Beatmung - Indikationen, Formen und Durchführung der künstlichen Beatmung

Mithilfe der Beatmung, auch künstliche Beatmung genannt, ist es möglich, den Patienten beim Atmen zu unterstützen oder die Atmung sogar zu ersetzen, wenn seine Spontanatmung ausfällt oder nicht mehr genügt, um die Funktionen des Körpers aufrechtzuerhalten. Während der Gehalt an Sauerstoff absinkt, steigt der Gehalt an Kohlenstoffdioxid im Organismus dagegen an. Zu unterscheiden ist zwischen der NIV-Beatmung (nichtinvasiven Beatmung) mithilfe einer Maske sowie der IV-Beatmung (invasive Beatmung), bei der ein Schlauch in die Luftröhre (Trachea) gelegt wird. Lesen Sie hier alles Wichtige rund um die künstliche Beatmung.

Von Jens Hirseland

Indikationen

Notwendig wird eine Beatmung, wenn der Patient nicht mehr über einen sicheren Atemweg verfügt oder sein Körper nicht mehr in der Lage ist, sich selbst mit Sauerstoff zu versorgen. Zu den wichtigsten Einsatzgebieten zählen:

Der Umfang der Beatmung erstreckt sich je nach Notwendigkeit von einigen Minuten bis hin zu mehreren Monaten. Im Falle einer Routinenarkose ist die Rückkehr zur Spontanatmung nicht weiter problematisch. Schwieriger gestaltet sich die Rückkehr zum normalen Atmen dagegen bei Intensivpatienten, die längere Zeit beatmet worden sind. So müssen die Betroffenen oft auch zuhause weiter beatmet werden.

Um den Verlauf der Therapie zu kontrollieren, gelangen Verfahren wie eine Blutgasanalyse, eine Kapnometrie sowie eine Pulsoximetrie zur Anwendung.

Formen der Beatmung

Mund-zu-Mund-Beatmung

Verwendet wird die Nasen-Mund-Beatmung, Mund-Nasen-Beatmung oder Mund-zu-Mund-Beatmung im Rahmen einer Wiederbelebung (Reanimation). Sie gelangt im Notfall bei einem Herz-Kreislauf-Stillstand oder Atemstillstand zur Anwendung und zählt zu den Basismaßnahmen von Rettungskräften. Sie wird außerdem bei Erste-Hilfe-Kursen für Laien, wie beispielsweise bei einer Zulassung für den Führschein, vermittelt.

Mund-zu-Mund-Beatmung

Masken-Beutel-Beatmung

Ebenfalls zu den Notfallmaßnahmen gehört die Masken-Beutel-Beatmung, auch Beutel-Masken-Beatmung genannt. Bei einer Wiederbelebung erhält der Patient durch sie Sauerstoff bis zum Anbringen eines endotrachealen Tubus.

Über Mund und Nase wird dem Betroffenen eine Maske angelegt. Das Fixieren der Maske erfolgt mit einem speziellen C-Griff. Der Sauerstoff gelangt über einen angeschlossenen Beutel durch Pressen in die Lunge des Patienten.

Masken-Beutel-Beatmung

Maschinelle Beatmung

Intensivmedizin und Anästhesiologie greifen als Standardverfahren auf spezielle Beatmungsgeräte zurück. Das bedeutet, dass das Atmen des Patienten von einer Maschine übernommen wird. Eine spezielle Norm gibt es dabei bislang nicht. Die Beatmungsverfahren reichen von einer assistierten Spontanatmung bis hin zur komplett kontrollierten Beatmung.

Maschinelle Beatmung

Weil bei den beatmeten Patienten die Gefahr besteht, dass ein Kollaps der Alveolen auftritt, wird ein positiv-endexspiratorischer Druck (PEEP) verwendet, um zum Ende des Atemzyklus die Lungenbläschen offenzuhalten. Verwendung findet der PEEP weiterhin bei einer Lungenentzündung, einem Lungenödem oder akutem Lungenversagen (ARDS).

In früheren Zeiten wurde die Eiserne Lunge häufig für eine maschinelle Beatmung eingesetzt. In der Gegenwart ist sie jedoch nicht mehr von Bedeutung.

Nichtinvasive Beatmung

Eine Alternative zur Intubation, die zur invasiven Beatmung zählt, bildet die nichtinvasive Beatmung. Dabei handelt es sich um eine automatische Beatmung mit einer Maschine durch Mund-Nasen-Masken, Beatmungshelme oder Gesichtsmasken.

