Zivildienst - Funktion, Geschichte und Lage in Deutschland

Der Zivildienst stellt die am häufigsten wahrgenommene Form des Wehrersatzdienstes dar. Wer den Dienst an der Waffe mit seinem Gewissen nicht vereinbaren kann, dem steht nach eingehender Prüfung frei, einen Ersatzdienst abzuleisten. In Deutschland wurde der Zivildienst zum 1. Juli 2011 mit Aussetzung der Wehrpflicht abgeschafft; stattdessen wurde der Bundesfreiwilligendienst eingeführt. Lesen Sie alles Wissenswerte zum Zivildienst.

Von Sibylle Fünfstück

Zivildienst - Generelle Merkmale

Beim Zivildienst handelt es sich um einen Wehrersatzdienst oder auch um eine Wehrdienstverweigerung. Aus Gewissensgründen wird der Wehrdienst mit Waffe abgelehnt.

Am 1. Juli 2011 kam es in Deutschland zur Aussetzung des Wehrdienstes. Ab Oktober des Jahres zuvor rief man Zivildienstleistende nur noch bei eigenem Wunsch ein.

Die letzten Verhältnisse im Zivildienst endeten Ende 2011. Ersatzweise wurde der Bundesfreiwilligendienst (BFD) eingeführt. Hier erhalten Sie detailliertere Infos zu diesem Dienst.

Funktion und Ablauf

Über die Zulassung zum Zivildienst entschied das Bundesamt für Zivildienst auf schriftlichen Antrag. Wenn die Beweggründe des Antragstellers für die Kriegsdienstverweigerung angebracht waren, konnte er einen Ersatzdienst an einer zugelassenen Beschäftigungsstelle antreten. Die Altersgrenze für die Heranziehung zum Zivildienst lag letztlich bei 23 Jahren.

Bewerbungen und Arbeitsmöglichkeiten

Zunächst mussten sich Zivildienstleistende für eine Zivildienststelle bewerben. Vorrangig handelte es sich um soziale Einrichtungen und Einrichtungen des Umweltschutzes.

Die Einrichtungen für die Ableistung des Zivildienstes mussten vom Bundesamt anerkannt sein. Zu den sozialen Bereichen gehörten vor allem

Die Aufgaben dort umfassten die Pflege und Betreuung von hilfsbedürftigen Menschen. In Einrichtung des Umweltschutzes umfassten die Aufgaben die Pflege von Landschaftsschutz- oder Naturschutzgebieten. Ferner waren Tätigkeiten im Versorgungswesen und technischen und handwerklichen Bereich möglich.

Die Zivildienststelle musste innerhalb von zwei Monaten nach Eintreffen der Vorankündigung der Heranziehung aufgefunden werden. Konnte bis zur Heranziehung keine Beschäftigung bei einer Zivildienststelle vereinbart werden, teilte das Bundesamt den Zivildienstleistenden einer Einrichtung zu.

Altenheime

Ein zentraler Einsatzbereich für Zivildienstleistende waren zunächst einmal Altenheime. Hier ging es dann zumeist um die Betreuung der Mitbewohner.

Daneben stellten Altenheime Zivildienstleistende aber auch häufig als Hausmeister ein, so dass sich nicht direkt mit den Bewohnern beschäftigt, sondern lediglich für Instandhaltung des Gebäudes gesorgt wurde. Dabei wurden jedoch Zivildienstleistende nur bis zu einem bestimmten Grad mit Pflegeaufgaben betraut.

Altenpfleger in hellblauen Kasacks schieben zwei Senioren im Rollstuhl durch einen Altenheimflur
Altenpfleger in hellblauen Kasacks schieben zwei Senioren im Rollstuhl durch einen Altenheimflur
Rettungsdienste
Erste Hilfe - Rettungsteam trägt Patient auf Trage in den Krankenwagen
Erste Hilfe - Rettungsteam trägt Patient auf Trage in den Krankenwagen

Ein weiterer wichtiger Arbeitsbereich für Zivildienstleistende waren die diversen Rettungsdienste in Deutschland. Sollte man als Fahrer einer solchen Organisation arbeiten, dann wurde stets nur der Behindertenfahrdienst übernommen.

Beim Rettungsdienst waren Zivildienstleistende hingegen nur als Beifahrer und damit als Helfer zugelassen. Darüber hinaus konnten Wehrpflichtige bei Fahrdiensten noch für die Instandhaltung des Fuhrparks oder bei der Verwaltung tätig werden.

Behindertenbetreuung

Ein mindestens ebenso breites Arbeitsfeld stellte die Behindertenbetreuung dar, welche es Zivildienstleistenden erlaubte, vielfältig tätig zu werden. So konnte beispielsweise bei Formen des betreuten Wohnens mitgewirkt werden.

