Phantomschmerzen - Ursachen und Behandlung

Nach einer Amputation leiden viele Patienten unter Phantomschmerzen. Verschiedene Therapieansätze sind möglich, um die Schmerzen zu lindern.

Von Claudia Haut
Klassifikation nach ICD-10: G54.6 G54.7
ICD-10 ist ein weltweit verwendetes Klassifikationssystem für medizinische Diagnosen. Der sogenannte ICD-Code ist zum Beispiel auf einem ärztlichen Attest zu finden.

Der typische Phantomschmerz tritt in Verbindung mit Amputationen auf. Bei der notwendigen Operation wird der Patient in den meisten Fällen unter Vollnarkose gesetzt, um den starken Schmerzen der Behandlung zu entgehen. Wie so oft lässt sich der Körper aber nicht betrügen, und die an der Operationsstelle vorhandenen Nerven registrieren den eigentliche auftretenden Schmerz sehr wohl und melden diesen auch weiter an das Gehirn.

Nach der Operation stellte der Patient erschrocken fest, dass er quasi Schmerzen außerhalb seines Körpers hat, nämlich dort, wo das amputierte Gliedmaß zuvor gewesen war. Der tatsächliche Schmerz der Phantomschmerzen zeigt sich meist in Form von Attacken die mit einem Stechen und Brennen plötzlich auftauchen, auch Krämpfe können damit verbunden sein.

Ursachen

Warum Phantomschmerzen auftreten, ist noch nicht eindeutig erforscht. Normalerweise dürfte der Patient keine Schmerzen mehr in einem Körperteil empfinden, das nicht mehr vorhanden ist, da während der Operation auch die Nerven durchtrennt wurden.

Trotzdem leiden sehr viele Patienten unter den Phantomschmerzen. Die Schmerzen sind dabei keineswegs eingebildet.

Dieser Phantomschmerz entsteht wohl dadurch, dass sich das Gehirn den Schmerz gemerkt hat, der während der Operation durch die verletzten Nerven gemeldet wurde. Diese Schmerzmeldung wurde nicht rückgängig gemacht, und somit versorgt das Gehirn den Körper mit der Information über den Schmerz. Das Einsetzen des Phantomschmerzes kann erst Tage oder Wochen nach der Operation beginnen, in seltenen Fällen auch Jahre später.

Stärke der Schmerzen und Mangeldurchblutung

Je stärker die Schmerzen in dem Körperteil vor der Amputation waren, desto stärker werden nach der Operation die Phantomschmerzen empfunden. Eine weitere mögliche Ursache der Phantomschmerzen liegt in einer Mangeldurchblutung in dem Bereich, in dem die Amputation vorgenommen wurde (im so genannten Stumpf).

Erkrankungen

Phantomschmerzen können zum Beispiel nach einer Unterschenkelamputation, nach einer Armamputation oder auch nach einer Brustamputation entstehen. Die Amputation kann aufgrund von Krankheiten wie zum Beispiel Krebs oder Diabetes mellitus notwendig werden. Auch schwere Unfälle können der Grund für eine Amputation sein, wenn das Körperteil nicht mehr gerettet werden kann.

Folgen

In manchen Fällen können die Phantomschmerzen nach einer Amputation so stark ausgeprägt sein, dass eine Behandlung mit betäubenden Opiaten wie Morphin zu deren Linderung nötig ist. Allerdings verläuft die Schmerzintensität individuell höchst unterschiedlich. So nehmen manche Patienten die Phantomschmerzen derart intensiv und quälend wahr, dass sie sogar einen Selbstmordversuch durchführen.

Wann zum Arzt?

Treten Phantomschmerzen auf, muss grundsätzlich ein Arzt darüber informiert werden. Dieser kann mit verschiedenen Methoden versuchen, eine Schmerzlinderung zu erreichen.

Diagnose

Die Diagnose Phantomschmerz wird vor allem durch die Beschreibungen des Patienten gestellt. Darüber hinaus gilt es, organische Ursachen wie Stumpfschmerzen auszuschließen. So leiden zahlreiche Amputierte auch unter Stumpfschmerzen, die sich oftmals nur schwer von Phantomschmerzen unterscheiden lassen.

