Amöbenruhr - Übertragung, Symptome und Therapie

Die Amöbenruhr ist eine Darminfektionskrankheit, verursacht durch die Parasitenart Entamoeba histolytica. Hauptübertragungsweg ist verunreinigtes Trinkwasser. Die Amöbenruhr tritt weltweit relativ häufig auf, inbesondere in Ländern mit schlechten hygienischen Bedingungen. Die Infektion äußert sich nur in etwa zehn Prozent der Fälle durch Beschwerden wie blutigem Durchfall und kann selten auch zu einem sogenannten Amöbenabszess in der Leber führen. Wie sich eine Amöbenruhr äußert und behandeln lässt, und die Gefahr für eine Übertragung besonders hoch ist, lesen Sie in diesem Artikel.

Von Jens Hirseland
Klassifikation nach ICD-10: A06
ICD-10 ist ein weltweit verwendetes Klassifikationssystem für medizinische Diagnosen. Der sogenannte ICD-Code ist zum Beispiel auf einem ärztlichen Attest zu finden.

Bei der Amöbenruhr handelt es sich um eine Infektionskrankheit. Mediziner bezeichnen sie auch als Amöbiasis. Hervorgerufen wird die tropische Erkrankung durch den Parasiten Entamoeba histolytica. Dieser zeigt sich in erster Linie in Darm und Leber.

Häufigkeit

Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zufolge erkranken jedes Jahr ungefähr 50 Millionen Menschen auf der ganzen Welt an der Amöbenruhr. Besonders häufig tritt die Infektionskrankheit in tropischen und subtropischen Entwicklungsländern auf. Dazu gehören insbesondere Küstenregionen und Hafenstädte, in denen schlechte hygienische Bedingungen vorherrschen. Besonders betroffen von der Amöbenruhr sind die afrikanische Westküste, die nordbrasilianische Küste sowie Slums in Bangladesch und Indien. Auch in südostasiatischen Feuchtregionen ist die Krankheit verbreitet.

Ohne eine entsprechende Behandlung besteht das Risiko, dass die auslösenden Amöben bis zu den lebenswichtigen Körperorganen vordringen und im schlimmsten Fall sogar den Tod des Patienten zur Folge haben. Lebensbedrohliche Ausmaße nimmt die Tropenkrankheit aber nur an, wenn die Amöben den Darm über den Blutkreislauf verlassen und weitere Organe befallen. Meist liegt in den schweren Krankheitsverläufen bereits eine Schwächung des Immunsystems vor.

An den Folgen der Amöbenruhr versterben pro Jahr ca. 70.000 bis 100.000 Erkrankte. Doch bricht die Amöbiasis nicht automatisch bei jedem Infizierten aus. Bei rund 90 Prozent aller Betroffenen zeigen sich nie Symptome der Krankheit. Allerdings können sie durch das Ausscheiden der Parasiten über den Stuhl andere Personen anstecken.

Ursachen der Amöbenruhr

Amöben gehören zu den Parasiten und zählen zur Gruppe der Einzeller (Protozoen). Verantwortlich für das Entstehen der Amöbenruhr ist der Einzeller Entamoeba histolytica. Obwohl auch andere Amöben den Menschen befallen können, handelt es sich bei Entamoeba histolytica um den einzigen Erreger dieser Art, der bei Menschen Krankheiten verursachen kann.

Übertragung der Amöben

Die Übertragung der Amöbenruhr findet durch die Amöbenzysten statt. Gemeint sind damit Überdauerungsstadien in Kugelform. Sie gelten als überaus robust und verstärken das Risiko einer Übertragung. Außerhalb des Darms trocknen sie allmählich aus. Nahrung wird von ihnen nicht benötigt.

Verzehrt der Mensch Amöbenzysten, können diese sich innerhalb des Darms zu Amöben entwickeln und sich anschließend vermehren. Gelangen die Amöben in den menschlichen Darm, bilden sie sich zu Zysten aus. Über den Stuhl werden sie mit dem Kot wieder aus dem Körper ausgeschieden. Es besteht aber auch die Möglichkeit, dass sie die Darmwand attackieren.