Gleichzeitig war es aber auch denkbar, dass man direkt in einer Behindertenwerkstatt mit schwerbehinderten Menschen arbeitete, welche ständig Pflege und Zuwendung benötigten. Viele Organisationen der Behindertenbetreuung verfügten zudem über einen kleinen internen Fahrdienst, welcher ebenso von Ersatzdienstleistenden übernommen werden konnte.

Naturschutz

Im Laufe des letzten Jahrzehnts konnte sich zudem noch ein weiterer breiter Einsatzbereich etablieren, welcher nun keineswegs mehr eine Ausnahme darstellte. Hierbei handelte es sich um den Bereich des Naturschutzes.

Die Arbeiten reichten in diesem Zusammenhang von der direkten Arbeit in der Natur, indem beispielsweise Wälder gepflegt wurden, bis hin zur Öffentlichkeitsarbeit oder Verwaltung einer Umweltorganisation.

Insgesamt gab es noch unzählige weitere Einsatzbereiche für Zivildienstleistende. Wichtig war es stets nur, dass die Arbeit dem Wohl der Allgemeinheit diente und als Dienststelle durch den Staat anerkannt wurde. Zivildienstleistende hatten demnach ein breites Angebotsfeld, aus welchem jeder die für sich passende Arbeit finden konnte.

Entlohnung und Dauer

Der Zivildienst dauerte 9 Monate. Zivildienstleistende waren sozial abgesichert und erhielten für ihre Arbeit einen Lohn.

Der Sold lag je nach Soldgruppe zwischen 7,41 Euro und 8,95 Euro pro Tag. Zusätzlich wurde Weihnachtsgeld und ein derzeitiges Entlassungsgeld von 690,24 Euro ausgezahlt. Für den Fall, dass eine Zivildienststelle nicht für die Verpflegung sorgen konnte, wurde ein Verpflegungsgeld an den Zivildienstleistenden gezahlt.

Es gab keine einheitlichen Regelungen für die Arbeitszeiten eines Zivildienstleistenden, daher konnten sie auch im Nachtdienst eingesetzt werden. Die Höchstarbeitszeiten und Arbeitspausen unterlagen dem Arbeitsgesetz.

Zivildienstleistende habtten Anspruch auf Urlaub, der bei 20 Werktagen lag. In bestimmten Fällen konnte Sonderurlaub beantragt werden.

Die Geschichte des Zivildienstes in Deutschland

Der Zivildienst ist nun ein Teil der deutschen Geschichte. So wurden ab dem Jahre 2012 selbst keine freiwilligen Zivildienstleistenden mehr angenommen, wodurch es zum Ende einer Ära kommt. Doch wie verlief überhaupt die Geschichte des Zivildienstes in Deutschland?

1949: Das Verbot, zum Dienst an der Waffe zu zwingen

Die Grundlage für das Aufkommen des späteren Zivildienstes bildet eine 1949 in Kraft getretene Bestimmung im Grundgesetz, nach welcher kein Bürger gegen seinen Willen zum Dienst an der Waffe gezwungen werden darf.

1956: Einführung der allgemeinen Wehrpflicht

Dieser Artikel wird spätestens 1956 relevant. Nun wird in Deutschland nämlich die allgemeine Wehrpflicht eingeführt.

In den Anfangsjahren ist es allerdings nicht klar, wie mit den Verweigerern umgegangen werden soll. Schließlich haben diese aufgrund des Grundgesetzes das Recht, den Dienst an der Waffe abzulehnen. Gleichzeitig kollidiert diese Regelung jedoch auch mit der neu erlassenen Wehrpflicht, welche jeden männlichen Heranwachsenden für den Dienst beim Bund vorsieht.

1960: Gesetz über den zivilen Ersatzdienst

Wirklich gelöst werden kann dieses Problem erst vier Jahre später. So wird im Jahre 1960 das Gesetz über den zivilen Ersatzdienst erlassen. Dieses sieht vor, dass Wehrpflichtigen nun die praktische Möglichkeit gegeben wird, einen Ersatzdienst zu leisten und somit trotzdem der Wehrpflicht gerecht zu werden.

Bereits damals wurde festgelegt, dass dieser Ersatzdienst lediglich in Einrichtungen abgeleistet werden kann, welche dem öffentlichen Wohl dienen. Zu Beginn dieser neuen Regelung gibt es allerdings noch eine Vielzahl von Problemen. So ist für die Ablehnung des Wehrdienstes ein Verweigerungsschreiben nötig, welches die Entscheidung des Wehrpflichtigen ausreichend und überzeugend darlegt.

