Kunstradfahren - Disziplinen, Voraussetzungen und Merkmale der Kunsträder
Das Kunstradfahren beschreibt einen Rad- und Ästhetiksport in der Halle auf speziell angefertigten Rädern. Auch beim Kunstradfahren gibt es ein strenges Regelwerk und unterschiedliche, ganz klar voneinander abgehobene Disziplinen. Das internationale Regelwerk unterliegt einer Definition der UCI, des Weltradverbands und wird auch von den nationalen Radsportverbänden befolgt. Lesen Sie alles Wissenswerte zum Kunstradfahren.
Kunstradfahren - Merkmale und Disziplinen
Das Kunstradfahren beschreibt einen Radsport mit ästhetischem Charakter. Auf einem speziell angefertigten Hallenrad, welches man auch als Saalmaschine bezeichnet, werden dabei diverse Küren aufgeführt.
Dabei handelt es sich um einen Leistungssport, der den Athleten einiges abverlangt. Gefordert werden beispielsweise
- schnelle Reaktionen
- eine graziöse Körperhaltung
- Dehnfähigkeit
- mentale Stärke
- Kraft
- Kondition und
- Gleichgewichtsgefühl.
Geht es um eine Kür im Team, sind entsprechend Teamgeist, Synchronität und Genauigkeit von großer Wichtigkeit.
Bestenfalls steigt man in einem Alter zwischen fünf und Sieben Jahren in diesen Sport ein. Das Grundlagentraining mit Schulung der Koordination sollte zwischen sechs und zwölf Jahren im Vordergrund stehen.
Die nachfolgenden Schwerpunkte legt man auf
- Kondition
- Technik
- Verbesserung von Koordination und Beweglichkeit
- Krafttraining
- Spezialisierung auf Einer-/Zweier-Kunstradfahren
Üblich ist ein Trainingsaufwand von vier Einheiten à zwei bis drei Stunden pro Woche.
Nach dem Grundlagentraining sollte im Alter zwischen 15 und 16 Jahren das Leistungstraining beginnen. Hierbei geht es um
- mentales Training
- gezieltes Ausdauer- und KRafttraining sowie
- komplexes Techniktraining.
Vier bis fünf Trainingseinheiten mit drei bis vier Stunden Training in der Woche sind üblich. Mit zunehmendem Alter steigt die Anzahl an Wettbewerben; der Trainingsaufwand wird dann noch mal erhöht.
Die Disziplinen:
- Einer-Kunstradfahren
- Zweier-Kunstradfahren
- Vierer-Kunstradfahren
- Sechser-Kunstradfahren
- Vierer-Einradfahren
- Sechser-Einradfahren
Einer-Kunstradfahren Männer / Frauen
Zum Einer-Kunstradfahren wird ein Spezialrad benutzt, auf dem verschiedene Übungen gezeigt werden. In einer Kür müssen 30 Übungen innerhalb von 5 Minuten gefahren sein. Dabei gibt es die unterschiedlichsten Elemente, von den einfachen Grundformen bis hin zu
- komplexen Übergangsformen
- Sprüngen
- Hocken und
- Ständen.
Zweier-Kunstradfahren Frauen / Offene Klasse
Das Zweier-Kunstradfahren wird in einer zweiteiligen Kür gefahren. Zuerst zeigen zwei SportlerInnen auf zwei Rädern Kunststücke, die teils mit Griffverbindung, teils synchron gefahren werden.
Diese Elemente sind aus dem Einzelfahren übernommen. Im zweiten Teil der Kür fahren beide Athleten gemeinsam und gleichzeitig auf nur einem Rad. Das Zweier-Kunstradfahren wird bei bestimmten Wettbewerben auch von gemischten Teams gezeigt.
Vierer-Kunstradfahren Männer / Frauen und Sechser-Kunstradfahren Männer / Frauen
In der Vierer- und Sechser-Formation fährt jeder Athlet auf einem eigenen Kunstrad. Dabei müssen die einzelnen Figuren möglichst synchron gefahren werden. Turnerische Elemente sind hier eher eine Seltenheit. In den höher qualifizierten Wettbewerben umfasst eine 5minütige Kür hier bis zu 25 Übungen.
