Wie Medikamente die Psyche verändern: Antidepressiva und L-Dopa verändern moralische Haltung

SSRI-Antidepressiva könnten eventuell infrage kommen, um Menschen mit sozialen Störungen zu helfen

Von Cornelia Scherpe
9. Juli 2015

Medikamente kommen meist mit einer ganzen Liste an möglichen Nebenwirkungen, mit denen Patienten rechnen müssen. Dabei geht es allerdings vor allen Dingen um unerwünschte Effekte, die den Körper betreffen. Bei Medikamenten, die künstliche Hormone enthalten, oder als Neurotransmitter direkt auf das Gehirn einwirken, sind aber auch psychische Veränderungen möglich. Eine aktuelle Studie belegt das für SSRI-Antidepressiva und für L-Dopa.

SSRI-Antidepressiva und L-Dopa

SSRI-Antidepressiva gehören zu den Serotonin-Wiederaufnahmehemmern und sollen bei depressiven Phasen helfen. Die Wirkstoffe verhindern, dass das Hormon Serotonin in zu großen Mengen aus der Gewebeflüssigkeit verschwindet. Der Wert im Gehirn wird durch die Einnahme der Mittel also insgesamt erhöht.

L-Dopa dagegen kommt zum Einsatz, wenn ein Mensch an Morbus Parkinson leidet. Durch den Wirkstoff werden die motorischen Störungen zumindest teilweise beseitigt. SSRI-Antidepressiva und L-Dopa haben laut der aktuellen Studie die Gemeinsamkeit, dass sie das moralische Bewerten einer Situation beim Menschen verändern können.

Klassischer Strom-Versuch

Für die Untersuchung griffen die Forscher auf einen klassischen Versuch zurück: Gesunde Menschen bekamen über eine Elektrode leichte Stromschläge am Handgelenk. Die Stärke wurde schrittweise erhöht, bis die Teilnehmer selbst angaben, dass es schmerzhaft wurde.

Nun bot man den Teilnehmern Geld, wenn sie weitere Stromstöße akzeptieren. In einem zweiten Durchlauf galt das Geldangebot, wenn die Probanden ihr Einverständnis geben, dass Fremde im Nachbarzimmer den Stromschlag bekommen. Die meisten Menschen haben dabei eine höhere Schwelle, anderen Schmerzen zu bereiten und akzeptieren die Stromschläge bei sich selbst eher.

Auswirkung auf die moralische Bewertung

Die Probanden erhielten im ersten Durchlauf ein SSRI-Antidepressivum oder ein Placebo. Im zweiten Lauf war es L-Dopa oder ein Placebo. Im Vergleich zur Kontrollgruppe stieg die Hemmschwelle unter dem Antidepressivum.

Stromschläge am eigenen Leib wurden erst ab 60 Pence akzeptiert, statt ab 35 Pence in der Placebogruppe. Für Schmerzen an Fremden stieg der Preis sogar von 44 Pence auf 73 Pence. Unter L-Dopa jedoch sank die Hemmschwelle und das umso weiter, je höher die verabreichte Dosis war.

Die Forscher sehen das als klares Zeichen dafür, dass sich die Medikamente auf das moralische Bewerten auswirken. Daher kommen SSRI-Antidepressiva eventuell infrage, um Menschen mit sozialen Störungen zu helfen.