Im Unterschied zur invasiven Beatmung wird bei diesen Verfahren auf die Anwendung von künstlichen Atemwegen wie einer Trachealkanüle oder eines Endotrachealtubus in Form von Schläuchen verzichtet. Ebenso kann das Sedieren weitgehend entfallen. Auf diese Weise wird versucht, Nachteile der invasiven Beatmung wie Infektionen entgegenzuwirken.

Anwendungsgebiete der nichtinvasiven Beatmung

  • Verschlechterung von COPD
  • Lungenödem
  • Asthma bronchiale
  • Lungenentzündung
  • akute hypoxämische respiratorische Insuffizienz nach einer Operation

Der Vorteil der nichtinvasiven Beatmung liegt darin, dass das Einführen eines Beatmungsschlauches in die Luftröhre vermieden werden kann. Dabei eignet sich das Verfahren auch zum Entwöhnen der invasiven Beatmung.

Einige Verfahren der nichtinvasiven Beatmung lassen sich außerdem für die Heimbeatmung verwenden. So wird die CPAP-Therapie zur Behandlung eines Schlafapnoe-Syndroms im weiteren Sinn der nichtinvasiven Beatmung zugerechnet. Allerdings gehört die CPAP-Therapie nicht zu den aktiven Unterstützungsmaßnahmen beim Einatmen, weil sie lediglich einen Überdruck passiv aufrechterhält.

Nicht geeignet ist die nichtinvasive Beatmung bei:

  • einer Verlegung der Atemwege
  • dem Fehlen der Spontanatmung
  • einem Darmverschluss
  • Blutungen in der Magen-Darm-Region
  • einem Koma, das nicht durch Hyperkapnie (erhöhter Kohlenstoffdioxidgehalt im Blut) bedingt ist

Durchführung einer künstlichen Beatmung

Im Unterschied zur gewöhnlichen Beatmung wird bei der künstlichen Beatmung der Sauerstoff durch Überdruck in die Lunge gepresst. Bei der invasiven Beatmung führt der Arzt einen Schlauch über den Mund oder die Nase in die Luftröhre ein. Bei der nichtinvasiven Beatmung gelangen wiederum spezielle Masken zum Einsatz. Es lässt sich zwischen verschiedenen Beatmungsformen unterscheiden.

Die kontrollierte Beatmung

Das Beatmen bei der kontrollierten Beatmung erfolgt durch einen Respirator (Beatmungsgerät). Das Ein- und Ausatmen des Patienten hat darauf keinen Einfluss. Muss für jeden Atemzug ein spezielles Volumen erzielt werden, kommt die VCV (volume-controlled ventilation) zum Einsatz. Beim Erreichen des angestrebten Atemvolumens beginnt die Ausatmung.

Die VCV-Beatmung wird ihrerseits in CPPV- und IPPV-Beatmung untergliedert. Bei der CPPV-Beatmung (continous-positive-pressure ventilation) bleibt der Lungendruck hoch, während er sich bei der IPPV-Beatmung (intermittend-pressure-controlled ventilation) verringert.

Eine Variante stellt die PCV-Beatmung (pressured-controlled ventilation) dar. Bei dieser Methode kommt es durch die Beatmungsmaschine in den Atemwegen sowie den Lungenbläschen zu einem speziellen Druck. Auf diese Weise lässt sich reichlich Sauerstoff aufnehmen. Die Ausatmung setzt ein, sowie der Druck die nötige Höhe erreicht hat.

Die assistierte Beatmung

Im Rahmen der assistierten Beatmung startet der Respirator den Atemvorgang erst beim eigenständigen Einatmen des Patienten. Mit dem selbstständigen Atmen setzt die Unterstützung des Beatmungsgeräts ein. Die Mediziner differenzieren dabei zwischen der VSV- und der PSV-Beatmung. Bei der VSV-Beatmung (volume support ventilation) misst man den Respirator-Auslöser über das Volumen, das eingeatmet wurde. Bei der PSV-Beatmung (pressure support ventilation) erfolgt dies durch das Messen des Drucks.

Die SIMV-Beatmung

Die SIMV-Beatmung (synchronisierte intermittierende mandatorische Ventilation) verbindet die kontrollierte Beatmung mit der assistierten Spontanatmung. Dabei wird der Patient vom Respirator unterstützt, der ihn durch das Atmen in Gang setzt. Es besteht zudem ein zuvor festgesetzter Abstand zwischen den Einatmungsintervallen. Wenn der Patient außerhalb dieser Intervalle atmet, kann er selbst ohne Hilfe Atemluft aufnehmen. Wenn keine Auslösung aufgrund der Eigenatmung einsetzt, übernimmt der Respirator selbst die Beatmung.

