Kanner-Syndrom - Der frühkindliche Autismus

Als Kanner-Syndrom wird der frühkindliche Autismus bezeichnet. Es gilt als tiefgreifende Entwicklungsstörung, die sich vor dem dritten Lebensjahr zeigt. Kommunikation, Sprachverhalten, Wahrnehmung und Verhalten können von dieser Störung beeinflusst werden. Biologische und auch genetische Gründe spielen in der Ursachenforschung eine Rolle. Informieren Sie sich über das Krankheitsbild des Kanner-Syndroms.

Von Jens Hirseland

Das Kanner-Syndrom ist eine Form von Autismus und wird auch als frühkindlicher Autismus, infantiler Autismus oder Kanner-Autismus bezeichnet. Dabei handelt es sich um eine schwerwiegende Entwicklungsstörung, die vor dem dritten Lebensjahr eintritt.

Erstmals beschrieben wurde das so genannte Kanner-Syndrom von dem österreichischen Kinder- und Jugendpsychiater Leo Kanner (1896-1981). Durch seine Arbeit als Psychiater machte Kanner zahlreiche Beobachtungen zu jener Krankheit, die man heute unter dem Namen Autismus kennt, wobei er sich vor allem mit dem frühkindlichen Autismus beschäftigte. Im Jahr 1943 stellte der Psychiater bei elf Kindern erstmals frühkindlichen Autismus fest.

Die wichtigsten Merkmale dieser tiefgreifenden Entwicklungsstörung sind

Allerdings kann der frühkindliche Autismus von Fall zu Fall unterschiedlich ausgeprägt sein, das heißt, die Verhaltensweisen und Auswirkungen sind meist individuell verschieden. Während einige autistische Kinder sehr ernst, in sich versunken oder traurig wirken, sind andere wiederum heiter.

Symptome

Frühkindlicher Autismus zeigt sich durch verschiedene Merkmale.

Gestörte Sinneswahrnehmungen

So bestehen bei den betroffenen Kindern veränderte sensorische Wahrnehmungen bzw. Störungen in den fünf Sinnesbereichen. Das bedeutet, dass die Eindrücke in den Gehirnen der autistischen Kinder anders verarbeitet werden als dies bei normalen Menschen der Fall ist.

So ist die Wahrnehmung von Sinneseindrücken stark eingeschränkt. Daher werden oft nur Einzelheiten aufgenommen, die von den Autisten allerdings genauestens registriert werden. Sie können beispielsweise erkennen, wenn in einer Sammlung von hundert Stück ein einziges Stück fehlt.

Sprachstörungen

Eines der größten Probleme des Kanner-Syndroms ist, dass die betroffenen Kinder häufig nicht das Sprechen lernen, was bei etwa 50 Prozent der Fall ist. Bei den anderen 50 Prozent kommt es zu einer verzögerten Sprachentwicklung, sodass die Sprache auffällig bleibt. Daher ist die Sprache meist monoton und entweder sehr leise oder sehr laut.

Manchmal kommt es zu einer besonderen Betonung von Wörtern. Außerdem wird oft in langen Monologen gesprochen.

Des Weiteren wiederholen autistische Kinder bestimmte Wörter oder Sätze immer wieder oder erfinden neue Wörter. Sich selbst bezeichnen sie häufig mit "du" und Kommunikationspartner sprechen sie mit "ich" an.

Da autistische Kinder oftmals nicht in der Lage sind Ironie, Witze oder symbolische Bedeutungen zu verstehen, kann dies zu kommunikativen Problemen führen. Auch Gestik und Mimik sind beim Kanner-Syndrom beeinträchtigt.

Hilfreiche Maßahmen

Zur Schulung der Sinneswahrnehmung kann ein therapeutisches Malen und Zeichnen hilfreich sein: Schreiben dient als weiteres Kommunikationsmittel und kann häufig auch beim Abbau bestehender Ängste helfen.

Gestörtes Sozialverhalten

Ein weiteres Merkmal des Syndroms ist das gestörte Sozialverhalten der autistischen Kinder. So sind sie nicht in der Lage, soziale Situationen rasch zu erfassen, wodurch ihnen der Sinn von gemeinsamen Aktivitäten verborgen bleibt. Darüber hinaus können sie nicht erkennen, welches Verhalten man von ihnen erwartet und kapseln sich häufig von anderen Menschen ab.

Autistische Kinder zeigen auffällige Merkmale beim Spielen auf und heben sich dadurch von anderen Gleichaltrigen ab. Spielzeug nutzen sie meist immer auf die selbe und ganz spezielle Art und Weise. So drehen sie beispielsweise an Rädern oder sie zerreißen Papier. Mit für Kinder typischne Rollenspielen beschäftigen sie sich in der Regel nicht.

Veränderungsangst

Ebenfalls charakteristisch für das Kanner-Syndrom ist Veränderungsangst. So kann es zu heftigen Reaktionen kommen, wenn bestimmte Dinge verändert werden wie zum Beispiel die Möbel oder die Spielsachen. Mitunter kommt es dann zu Autoaggressionen oder stereotypen Körperbewegungen wie Klopfen, Hüpfen oder Schlagen, da sich die betroffenen Kinder durch die Veränderung bedroht fühlen.

Ständige Wiederholungen von Verhaltensweisen oder auch bestimmten Äußerungen sind an der Tagesordnung und werden nicht verändert. Gegenstände und Spielzeuge werden geordnet aufgestellt und mitunter uach exzessiv gesammelt.

Ursachen

Die Ursache für die Entstehung des Kanner-Syndroms ist bislang nicht bekannt. Man nimmt an, dass mehrere Faktoren wie zum Beispiel biologische oder genetische Gründe für das Syndrom infrage kommen.

Durch den frühkindlichen Autismus wird das Leben der Betroffenen erheblich beeinträchtigt. So sind Menschen, die unter dem Kanner-Syndrom leiden, häufig darauf angewiesen, dass man sie lebenslang und intensiv betreut.

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