Wissenswertes zur Schmerzentstehung und Schmerzleitung

Jeder Mensch leidet von Zeit zu Zeit unter Schmerzen. Doch wie entsteht der Schmerz überhaupt?

Von Jens Hirseland

Bei Schmerzen handelt es sich um Sinneswahrnehmungen, die als unangenehm empfunden werden. Dennoch sind sie durchaus nützlich, weil sie ein Warnsignal darstellen. Aber wie kommt es zur Entstehung von Schmerzen?

Schmerzentstehung

Die Entstehung des Schmerzes erfolgt in speziellen Schmerzrezeptoren, die man als Nozizeptoren bezeichnet. Damit gemeint sind zumeist freie Nervenendigungen. Diese reagieren auf unterschiedliche Reize wie

Ablauf der Schmerzentstehung

Kommt es zu einer Verletzung des Körpergewebes, führt dies zu einer Freisetzung von

  • Protonen
  • Adenosintriphosphat (ATP)
  • Arachidonsäure
  • Kalium-Ionen und
  • Sauerstoffradikalen.

In den Endothelzellen und den eingewanderten Leukozyten wird das Enzym Cyclooxygenase exprimiert. Infolgedessen erfolgt die Umwandlung der Arachidonsäure in Prostaglandin E2.

Die Arachidonsäure wird zuvor aus den Zellmembranen der betroffenen Körperzellen freigesetzt. Außerdem kommt es zur Umwandlung von Kininen, die aus dem verletzten Endothel stammen, in Bradykinin.

Von den Mastzellen wird der Inhalt ihrer Granula freigesetzt. Dabei handelt es sich unter anderem um Histamin. Darüber hinaus erweitern sich die Blutgefäße, wofür Entzündungsmediatoren wie Serotonin und Bradykinin verantwortlich sind.

Dies führt zur Bildung eines örtlichen Ödems, wodurch die Leukozyten leichter in das geschädigte Gewebe vordringen können.

Bemerkbar macht sich dies durch einen geröteten Kern mit Quaddelbildung. Im zentralen Nervensystem (ZNS) bewirken die Zytokine TNF, IL-1 und IL-6 die Entstehung von Fieber.

Nozizeptoren

Sämtliche Schmerzmediatoren bewirken über bestimmte Rezeptoren, dass auch die Nozizeptoren erregt werden. Diese sind für das Weiterleiten des Schmerzes verantwortlich.

Die Erregung der Nozizeptoren hat einen neurogenen Reflex zur Folge. So schütten die Nozizeptoren den Nervenwachstumsfaktor (NGF) sowie das Neuropeptid CGRP (Calcitonin Gene-Related Peptide) aus.

Dies führt zu einer Selbstsensibilisierung der Nozizeptoren, die außerdem benachbarte schlafende Schmerzrezeptoren erregen. Dadurch wird der Schmerzreiz verstärkt. Außerdem tritt eine neurogene Entzündung ein.

Der Nervenwachstumsfaktor regt die Nervenfasern zum Aussprossen an, die anschließend in das angrenzende Gewebe einwachsen. Zusammen mit dem Aufwachen der Schmerzrezeptoren kommt es daher zu einer Schmerzempfindlichkeit des Gewebes, das an die Schädigung grenzt.

Um die Schmerzrezeptoren zu erregen, ist ein relativ starker Reiz erforderlich. Dabei führt das Andauern des Reizes nicht zu einer Reduktion der Erregbarkeit.

Bestimmte Stoffe, die man als Schmerzmediatoren bezeichnet, erhöhen die Aktivierbarkeit der Schmerzrezeptoren.

Zu den Schmerzmediatoren gezählt werden vor allem

  • Bradykinine
  • Prostaglandine und
  • Serotonin.

Aber auch

  • Sauerstoffmangel im Gewebe
  • eine erhöhte Elektrolytkonzentration im Blut oder
  • das Absinken des pH-Wertes

können eine erhöhte Erregbarkeit bewirken.

Schmerzgedächtnis

Schmerzen sind oftmals Begleiterscheinungen von Krankheiten oder Verletzungen. In manchen Fällen können sie jedoch als Schmerzsyndrom zu einem eigenständigen Krankheitsbild werden. Hält der Schmerz mehrere Monate an, spricht man von chronischen Schmerzen, die nur schwer zu behandeln sind. Mitunter lässt sich auch gar keine Ursache für den anhaltenden Schmerz finden.

Der menschliche Körper ist imstande, Schmerzzustände zu erlernen und sich zu merken, was man auch als Schmerzgedächtnis bezeichnet. Treten die Schmerzen immer wieder auf, führt dies zu einem längeren und intensiveren Schmerzempfinden.

Dabei sinkt die Schmerzschwelle zunehmend ab. Aus diesem Grund sollten Schmerzen frühzeitig mit entsprechenden Schmerzmitteln behandelt werden.

Schmerzleitung

Die Weiterleitung der Schmerzinformationen erfolgt über die Nervenfasern. Diese lassen sich in A-Delta-Fasern und C-Fasern einteilen. Die A-Delta-Fasern sind schnelle Fasern, während die C-Fasern die Informationen langsamer weiterleiten.

Dass die C-Fasern eine geringere Nervenleitungsgeschwindigkeit erreichen, liegt daran, dass sie nicht über eine isolierte Myelinscheide verfügen. Außerdem sind sie aus entwicklungsgeschichtlicher Sicht älter.

Im Rückenmark erfolgen Reflexverschaltungen, die zu einer fluchtartigen Bewegung führen. Dabei ist der Schmerz noch nicht erkannt worden. Über den Vorderseitenstrang (Tractus spinothalamicus) werden andererseits die Informationen zum Gehirn weitergeleitet. Dort findet im Kortex (Hirnrinde) eine bewusste Bewertung des Schmerzes statt, während das limbische System eine emotionale Bewertung vornimmt.

Im Rahmen der Verschaltung innerhalb des Rückenmarks ist es möglich, dass das Schmerzempfinden durch körpereigene Stoffe wie Endorphine herabgesetzt wird. An dieser Stelle setzen auch bestimmte Schmerzmittel wie Opiate an.

Bei der bewussten Wahrnehmung von Schmerzen handelt es sich um einen Lernprozess. So befinden sich im Gyrus postcentralis, der Teil des Kortex ist, zuständige Areale für sämtliche Hautabschnitte. Dabei sorgen Erfahrungen, wie zum Beispiel ein schmerzhafter Stich in einen Finger, für ein entsprechendes Schmerzbewusstsein.

Schmerzmodulierung

Schmerzen werden subjektiv wahrgenommen. Diese Wahrnehmung erfolgt jedoch nicht allein durch neuronale Signale an das Gehirn. So bewirken bestimmte Filterprozesse des zentralen Nervensystems, dass Schädigungen des Körpers nicht immer durch Schmerzen registriert werden. Das heißt, dass die Betroffenen manche Verletzungen, wie zum Beispiel

zunächst gar nicht bemerken. Auf der anderen Seite können dagegen auch Schmerzen auftreten, obwohl überhaupt keine Schädigung des Körpers vorliegt. Dabei handelt es sich beispielsweise um Phantomschmerzen. Darüber hinaus hängt die subjektive Wahrnehmung von Schmerzen immer auch von kognitiven Einflüssen ab.

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