Vierer-Einradfahren Männer / Frauen und Sechser-Einradfahren Männer / Frauen
Das Regelwerk beim Vierer- und Sechser-Einradfahren ist vergleichbar mit dem des Vierer- und Sechser-Kunstradfahrens. Jedoch wird hier als Sportgerät ein Einrad genutzt.
Die Regeln
- Die Fahrfläche bei offiziellen Wettkämpfen misst 14 mal 11 Meter und ist aus Linodur oder Holz.
- Seitenlinien dürfen nicht be- oder überfahren werden.
- Auf dem Hallenboden sind Kreise und andere Begrenzungen einheitlich markiert, die nach bestimmten Regeln umfahren werden müssen.
Eine Kür beim Kunstradfahren setzt sich aus verschiedenen vorgeschriebenen Übungen zusammen, die regelkonform kombiniert werden können. Durch die vergebene Punktzahl ergibt sich der Schwierigkeitsgrad der Kür.
Die Kür muss vorab eingereicht und entsprechend gefahren werden, dies wird von der Jury überwacht. Bei der Kür sind reglementierte Abfolgen Pflicht, die Dauer beträgt exakt 5 Minuten.
Punktabzüge werden verhängt, wenn
- die Übungen nicht korrekt oder lange genug gezeigt werden
- die Zeit über- oder unterschritten wird oder
- die Reihenfolge geändert wird.
Weitere Abzüge gibt es für
- die unsaubere oder unsichere Ausführung
- die Überfahrung der Begrenzung
- einen Abgang vom Rad oder
- sonstige Bodenberührung.
Merkmale und Besonderheiten der Kunsträder
Das Kunstradfahren ist eine ganz eigene und ernsthafte Disziplin des Radsports. Im Sprachgebrauch wird es gelegentlich fälschlicherweise mit dem BMX-Radfahren gleichgesetzt, dies ist tatsächlich aber nicht der Fall.
Besondere Merkmale:
- Spezielle Reifen
- 1:1 Übersetzung
- Rückwärtslauf
- Standflächen
- abgerundete Holme
- Griffe geschlossen
Kunstradfahren wird auf speziellen Fahrrädern praktiziert, die auf den ersten Blick wie ein herkömmliches Rad aussehen, sich davon jedoch in vielen entscheidenden Punkten unterscheiden. Kunsträder für den Wettkampfbereich sind meist sehr hochwertige Maßanfertigungen, die individuell auf den jeweiligen Sportler angepasst werden.
Handanfertigung mit großer Haftungssicherheit
Im Leistungssport wird das Kunstrad häufig auch als Kunstfahrmaschine bezeichnet. Jede Kunstfahrmaschine ist handgefertigt. Der Rahmen, die Größe und die Abmessungen sind individuell auf den Fahrer abgestimmt.
Kunstradmaschinen sind mit ganz speziellen Reifen versehen, die für eine sichere Bodenhaftung sorgen. So kann auf einer glatten Fläche, wie sie Hallenböden oder Holzparkette aufweisen, mit großer Haftungssicherheit gefahren werden.
Sicheres Bremsen und schnelles Anfahren
Ebenfalls besonders am Kunstrad ist die fixe 1:1-Übersetzung. Sie ermöglicht dem Fahrer ein sicheres Bremsen und ein schnelles Anfahren. Zudem ist der Rückwärtslauf ermöglicht, so dass auf dem Kunstrad auch rückwärts gefahren werden kann.
Besonderheiten des Lenker- und Sattelbaus
Sowohl auf dem Lenker als auch auf dem Sattel finden sich Standflächen und eine Oberflächenbeschaffenheit, die sich für das Betreten mit Gymnastikschuhen eignet. Abgerundete Holme und geschlossene Griffe sorgen für mehr Sicherheit.
Zwar ist jedes Kunstrad eine individuelle Maßanfertigung, doch ist verbindlich vorgeschrieben, dass der Sattel industriell gefertigt werden muss. Länge und Breite sind innerhalb eines bestimmten Rahmens definiert.
Für die Straße nicht geeignet
Ein Kunstrad ist ein individuell nach den Bedürfnissen des Sportlers angefertigtes Sportgerät. Straßentauglich und verkehrssicher gemäß den Vorschriften der Straßenverkehrsordnung sind Kunsträder nicht, deshalb dürfen sie auch nicht auf der Straße gefahren werden.