Die CPAP-Beatmung

Von einer CPAP-Beatmung sprechen die Mediziner, wenn die Spontanatmung Unterstützung durch einen beständigen PEEP-Überdruck (positive endexpiratory pressure) erhält. Atemfrequenz und Atemtiefe werden durch den Patienten selbst bestimmt. Der Überdruck sorgt für das Offenhalten der Lungenbläschen, sodass der Patient eine größere Menge an Sauerstoff aus der Luft bekommt und besser einatmen kann.

Zur Anwendung gelangt die CPAP-Beatmung in erster Linie im Falle von Atemstillständen beim Schlafen. Der PEEP-Druck bleibt nach dem Ausatmen in der Lunge. Bei einem zu niedrigen Druck verschließen sich die Lungenbläschen wieder.

Die HFO-Beatmung

HFO steht für Hochfrequenzbeatmung (high-frequency-oscillation ventilation). Diese Beatmungsmethode gilt als Sonderform und dient in erster Linie zur Therapie von Babys und Kindern. Die HFO-Beatmung erzeugt innerhalb der Luftwege Turbulenzen. Durch diesen Vorgang kommt es zu einer permanenten Vermischung der Atemluft innerhalb der Lunge, wodurch trotz des kleineren Beatmungsvolumens ein verbesserter Austausch von Gasen erzielt wird.

Mögliche Komplikationen durch eine künstliche Beatmung

Eine künstliche Beatmung kann mit verschiedenen Komplikationen einhergehen. Dazu gehören vor allem:

  • eine Lungenentzündung
  • Beeinträchtigungen der Lunge durch Druck
  • ein ansteigender Druck im Brustkorb
  • ein Anstieg des Gefäßwiderstands innerhalb der Lunge
  • ein Rückgang des venösen Rückstroms in Richtung Herz
  • Magenblähungen
  • ein gesteigerter Hirndruck
  • eine verminderte Durchblutung von Leber und Nieren
  • eine geringere Pumpleistung des Herzens

Durch das Begrenzen des Beatmungsdrucks sowie des Beatmungsvolumens lässt sich das Risiko für diese Schäden jedoch in Grenzen halten.

Nach einer Beatmung

Findet die Beatmung nur über einen kurzen Zeitraum statt, kommt es nur in seltenen Fällen zu Schwierigkeiten. Über eine längere Zeit kann allerdings eine Gewöhnung einsetzen, wodurch sich der eigene Antrieb zu atmen verringert.

Um das selbstständige Atmen wieder möglich zu machen, erfolgt eine sogenannte Entwöhnungsphase, in deren Verlauf sich das künstliche Beatmen durch die Maschine allmählich verringert. Gleichzeitig erfolgen die Stimulation des eigenen Atemantriebs sowie der schrittweise Aufbau der Muskeln.

Geschichtliche Entwicklung der künstlichen Beatmung

Schon zu Zeiten des antiken griechischen Arztes Hippokrates von Kos (um 460 bis um 370 v. Chr.) erfolgten erste Beschreibungen der Beatmung. Römische Ärzte sollen im 1. Jahrhundert v. Chr. bereits Tracheotomien durchgeführt haben.

Bis zur Anwendung von Röhrchen aus Metall zum Zweck der Intubation dauerte es bis ins Jahr 1763. Damit die Lunge einen Überdruck mit Sauerstoff erhielt, kamen Blasebalgs zur Anwendung.

1876 fand der Bau der ersten Eisernen Lunge statt, die bis ins 20. Jahrhundert einen wichtigen Bestandteil der Beatmungstherapie bildete. Die Patienten mussten sich in der Eisernen Lunge bis zum Hals einschließen lassen. In dem Raum, der den Thorax einschloss, kam es zum Entstehen von Unterdruck, wodurch Luft in die Lunge gelangte. Vor allem Patienten, die unter Kinderlähmung litten, wurden mit der Eisernen Lunge behandelt. Mit dieser Methode ließ sich die Beatmungstherapie auch in den eigenen vier Wänden sowie über eine längere Zeit vornehmen.

Mit der Laryngoskopie wurde im Jahr 1900 der Grundstein für die bis heute gängige endotracheale Intubation gelegt. Bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts gelangte die Rückendruck-Armzug-Methode zur Anwendung. Später wurden die ersten maschinellen Respiratoren konstruiert.

Seit den 80er Jahren gibt es Geräte für eine moderne Beatmung. Sie eignen sich auch für früh- oder neugeborene Kinder.