Untersuchung

Im Rahmen der Untersuchung überprüft der Arzt, ob es sich bei den Phantomschmerzen um Stumpfschmerzen handelt. Diese kommen zumeist durch Durchblutungsstörungen, Entzündungen oder schlecht sitzende Prothesen zustande.

In manchen Fällen kann auch eine Psychotherapie wie eine Verhaltenstherapie sinnvoll sein, um mit dem Verlust der Gliedmaße fertig zu werden. Einheitliche Therapieansätze gibt es allerdings noch immer nicht, sodass stets der individuelle Aspekt zu beachten ist.

Behandlung

Eine Therapie ist nur schwierig möglich, am sinnvollsten sind hier die vorbeugenden Maßnahmen vor und während der Operation. Es sollte überlegt werden, ob man nicht zusätzlich zur Vollnarkose eine lokale Narkose der betroffenen Nerven ausführt, um somit die Möglichkeit einer Reaktion auszuschließen, die eine Schmerzmeldung an das Gehirn zur Folge hätte.

Schmerzmittel

Patienten, die nach einer Amputation unter Phantomschmerzen leiden, erhalten von ihrem behandelnden Arzt Schmerzmittel verordnet. Dabei stehen verschiedene Präparate zur Auswahl, die auch über längere Zeit hinweg eingenommen werden können.

Häufig ist der Schmerz, den die Patienten empfinden, derart stark, dass zum Beispiel Morphium verordnet werden muss. Besonders ausgebildet für die Behandlung von Schmerzpatienten sind Ärzte in einer Schmerzambulanz.

Massagen und Bäder

Insbesondere hilfreich hat sich in der Schmerztherapie aber der Weg über die so genannten alternativen Behandlungsmethoden gezeigt. Vorteil dieser Behandlungsmethoden ist auch, dass Medikamente reduziert werden können. Beispielsweise kann durch physikalische Therapien wie Massagen oder spezielle Bäder der Phantomschmerz gelindert werden.

Neuraltherapie und Akupunktur

Schließlich kann der Phantomschmerz auch im Rahmen der so genannten Neuraltherapie behandelt werden. Der Arzt kann hier ein Schmerzmittel in den Stumpf spritzen und das Medikament so um den Schmerzpunkt herumspritzen.

Im Rahmen der Therapie wird meist auch Akupunktur durchgeführt. Bei dieser Behandlungsmethode aus der traditionellen chinesischen Medizin (TCM) werden dem Patienten feine Nadeln in spezielle Punkte an ihrem Körper gestochen.

Die Akupunktur bewirkt, dass der Patient weniger Schmerzempfinden hat und folglich auch eine geringere Dosis der Schmerzmedikamente benötigt.

Selbsttherapie

Phantomschmerzen sind nicht leicht zu behandeln. Sie treten nur bei Menschen auf, denen zuvor eine Gliedmaße amputiert wurde. In den meisten Fällen erfolgt die Therapie durch den Arzt, der bestimmte Medikamente verordnet.

Als hilfreich gegen Phantomschmerzen gilt eine spezielle Spiegel-Therapie. Dabei bewegt der Patient die noch vorhandene Gliedmaße vor einem Spiegel. Durch die Spiegelreflexion kann er die Bewegung so wahrnehmen, als würde es sich um die amputierte Gliedmaße handeln. Dadurch kommt es häufig zur Normalisierung der Repräsentanz innerhalb der Tastrinde, was wiederum zur Verminderung der unangenehmen Phantomschmerzen führt.

Ein ähnlicher Effekt lässt sich durch Visualisierungen in der Vorstellung, die die Phantomgliedmaße betreffen, erzielen. Zahlreiche Mediziner erachten auch das Tragen einer Prothese als sinnvoll zur Bekämpfung von Phantomschmerzen. Das Benutzen einer Prothese bewirkt, dass der Hirnbereich, der sich durch die Amputation verändert hat, erneut aktiviert wird.

Da die Prothese die Funktion der amputierten Gliedmaße teilweise wiederherstellt, bekommt das Gehirn neue Reize. Dadurch lassen sich die negativen Umbauvorgänge wieder rückgängig machen.

