Ist Low-Carb wirklich schädlich für die Nieren? Die Kehrseite von Low-Carb-Diäten

Low-Carb ist und bleibt ein viel diskutierter Diät-Ansatz. Während die einen in der kohlenhydratarmen Ernährungsweise die beste und gesündeste Abnehmstrategie sehen, glauben andere, dass Low-Carb der direkte Weg zu Herzinfarkt und Gefäßerkrankungen sei. Die Wahrheit wird sich vermutlich wie so oft irgendwo in der Mitte bewegen. Eine neue Studie scheint jedoch Wasser auf den Mühlen der Low-Carb-Kritiker zu sein. Denn traut man den Ergebnissen, führt eine kohlenhydratarme Ernährung offenbar zu Nierenproblemen. Der Teufel steckt jedoch im Detail.

Von Andreas Hadel

Die Kehrseite von Low-Carb-Diäten

Eine Mischung aus wissenschaftlichen Erkenntnissen und cleverer Vermarktungsstrategien setzte eine Hysterie in Gang, die zuweilen groteske Züge annimmt. Mit den Kohlenhydraten wird genau jener Makronährstoff an den Pranger gestellt, der zu seiner Gefolgschaft Unmengen an Vitaminen und vielerlei Mineralien zählt.

Dass ein Verzicht auf Kohlenhydrate zum vergleichsweise schnelle Abbau von Körperfett führt, ist mittlerweile mehrfach belegt und gilt unter Medizinern, Sportwissenschaftlern und Ernährungsexperten gleichermaßen als Konsens. Dennoch darf das nicht über die potentiellen Gefahren von Low-Carb-Diäten hinwegtäuschen.

Warum Kohlenhydrate so verteufelt werden

Das Fundament der Anti-Kohlenhydrat-Bewegung beruht auf der Erkenntnis, dass Kohlenhydrate zu der vermehrten Ausschüttung von Insulin führen. Insulin hat als anabol wirkendes Hormon die Eigenschaft, Nährstoffe in unser Körpergewebe einzubauen. Darunter fällt natürlich auch die Aufgabe, unsere Fettdepots, wann immer möglich, aufzustocken.

Und genau das wurde den Kohlenhydraten zum Verhängnis, denn die Anhänger von Atkins und Co. tragen die Botschaft in die Welt, dass der Verzicht von Kohlenhydraten die Fetteinlagerung behindert. Manche Vertreter der Low-Carb-Idee lassen sich sogar zu der Aussage hinreißen, dass der Fettaufbau dadurch gänzlich verhindert werden könne.

Tatsache ist jedoch, dass Kohlenhydrate nur dann als Bauchspeck oder Hüftgold enden, wenn von Ihnen zu viel konsumiert wird. Dies trifft aber genauso auf die anderen beiden Makronährstoffe, nämlich Eiweiße und Fetten, zu.

Zu wenige Ballaststoffe auf dem Speiseplan

Eines der Hauptprobleme von Diäten, die die Kohlenhydratzufuhr extrem reduzieren, ist die dadurch entstehende zu niedrige Aufnahme an Ballaststoffen. Wer sich auf den Anti-Carb-Pfad begeben möchte, muss daher sicher stellen, dass die wenigen Kohlenhydrate, die er aufnehmen darf oder will, wenigstens in Begleitung mit Ballaststoffen in den Rachen wandern.

Bohnen und Brokkoli sind nur zwei von vielen pflanzlichen Vertretern, die eine überschaubare Menge an Kohlenhydraten in sich tragen, aber eben auch einen soliden Anteil an Ballaststoffen haben. Ernährungsexperten empfehlen, jeden Tag zirka 25 mg an Ballaststoffen zu sich zu nehmen. Wie neuere Studien andeuten, kann ein dauerhafter Mangel davon zu einem erhöhten Darmkrebsrisiko führen und andere Erkrankungen des Verdauungssystems begünstigen.

Übermäßiger Fleischverzehr

Ein weiterer Nachteil entsteht durch den verstärkten Verzehr von Fleischprodukten und Fetten, der automatisch entsteht, wenn die Zufuhr an Kohlenhydraten extrem eingeschränkt wird. Nicht selten verwechseln Diätiker den Low-Carb-Ansatz mit einem Frei-Ticket für exzessiven Fleischkonsum.

Auf Grund der Abwesenheit von Kohlenhydraten, so der Irrglaube, kann ohnehin kein Fett eingelagert werden. Obwohl in dieser Annahme ein Funken Wahrheit steckt, wird auch ein Überschuss an Fett- und Eiweißkalorien, wie von Mutter Natur vorgesehen, in unsere Notfallspeicher eingebaut.

