen Alltag, also im Haushalt oder am Arbeitsplatz, kann man sich eine Zerrung, zum Beispiel durch das Heben von schweren Lasten während einer ungünstigen Körperhaltung zuziehen.

Verlauf

Einfache Zerrungen gelten als Bagatellverletzungen, deren Heilung ohne Komplikationen verläuft. Je nach Schwere der Zerrung können die Schmerzen und Bewegungseinschränkungen einige Tage oder auch einige Wochen andauern.

Bei ungenügender Schonung besteht allerdings das Risiko, dass sich Narben im Muskelgewebe bilden, was zu einer Verminderung der Muskelkraft führt. Dadurch entsteht die Gefahr von weiteren Muskelverletzungen.

Symptome

Typische Symptome einer Zerrung sind plötzliche, krampfartige, unangenehme Schmerzen an der betroffenen Stelle. Jemand, der sich eine solche Zerrung zugezogen hat, hat seine Kraft in den betreffenden Muskeln verloren und kann das betreffenden Körperglied wie das Bein oder den Arm nur eingeschränkt oder gar nicht bewegen. Die betreffende Stelle schwillt an und ist gegenüber Druck äußerst empfindlich.

Bei einer ausgeprägten Muskelzerrung kann es zudem zu Einblutungen in den Muskel kommen. Dadurch bildet sich ein Bluterguss, der auch Hämatom genannt wird.

Dieser fühlt sich zunächst elastisch-gummiartig an. Danach kommt es zu einer Verhärtung der betroffenen Körperstelle, die nach der Resorbierung (Auflösung) des Blutergusses wieder zurückgeht.

Bei leichten Zerrungen der Muskeln sind stechende oder ziehende Dehnungsschmerzen zu spüren. Bei einer Bänderzerrung kommt es zu Schmerzen an dem Gelenk, das in Mitleidenschaft gezogen wurde.

Verhält man sich ruhig, können die Schmerzen zurückgehen oder sogar ganz abklingen. Bei einer erneuten Bewegung kehren die Schmerzen jedoch wieder zurück.

Das Hämatom als mögliches Symptom einer ausgeprägten Muskelzerrung
Das Hämatom als mögliches Symptom einer ausgeprägten Muskelzerrung

Diagnose

Bei der Diagnose einer Zerrung ist es für den Arzt oft schwierig zwischen einer leichten Zerrung oder einer ernsthaften Verletzung zu unterscheiden, da die Schmerzen gleich stark sind. Um mögliche Muskelrisse oder Einblutungen von einer simplen Muskelzerrung zu unterscheiden, wird eine Ultraschall-Untersuchung (Sonographie) durchgeführt.

Gleiches gilt bei einer Bänderzerrung, da sich Bänder und Kapseln auf diese Weise gut untersuchen lassen. Für den Fall, dass Unklarheiten bestehen, kann auch eine Kernspin-Tomographie (MRT) durchgeführt werden, mit der noch tiefere Einblicke gewonnen werden. Die Verletzungsstelle kann dabei zudem in mehreren Schnittebenen dargestellt werden.

  • Junger Arzt untersucht ein Knie per Ultraschallgerät und schaut auf den Monitor

    © endostock - www.fotolia.de

  • Ärztin schiebt Patient in Kernspintomographie Gerät

    © Mikhail Malyshev - www.fotolia.de

Therapie

In der Regel handelt es sich bei den meisten Zerrungen nicht um wirklich schwerwiegende Verletzungen. Dennoch kann sich jedoch bei falscher Behandlung eine Heilung über mehrere Wochen, manchmal sogar Monate erstrecken und damit zum Greifen nah scheinende Fitnessziele in die Ferne rücken oder eine Wettkampfvorbereitung zum scheitern bringen.

Kühlung

Für den Fall, dass es zu einer Zerrung kommt, ist in erster Linie Kühlung für die Behandlung wichtig. So sollte die gezerrte Stelle etwa fünfzehn bis zwanzig Minuten lang mit

behandelt werden.

