Ataxie - Ursachen und Behandlung

Die Bezeichnung Ataxie entstammt dem altgriechischen Begriff "Ataxia" und bedeutet "Unordnung". Gemeint ist damit eine Störung der Bewegungskoordination. Bemerkbar macht sich die Ataxie durch Bewegungen, die überschüssig sind und unkontrolliert ablaufen. Zeigt sich die Bewegungsstörung ausschließlich auf einer Seite des Körpers, liegt eine sogenannte Hemiataxie vor. Die Ataxie kann genetisch bedingt bereits ab der Geburt auftreten oder erst im späteren Lebensverlauf erworben werden, meist infolge einer Störung der Kleinhirnfunktion. Mehr über die Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten einer Ataxie lesen Sie hier.

Von Jens Hirseland
Klassifikation nach ICD-10: R27
ICD-10 ist ein weltweit verwendetes Klassifikationssystem für medizinische Diagnosen. Der sogenannte ICD-Code ist zum Beispiel auf einem ärztlichen Attest zu finden.

Ataxie-Formen

Genetisch bedingte Ataxien

Die genetisch bedingten Ataxien können einen autosomal-dominanten Erbgang haben, wie die

  • ADCA,

oder einen autosomal-rezessiven Erbgang, wie die

  • EOCA,
  • AVED (Ataxie mit primärem Vitamin-E-Mangel),
  • Morbus Wilson,
  • die Friedreich-Ataxie (FRDA) oder
  • das Louis-Bar-Syndom, auch Ataxia teleangietatica genannt.

Erworbene Ataxien

  • Alkoholtoxische Ataxie
  • Idiopathische Ataxie ohne bekannte Ursache
  • Ataxie bei einer Schilddrüsenunterfunktion
  • Paraneoplastische Ataxie

Ataxien durch Störungen des Nervensystems

Ataxien, die durch das periphere Nervensystem (PNS) verursacht werden:

Ataxien benannt nach dem betroffenen Abschnitt des zentralen Nervensystems (ZNS):

  • Spinale Ataxie
  • Zerebelläre Ataxie

Ataxien nach betroffenem Bewegungsablauf

Weiterhin können Ataxien nach den betroffenen Bewegungsabläufen bezeichnet werden:

  • Gangataxie
  • Standataxie
  • Rumpfataxie
  • Zeigeataxie
  • Gliedmaßenataxie
  • optische Ataxie

Ursachen einer genetisch bedingten Ataxie

Die Ataxie kann Folge mehrerer Erkrankungen sein, die durch genetische Vererbung entstehen. Dabei wird zwischen einer autosomal-dominanten, autosomal-rezessiven oder X-chromosomalen Vererbung differenziert.

Autosomal-dominante Ataxien

Um eine autosomal-dominante Ataxie handelt es sich zumeist, wenn die Bewegungsstörung zuvor bereits bei einem Elternteil auftrat. Dazu zählen in erster Linie:

  • die episodische Ataxie (EA)
  • die dentato-rubrale-pallido-luysische Atrophie (DRPLA)
  • spinozerebelläre Ataxien (SCA)

Autosomal-rezessive Ataxien

Zeigen sich vor einem Alter von 25 Jahren erste Symptome, ohne dass die Eltern, wohl aber andere Geschwister ebenfalls betroffen sind, besteht oftmals eine autosomal-rezessive Ataxie. Es gibt ungefähr 30 Erkrankungen dieser Art, die eine Ataxie hervorrufen. Zu den häufigsten Vertretern gehört die Friedreich-Ataxie, die mit Diabetes und Herzbeschwerden einhergeht.

  • Friedreich-Ataxie
  • Ataxien mit Polymeras-y-Mutationen (POLG)
  • Akanthozytose (Abetaliproteinämie)
  • AVED
  • Ataxie-Teleangiektasie (AT)
  • AOA1 und AOA2 (Ataxie mit okulomotorischer Apraxie von Typ 1 bzw. Typ 2)

X-chromosomale Ataxien

Entsteht die Ataxie durch Fehler auf dem X-Chromosom, ist eine X-chromosomale Erbkrankheit dafür verantwortlich. Sie tritt vorwiegend bei Männern auf, weil in deren Erbgut lediglich ein X-Chromosom vorhanden ist. Häufig kommt eine Ataxie beim Fragilen X-Syndrom vor.

Ursachen einer erworbenen Ataxie

Eine Ataxie kann auch im Laufe des Lebens erworben werden. In den meisten Fällen geschieht dies durch Störungen der Kleinhirnfunktion. Das menschliche Kleinhirn erfüllt die Aufgabe, zu planen und zu koordinieren. Des Weiteren nimmt es die Feinabstimmung vor. Treten Blutungen oder Durchblutungsstörungen innerhalb des Kleinhirns auf, drohen Funktionsstörungen, die ihrerseits dauerhafte Bewegungsstörungen auslösen.

Eine Schädigung des Kleinhirns sowie des Rückenmarks kann auch im Rahmen einer Multiplen Sklerose (MS) vorkommen. Seltener zeigt sich eine Ataxie dagegen bei einer Multisystematrophie.