Cholesterinwerte steigen an

Hinzu kommt, dass bei einige Low-Carb'ler bei der Zubereitung von Fleischgerichten nicht gerade gesundheitsbewusst vorgehen. Was nutzt mir ein Abbau von überschüssigen Pfunden, wenn ich mir dafür Cholesterinwerte einhandele, die jenseits von Gut und Böse stehen.

Ein diabolischer Pakt ist es auch in der Hinsicht von Purinen, welche die Entstehung von Gicht begünstigen. Am besten fahren Sie mit einer kohlenhydratreduzierten Diät, wenn Sie sie auf mageres Fleisch, Geflügel und Fisch aufbauen.

Low-Carb als Lebensstil

Sie dürfen das Low-Carb-Konzept auch nicht als eine Diät verstehen, die man nach erfolgreichem Gewichtsverlust wieder beenden kann. Low-Carb ist vielmehr ein Lebensstil, der auf einen langfristigen Wandel der Essgewohnheiten abzielt.

Wer sich jedoch nicht für den Rest des Lebens von Kartoffeln, Reis und Brot verabschieden will, läuft Gefahr, sich nach der Rückkehr zur "normalen" Ernährungsweise die Pfunde wieder anzuessen.

Wählen Sie daher eine Diät, die Ihren Lebensgewohnheiten am nächsten kommt und Ihnen dadurch zum dauerhaften Erfolg verhilft.

Studie: Ist Low-Carb wirklich schädlich für die Nieren?

Studienablauf

Die Studie wurde am Beth-Israel-Deaconess-Medical-Center im US-Bundesstaat Massachusetts durchgeführt. Dabei wurden Mäuse nach einem Futterplan gefüttert, der in seiner Zusammensetzung der Atkins-Diät nachempfunden sein sollte.

Die Mäusepopulation wurde in drei Gruppen eingeteilt:

  1. Die erste Gruppe erhielt normales Mäusefutter.

  2. Die Nager der zweiten Gruppe bekamen Futter, das als fettreich eingestuft wurde.

  3. Mäuse der dritten Gruppe wurden mit einer Zusammenstellung gefüttert, die reich an Fetten und zugleich arm an Kohlenhydraten war. Dies war die sogenannte Atkins-Gruppe.

Ergebnisse und Schlussfolgerung

Die Ergebnisse der Auswertung waren zunächst nicht weiter überraschend. Die Mäuse der dritten so genannten Atkins-Gruppe (viel Fett, wenig Kohlenhydrate) verzeichnete die geringste Zunahme an Körpergewicht während die Standard-Mäuseernährung zu den wenigsten Plaque-Ablagerungen im Blut führte.

Überraschend war jedoch, dass die Atkins-Mäuse weitaus höhere Plaque-Ablagerungen im Blut hatten, als die Tiere der zweiten Gruppe, die zwar fettreich gefüttert wurden, aber dazu auch Kohlenhydrate fraßen.

Die Forscher schlussfolgerten daraus, dass eine Atkins-ähnliche Diät schlecht für die Nieren sein müsse. Angesichts des andauernden Low-Carb-Hypes wurde dieser Meldung in der Medienwelt ausführlich Beachtung geschenkt, wodurch kohlenhydratarme Diäten ins Zwielicht gerieten. Und das ungerechtfertigt wie ein Blick auf das Protokoll der Studie zeigt.

Kritik

Die Forscher verabreichten den Mäusen der Atkins-Gruppe eine Futterzusammenstellung, die zu 45 Prozent aus Protein bestand. Dabei wurde Milchprotein (Casein) als einzige Proteinquelle genutzt.

Diese Zusammensetzung entspricht jedoch in keiner Weise den Empfehlungen der Atkins-Diät und kann auf Grund des im Milchprotein enthaltenen Milchzuckers auch nicht als kohlenhydratarm bezeichnet werden. Hinzu kommt, dass frühere Untersuchungen gezeigt haben, dass es bei Mäusen zu Nierenfunktionsstörungen kommt, wenn man ihnen viel Milchprotein verabreicht.

Die Aussagekraft dieser Studie tendiert demnach stark gegen Null und kann keineswegs als fundiertes Argument gegen eine kohlenhydratarme Ernährung herhalten.

Tatsächlich sollen Meta-Studien, also Studien, die die Ergebnisse mehrerer Studien auswerten, ergeben zu haben, dass wir weit weniger Kohlenhydrate brauchen, als es die Standard-Empfehlung unterschiedlicher Gesundheitseinrichtungen vorgibt.

Fazit

Wie das Beispiel der Mäusestudie zeigt, gibt es derzeit noch viele Ungereimtheiten, um sich eindeutig für oder gegen Kohlenhydrate auszusprechen. Wie Eingangs schon erwähnt, wird die Wahrheit, wie so oft, irgendwo in der Mitte liegen.