Kein Kunstradfahrer jedoch würde dies freiwillig tun, denn eine Fahrt auf der Straße würde große Schäden am feinen und empfindlichen Kunstrad verursachen.
Die Kleidung des Kunstradfahrers
Auch die Kleidung des Kunstradfahrers ist häufig eine Maßanfertigung. Getragen werden
- Gymnastikschuhe
- Leggings und
- ein Trikot.
In den Einzeldisziplinen wird das Design des Outfits häufig an dem des Rades orientiert, so dass ein harmonisches Gesamtbild entsteht. In der Mannschaftswertung sind alle Mannschaftsmitglieder identisch gekleidet und verfügen im Idealfall auch über optisch identische Räder.
Die Geschichte des Kunstradfahrens
Das Kunstradfahren ist eine Disziplin mit langer Tradition. Da es heute nicht mehr zu den publikumswirksamen Sparten des Radsports zählt, meinen viele, es sei komplett von der Bildfläche verschwunden. Doch dies ist ein Irrtum: Nach wie vor erfreut sich das Kunstradfahren einer lebendigen und eigenständigen Szene. Informationen zur Geschichte und Entwicklung des Kunstradfahrens finden Sie hier.
Beinhaltet: Die Vereinigung von Sportpädagogik, Sportphysik und Sportpsychologie.
Kunstradfahren in den USA
Die ersten bekannten Kunstradfahrer stammten aus den USA. Nicholas Edward Kaufmann und John Featherly waren bereits um 1900 aktiv im Kunstradfahren. Genau genommen waren sie die ersten Kunstradprofis, denn sie verdienten sich mit dem Kunstradfahren ihren Lebensunterhalt.
Zu dieser Zeit ging es beim Kunstradfahren tatsächlich direkt um das Beherrschen des Sportgerätes und das Fahren auf bestimmten Strecken oder Untergründen. Von diesen Anfängen aus hat sich das Kunstradfahren jedoch immer mehr dahingehend entwickelt, dass der Technik eine immer höhere Bedeutung beikommt. Der heutige Leistungssport bezieht
- sowohl Sportpädagogik
- als auch Sportphysik
- und Sportpsychologie
mit ein.
Kunstradfahren in Deutschland
Auch in Deutschland wurde das Kunstradfahren sehr früh etabliert. Schon 1884 wurde der Bund Deutscher Radfahrer gegründet. Später, zu DDR-Zeiten, galt von 1946 bis 1957 die Sektion Radsport des Deutschen Sportausschusses als zuständig für die Radsportarten.
Sie wurde später vom Deutschen Radsport-Verband der DDR (DRSV) abgelöst. In den 90er Jahren vereinigten sich die beiden Verbände zum Bund Deutscher Radfahrer.
In Chemnitz wurde im Jahr 1896 der Rad- und Kraftfahrerbund Solidarität RKB gegründet, damals noch unter dem Namen Arbeiter-Radfahrerbund Solidarität. Mit dieser Namensgebung wurde in besonderem Maße die ideelle Zugehörigkeit zur Arbeiterbewegung demonstriert.
Kunstradfahren in Frankreich und in der Schweiz
Der weltweite Dachverband des Radsports, die UCI (Union Cycliste Internationale) wurde ebenso bereits im Jahr 1900 in Paris gegründet, sein Sitz jedoch befindet sich im schweizerischen Aigle. Etliche verschiedene Radsport Verbände sind auch aus der Schweiz bekannt, sie operieren heute jedoch alle unter dem Dachbegriff Swiss Cycling und agieren gemeinsam.
Kunstradfahren in Österreich
Österreich bildet eine Ausnahme: Hier zählt der Kunstradsport zum Auto-, Motor- und Radfahrerbund Österreich (ARBÖ). Dessen Gründung erfolgte 1899 als Dachverband der Arbeiter-Radfahrer-Vereine in Österreich. Im Laufe der Zeit hat sich der ARBÖ zu einer Serviceorganisation für seine Mitglieder weiter entwickelt.
Im Wettkampfgeschehen ist das Kunstradfahren keine Olympische Disziplin. Jedoch war es 1989 in Karlsruhe einmalig bei den World Games vertreten.