Vorbeugung

Eine Vorbeugung von Phantomschmerzen ist nur schwer möglich. Bei manchen Patienten kann es hilfreich sein, diesen vor der Amputation zusätzlich Analgetika oder Neuroleptika zur Blockade der Nerven zu injizieren. Auf diese Weise lässt sich der Entstehung der Phantomschmerzen häufig entgegenwirken. Auch eine Verringerung der Schmerzintensität ist möglich.

  • Mark Dennis, William Talbot Bowen, Lucy Cho Symptome verstehen - Interpretation klinischer Zeichen (KlinikPraxis), Urban & Fischer Verlag/Elsevier GmbH, 2019, ISBN 3437439804
  • Kurt Tepperwein Die Botschaft deines Körpers: Die Sprache der Organe, mvg Verlag, 2004, ISBN 9783868822311
  • Kurt Tepperwein Was Dir Deine Krankheit sagen will: Aktiviere die Heilkraft deiner Seele, mvg Verlag, 2005, ISBN 9783636070968
  • Ruediger Dahlke Krankheit als Symbol: Ein Handbuch der Psychosomatik. Symptome, Be-Deutung, Einlösung., C. Bertelsmann Verlag, 1996, ISBN 3570122654
  • Ursula Keicher Kinderkrankheiten: Alles, was wichtig ist, GRÄFE UND UNZER Verlag GmbH, 2016, ISBN 3833844566
  • Jörg Nase, Beate Nase Kinderkrankheiten: Das Standardwerk für Kinder von 0 bis 16 Jahren, GRÄFE UND UNZER Verlag GmbH, 2013, ISBN 9783833829093
  • Arne Schäffler Gesundheit heute: Krankheit - Diagnose - Therapie: das Handbuch, TRIAS, 2014, ISBN 9783830481164
  • Heiko Gärtner, Tobias Krüger Krankheiten auf einen Blick erkennen: Antlitz- und Körperdiagnose sowie weitere Techniken, um Menschen ganzheitlich zu erfassen, mvg Verlag, 2013, ISBN 3868824499
  • Jörg Braun, Jörg Braun Basislehrbuch Innere Medizin: kompakt-greifbar-verständlich, Urban & Fischer Verlag/Elsevier GmbH, 2017, ISBN 3437411152
  • Frank H. Netter Netter's Innere Medizin, Thieme Verlagsgruppe, 2000, ISBN 3131239611
  • Hans Vogl Differentialdiagnose der medizinisch-klinischen Symptome. Lexikon der klinischen Krankheitszeichen und Befunde., UTB, 1994, ISBN 3825280667
  • Stefan Gesenhues, Anne Gesenhues, Birgitta Weltermann Praxisleitfaden Allgemeinmedizin: Mit Zugang zur Medizinwelt (Klinikleitfaden), Urban & Fischer Verlag/Elsevier GmbH, 2017, ISBN 3437224476
  • Gerd Herold Innere Medizin 2019, 2018, ISBN 398146608X
  • Gerd Herold Innere Medizin 2020, 2019, ISBN 3981466098
  • Edouard Battegay Differenzialdiagnose Innerer Krankheiten: Vom Symptom zur Diagnose, Thieme, 2017, ISBN 3133448218
  • Verena Corazza, Renate Daimler, Renate Daimler, Krista Federspiel, Vera Herbst, Kurt Langbein, Hans-Peter Martin, Hans Weiss Kursbuch Gesundheit: Gesundheit und Wohlbefinden. Symptome und Beschwerden. Krankheiten. Untersuchung und Behandlung, Kiepenheuer&Witsch, 2006, ISBN 3462035932
  • Malte Ludwig Repetitorium für die Facharztprüfung Innere Medizin: Mit Zugang zur Medizinwelt, Urban & Fischer Verlag/Elsevier GmbH, 2017, ISBN 3437233165
  • Thorwald Dethlefsen, Ruediger Dahlke Krankheit als Weg: Deutung und Bedeutung der Krankheitsbilder, Bassermann Verlag, 2008, ISBN 3809423777

Unsere Artikel werden auf Grundlage fundierter wissenschaftlicher Quellen sowie dem zum Zeitpunkt der Erstellung aktuellsten Forschungsstand verfasst und regelmäßig von Experten geprüft. Wie wir arbeiten und unsere Artikel aktuell halten, beschreiben wir ausführlich auf dieser Seite.