Dabei sollte man darauf achten, stets ein Handtuch oder etwas Stoff zwischen die Haut und die Eispackung zu legen, damit es nicht zu Erfrierungen des Gewebes kommt. Weitere sportliche Aktivitäten müssen unbedingt vermieden werden, der betroffene Körperteil ist ruhig zu stellen.

Hochlagerung

Damit das Gewebe nicht anschwillt, ist es hilfreich, den gezerrten Körperteil möglichst hoch zu lagern. Durch das Abklingen der Schwellung beschleunigt sich der Heilungsprozess.

Sportsalben und Verband

Ein Verband hilft bei der Heilung
Ein Verband hilft bei der Heilung

Empfehlenswert ist auch die Anwendung von Sportsalben. Falls nötig, kann auch ein Verband mit einer elastischen Binde angelegt werden.

Dabei sollte jedoch darauf geachtet werden, dass die Durchblutung intakt bleibt. Nach Abklingen der Beschwerden kann wieder mit leichten sportlichen Aktivitäten begonnen werden.

Eine ärztliche Behandlung ist in den meisten Fällen bei einer Zerrung nicht notwendig. Bei länger anhaltenden Schmerzen sollte man sie jedoch von einem Arzt begutachten lassen.

Die Wunderheilmethode gegen Muskelzerrungen

Vor relativ kurzer Zeit herrschte in der Sportmedizin die Meinung vor, dass man bei einer Zerrung abhängig vom Schweregrad mit der sportlichen Belastung bis zu zwei Wochen komplett aussetzen muss. Für ambitionierte Athleten und enthusiastische Fitnesssportler ist das natürlich nicht hinnehmbar.

Kein geringerer als Dr. Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt, der Arzt der deutschen Fußballnationalmannschaft, hat wesentlich dazu beigetragen, dass sich in den letzten Jahren neue und vor allem schnellere Behandlungsmethoden bei einer Muskelzerrung durchgesetzt haben. Das oberste Gebot bei der Behandlung einer Muskelzerrung lautet, den Muskeltonus so schnell wie möglich wieder zu normalisieren. Dafür hat sich das folgende Behandlungsmuster als sehr wirksam erwiesen:

  • Der erste Schritt ist es, den betroffenen Muskel zunächst für 20-30 Minuten zu kühlen.
  • Anschließend sollte die gezerrte Muskulatur passiv bis zu 20 mal gedehnt werden. Das darf jedoch ausschließlich im schmerzfreien Bereich passieren.
  • Schon nach wenigen Stunden oder spätestens nach einen Tag sollte der Sportler die Körperregion wieder leicht belasten, wobei auch hierbei nur der schmerzfreie Bewegungsbereich zu berücksichtigen ist. Begleitend dazu wird der Muskel vorsichtig gedehnt.

Dieses Muster sollte täglich zwei- bis viermal ausgeführt, wobei der Patient versuchen muss, seinen schmerzfreien Bewegungsumfang vorsichtig zu vergrößern. Mit dieser Methode können auch schwerere Muskelzerrungen innerhalb von fünf bis sieben Tagen fast komplett ausgeheilt werden.

Vorbeugung

Um Zerrungen vorzubeugen, ist es wichtig, sich gut vor einer sportlichen Aktivität aufzuwärmen. Dabei sind vor allem Stretchingübungen der Muskelgruppen wichtig.

Dass man mit einem ausgiebigen Aufwärmprogramm eine Zerrung ausschließen könnte, ist jedoch nicht ganz richtig. Zwar kann man dadurch das Risiko deutlich verringern, eine steife Muskulatur bleibt jedoch trotzdem der größte Risikofaktor.

Diese Tatsache stellt Schnellkraft- und Maximalkraftsportler vor eine Gewissensfrage, da diese für optimale Leistungen eine erhöhte Grundspannung in der Muskulatur benötigen. Dynamisches Stretching könnte dabei ein Kompromiss sein, um das Verletzungsrisiko zu verringern und trotzdem den Tonus nicht zu sehr zu reduzieren.