Situationen und Probleme, mit denen Geschwister behinderter und kranker Kinder zu kämpfen haben

Geschwister von behinderten oder chronisch kranken Kindern haben es nicht immer leicht. So stehen sie zahlreichen Problemen gegenüber. So wird ihnen oft eine sehr große Verantwortung mit zahlreichen Aufgaben übertragen. Häufig haben sie mit Gefühlen der Vernachlässigung zu kämpfen. Eltern dürfen nicht vergessen, wie wichtig Aufmerksamkeit auch für den gesunden Nachwuchs ist, und welche Bedürfnisse dieser hat, die es zu erfüllen gilt. Lesen Sie über Situationen und Probleme, mit denen Geschwister behinderter und kranker Kinder zu kämpfen haben.

Von Jens Hirseland

"Hauptsache gesund", das ist ein häufiger Leitsatz für Eltern vor der Geburt ihres Nachwuchses. Wenn dann doch ein krankes Kind zur Welt kommt, ist die Sorge oft groß und es wird alles daran gesetzt, ihm trotzdem einen möglichst guten Start ins Leben zu bieten.

Geschwister leiden mit

Die Beziehung unter Geschwistern zählt zu denjenigen Bindungen, die im Leben am längsten von Dauer sind. Leiden jedoch Bruder oder Schwester unter einer Behinderung oder einer chronischen Krankheit, kann dies zu problematischen Situationen führen.

Was dabei oft in Vergessenheit gerät, ist dass die Geschwister von chronisch erkrankten oder behinderten Kindern oft ähnlich belastet sind wie die Eltern. Sie

  • müssen oft damit zurecht kommen, nicht im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen und
  • entwickeln früh Gefühle wie Mitleid und Verständnis.

Manche zeigen sie sich nach außen stark und vernünftig und übernehmen sogar schnell eine Mitverantwortung für das kranke Geschwisterkind. Doch nicht immer funktioniert das auf Dauer.

Probleme der gesunden Geschwister

Ältere Geschwister haben grundsätzlich das Problem, dass sie von ihren Eltern oft aufgefordert werden, sich gegenüber den jüngeren Geschwistern vorbildlich zu verhalten. So sollen sie vernünftig sein und keinen Unsinn machen, weil sie ja schließlich älter sind.

Noch schwieriger wird die Situation, wenn eines der Geschwister eine Behinderung aufweist oder unter einer chronischen Krankheit leidet. In diesem Fall ist von dem gesunden Bruder oder der gesunden Schwester noch mehr

  • Vernunft
  • Selbstständigkeit und
  • Rücksicht

erforderlich, als in einer normalen Geschwisterbeziehung.

Zu wenig Aufmerksamkeit

Nicht selten fühlen sich die gesunden Kinder jedoch innerhalb der Familie beiseite geschoben. Mitunter führen die großen Belastungen auch zu sozialen oder schulischen Problemen.

Besonders schwierig für sie ist, dass die Tage aufgrund der Behinderung oder Erkrankung stets gut organisiert werden müssen. So finden häufig regelmäßige Arztbesuche oder medizinische Behandlungen statt. Für die Bedürfnisse der gesunden Kinder bleibt dann meist nur wenig Zeit.

Einige von ihnen tun sich schwer, Freunde zu finden. Das kann daran liegen, dass sie sich für den behinderten Bruder oder die behinderte Schwester schämen und deshalb keine gleichaltrigen Kinder nach Hause einladen wollen. Manchmal dient dieses Verhalten aber auch zum Schutz der kranken Geschwister, damit diese nicht verspottet werden.

Sozialer Rückzug

Etwa 2,5 bis 4 Millionen Kinder in Deutschland haben einen schwer kranken Bruder bzw. eine betroffene Schwester. Während die von ihnen einen offensichtlich rebellieren und Aufmerksamkeit einfordern, treten viele auch den sozialen Rückzug an. Manche leiden unter Schulversagen oder entwickeln Depressionen.

So entwickeln 22 Prozent der Geschwisterkinder bestimmte Auffälligkeiten oder psychische Störungen.

Benachteiligung und Unsicherheiten

Ein weiteres Problem für die gesunden Geschwister ist, dass keine normale Rivalität wegen des Handicaps möglich ist. Nicht selten stellen sich die Eltern stets schützend vor das behinderte Kind und lassen ihm mehr durchgehen als dem gesunden Kind, wodurch sich dieses natürlich benachteiligt fühlt. Häufig führt das auch dazu, dass sich die gesunden Kinder anpassen und sich zurückhalten, um auf diese Weise die Gunst der Eltern zu erringen.

Ist das kranke Kind älter und wird von den jüngeren Geschwistern in seiner Entwicklung überholt, führt dies ebenfalls oft zu Irritationen. Nicht selten fühlen sich die gesunden Kinder dann schuldig und können sich über ihre guten Leistungen nicht richtig freuen.

Gefühl der Vernachlässigung

Das größte Problem besteht jedoch darin, dass sich die gesunden Kinder von den Eltern vernachlässigt oder sogar ungeliebt fühlen und ihnen ihre Sorgen und Bedürfnisse nicht mitteilen können. Bei manchen Kindern hat dies ein schwieriges Verhalten zur Folge.

Eltern sind gefordert

Um auch dem gesunden Kind eine positive Entwicklung zu ermöglichen, müssen sich die Eltern auch ihm genügend widmen und mit ihm sprechen. Auf diese Weise entsteht mehr Verständnis und Loyalität. Den meisten ist schon dann geholfen, wenn sie sich nicht allein gelassen fühlen und immer ein offenes Ohr finden.

Dabei sollte auch die Behinderung des erkrankten Kindes angesprochen werden, denn das Schweigen der Eltern führt bei den gesunden Geschwistern zu Verunsicherung. So haben sie oft Angst davor, selbst krank oder behindert zu werden. Am besten begegnet man solchen Bedenken mit Offenheit.

Keinesfalls dürfen sich die gesunden Kinder an den Rand gedrängt oder aus der Familie ausgeschlossen fühlen, da sie sich dann mehr und mehr zurückziehen. So ist es wichtig, dass sie trotz der schwierigen Situation in der Familie, ein eigenständiges Leben führen können.