Eben diesem Kriterium wurden zahlreiche Bescheide nicht gerecht, weshalb es trotzdem zum Einzug vieler Wehrpflichtiger kam, welche eigentlich den Zivildienst vorgezogen hätten. Darüber hinaus genoss der Zivildienst in der Anfangszeit auch keinen guten Ruf. So wurden Zivildienstleistende häufig als Drückeberger deklariert, welche ihrem Land nicht dienen und lediglich Arbeit umgehen wollen.

All diese Probleme entschärften sich im Laufe der Jahrzehnte. Spätestens Mitte der 90er Jahre war der Zivildienst dann eine öffentlich akzeptierte Alternative zum Militärdienst. Darüber hinaus wurden von da an auch die Dienstzeiten immer weiter reduziert und an den Dienst an der Waffe angepasst. Nach der Jahrtausendwende mussten Zivildienstleistende letztlich nur noch mit einer gesamten Dienstzeit von neun bzw. sechs Monaten rechnen, welche gleichzeitig auch jener des Militärdienstes entsprach.

Der Zivildienst in anderen Ländern

Der Zivildienst ist keineswegs nur eine Institution, welche in Deutschland etabliert werden konnte. Stattdessen gibt es diese Form der Ersatzdienstleistung auch in vielen anderen Ländern. Doch was zeichnet den Zivildienst in anderen Ländern aus und wo sind Unterschiede und Gemeinsamkeiten mit dem deutschen System zu erkennen?

Unterschiede in der Zivildienstdauer

Zunächst einmal lassen sich Unterschiede und Gemeinsamkeiten hinsichtlich der Dauer des Zivildienstes erkennen. Deutschland war mit zuletzt 6 Monaten das Land mit der kürzesten Dienstzeit.

Über einen ähnlich überschaubaren Zeitraum müssen lediglich die Heranwachsenden in Österreich dienen. So gilt in Österreich eine Dauer von 9 Monaten, was dem vorherigen deutschen Standard entspricht. Die Finnen und Griechen müssen dagegen schon um die 15 Monate dienen, wobei die genaue Dauer des Dienstes von weiteren Faktoren abhängt.

Am längsten müssen sich schließlich russische Zivildienstleistende um das Gemeinwohl ihres Landes kümmern. So beträgt der Zivildienst hier ganze 21 Monate.

Generelle Unterschiede zwischen den einzelnen Systemen

Darüber hinaus kann es in diesem Zusammenhang noch Sinn machen, die einzelnen Systeme einmal näher zu untersuchen. Der österreichische Zivildienst ähnelt zunächst einmal stark dem deutschen.

Möglich wurde das Ganze allerdings erst 15 Jahre später, da entsprechende Gesetze erst im Jahre 1975 erlassen wurden. Alternativ zum neunmonatigen Zivildienst haben österreichische Männer allerdings noch die Möglichkeit, einen einjährigen Auslandsdienst zu absolvieren.

Die Schweiz ist in Sachen Zivildienst noch ein relativer Neuling. So gibt es diese Alternative erst seit etwa 20 Jahren. Zuvor büßten Militärdienstverweigerer in der Schweiz regelmäßig Haftstrafen ab, was die Schweiz auch international in die Kritik brachte.

In Italien, wo der Zivildienst ebenso wie in Deutschland ein Dienst für die Gesellschaft ist, hatten Zivildienstleistende noch bis vor zwei Jahrzehnten mit vielen Problemen zu kämpfen. Wehrdienstverweigerer wurden oft nur unter strengen Kontrollen zugelassen und mussten zudem fast doppelt so lange dienen. 2005 kam es dann allerdings zu einer großen Reform, welche den Wehrdienst ganz abschaffte und unter anderem durch einen freiwilligen Zivildienst über ein Jahr ersetzte.

In Russland müssen die Zivildienstleistenden schließlich fast doppelt solange wie normale Wehrpflichtige dienen. Darüber hinaus ist der russische Ersatzdienst für seine schlechten Arbeitsbedingungen bekannt, weshalb sich russische Männer vergleichsweise selten dazu entscheiden, den Dienst an der Waffe zu verweigern.

  • Marcel Klemm Handbuch Zivildienst - Alles für den angehenden Zivi: Kriegsdienstverweigerung, Zivildienst, alternative Dienste und 1000 Tipps, Interconnections, 2007, ISBN 3860401343
  • Hans-Theo Brecht Kriegsdienstverweigerung und Zivildienst. Kriegsdienstverweigerungsgesetz, Zivildienstgesetz, Beck Juristischer Verlag, 2004, ISBN 3406516742

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