Manchmal wird das Kleinhirn auch durch Entzündungen in Mitleidenschaft gezogen, was wiederum zu einer Ataxie führt. Am häufigsten sind Erkrankungen wie Herpes Zoster, Borreliose, Syphilis, das Epstein-Barr-Virus oder AIDS dafür verantwortlich.

Ebenfalls zu den Auslösern einer Ataxie gehören Hirntumore oder Metastasen am Kleinhirn sowie fehlerhafte Regulationen des Immunsystems.

Eine weitere mögliche Ursache der Ataxie stellt der chronische Konsum von Alkohol dar. Besteht außerdem eine mangelhafte Ernährung, droht eine alkoholisch bedingte Degeneration des Kleinhirns.

Mitunter ist auch die Einnahme von bestimmten Medikamenten wie Aminoglykosid-Antibiotika, Benzodiazepinen oder Antiepileptika für das Entstehen einer Ataxie verantwortlich, was insbesondere bei einer Überdosierung dieser Medikamente gilt.

Gelegentlich wird sie auch durch Blei- bzw. Pestizidvergiftungen oder Vitamin-E- bzw. Vitamin-B12-Mangel ausgelöst.

Merkmale und Beschwerden einer Ataxie

Die Ataxie stellt ein Symptom dar, dass bei verschiedenen neurologischen Erkrankungen auftritt. Bemerkbar machen kann sie sich durch folgende Beschwerden:

  • Motorische Störungen wie Probleme beim Schreiben
  • Breitbeiniger Gang, der mit unregelmäßigen Schritten erfolgt und taumelnd ist
  • Dysdiadochokinese, bei der der Patient abwechselnde Bewegungen nicht mehr reibungslos ausführen kann
  • Sprachstörungen, bei denen der Betroffene abgehackt spricht
  • Störungen der Augenbewegungen
  • Zittern an den Händen, wenn Bewegungen vorgenommen werden sollen

Zeigen sich diese Beschwerden ganz plötzlich, besteht das Risiko eines Schlaganfalls. In diesem Fall ist umgehend ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Diagnose einer Ataxie

Bei Verdacht auf eine Ataxie empfiehlt sich der Besuch bei einem Neurologen. Dieser stellt dem Patienten zunächst eine Reihe von Fragen, um der Ursache der Beschwerden auf die Spur zu kommen. Anschließend nimmt der Mediziner eine körperliche Untersuchung vor, in deren Rahmen er die wichtigsten Funktionen von Nerven, Gehirn und Rückenmark kontrolliert. Dabei überprüft er die Reflexe des Patienten und durchleuchtet dessen Augen.

Oftmals werden bei Verdacht auf eine Ataxie noch weitere Untersuchungen durchgeführt:

  • Blutuntersuchungen zur Überprüfung von Infektionen
  • Elektroneurografie (ENG)
  • Entnahme von Nervenwasser (Liquor)
  • Molekularbiologische Verfahren bei Verdacht auf eine vererbte Ataxie
  • Magnetresonanztomographie (MRT) zur Schädeluntersuchung

Behandlung einer Ataxie

Die Therapie einer Ataxie gilt als schwierig. So stehen nur wenige Behandlungsmethoden zur Verfügung, die tatsächlich wirksam sind. Von Bedeutung für die Therapie ist auch die Ursache der Bewegungsstörung. So kann bei einigen Ataxien eine Physiotherapie hilfreich sein, in deren Verlauf der Patient Übungen durchführt, die sich positiv auf seine Koordinationsfähigkeiten auswirken. Diese Übungen lassen sich auch in den eigenen vier Wänden vornehmen.

Wurde die Ataxie durch chronischen Alkoholkonsum verursacht, muss der Patient konsequent auf Alkohol verzichten. Außerdem erhält er eine spezielle Gabe von Vitaminen. Besteht ein Mangel an Vitamin E, nimmt der Erkrankte verstärkt Vitamin E ein, um die Mangelerscheinung zu beheben. Um gegen eine Akanthozytose vorzugehen, wird ein deutlicher Abbau von Körperfett empfohlen. Im Falle von episodischen Ataxien gilt mitunter die Gabe von Medikamenten wie Acetazolamid, 4-Aminopyridin oder Carbamazepin als hilfreich.

Neben der Ataxie müssen häufig auch weitere Begleiterscheinungen wie Schmerzen, Muskelkrämpfe oder Inkontinenz behandelt werden.

Was man selbst tun kann

In vielen Ataxie-Fällen gilt das regelmäßige Durchführen von krankengymnastischen Übungen als sinnvoll, um die Beschwerden zu lindern. Daher sollten diese Übungen konsequent erfolgen.

Mitunter kann auch der Austausch mit anderen Patienten erleichternd sein. Dabei wird über die Beschwerden sowie die Auswirkungen auf den Alltag gesprochen.

Trotz der Ataxie ist es grundsätzlich wichtig, sich nicht aus seinem gewohnten Umfeld zurückzuziehen, sondern weiterhin am sozialen Leben teilzunehmen. Dazu ist der offene Austausch mit Freunden und Bekannten wichtig.

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