Nimmt ein anderer Mensch die ausgeschiedenen Amöben in sich auf, was zumeist durch das Trinkwasser geschieht, beginnt der Kreislauf erneut.

Von infizierten Personen werden ständig Amöbenzysten ausgeschieden. Breiten sich die Zysten auf das Trinkwasser oder rohe Lebensmittel aus, besteht erhöhte Infektionsgefahr. Zu den häufigsten Übertragungswegen zählen:

  • Infiziertes Wasser oder Getränke
  • Salat
  • Obst
  • Rohes Gemüse
  • Eis oder Eiswürfel

Die Amöbenzysten profitieren von einer feucht-dunklen Umgebung. Dort sind sie mehrere Wochen ohne Wasser überlebensfähig. Schon bei einer kurzen Reise in ein Risikogebiet besteht die Gefahr einer Infektion mit den Amöben. In Hochrisikogebieten liegt die Infektionsrate bei bis zu 50 Prozent der Bevölkerung.

Formen

Die Medizin differenziert zwischen zwei Formen der Amöbenruhr. Dies sind die intestinale sowie die extraintestinale Form.

Die intestinale Form ist als Amöbenruhr bekannt und bricht nach einer Inkubationszeit von 1 bis 7 Tagen aus.

Bei der extraintestinalen Form handelt es sich um einen Amöbenabszess der Leber. Dieser stellt mit einem Anteil von rund 90 Prozent die häufigste Komplikation der Amöbiasis dar und zeigt sich vor allem im rechten Leberlappen. Nicht immer wird der Amöbenabszess jedoch von einer Amöbenruhr ausgelöst. Zwischen Infektion und Ausbruch der extraintestinalen Form innerhalb der Leber können Monate oder sogar Jahre vergehen.

Symptome der Amöbenruhr

Bei den meisten Menschen, die mit den auslösenden Amöben infiziert sind, treten gar keine Beschwerden auf. Die Ärzte sprechen dann von einer Infestation.

Bei rund zehn Prozent aller Patienten kommt es zur intestinalen Form der Amöbiasis. Dabei dringen die Amöben in die Darmwand ein und siedeln sich dort an. Bei einem Prozent aller Erkrankten gelangen die Amöben über die Blutbahn noch weiter zu anderen Organen wie Leber oder Milz. Dort können sich dann Abszesse bilden, was wiederum Auswirkungen auf die Arbeit der betroffenen Organe hat und im schlimmsten Fall zum Tod des Erkrankten führt. In solchen Fällen handelt es sich um eine extraintestinale Amöbiasis.

Mit der intestinalen Amöbiasis ist die eigentliche Amöbenruhr gemeint. Ihr Beginn verläuft schleichend. Einige Wochen nach der Infektion zeigt sich bis zu acht Mal täglich teilweise blutiger Durchfall, der von Darmkrämpfen begleitet wird. Der Kot nimmt eine glasige oder schaumige Konsistenz an. Nicht selten wirkt er wie Himbergelee. Weitere Symptome können Verstopfung und starke druckartige Unterbauchschmerzen sein. In schweren Fällen zeigen sich außerdem Schüttelfrost, Fieber und die Einbuße von Gewicht.

Komplikationen

Kommt es zu einem Amöbenabszess in der Leber, bildet sich im Gewebe eine Entzündungshöhle, deren Inhalt aus Eiter besteht. Häufig leiden die betroffenen Personen unter Symptomen wie:

  • Vergrößerung der Leber
  • Fieber
  • Druckgefühle oder Schmerzen im rechten Oberbauch
  • Allgemeines Gefühl der Schwäche
  • Husten

Dagegen zeigen sich nur selten Magen-Darm-Probleme wie Übelkeit oder Bauchschmerzen.

Diagnose der Amöbenruhr

Bei Verdacht auf Amöbenruhr sollte umgehend der Hausarzt aufgesucht werden. Zur Diagnose der Amöbenruhr kann der Mediziner auf verschiedene Testverfahren zurückgreifen. Erster Schritt ist das direkte Gespräch zwischen Arzt und Patienten. In der Regel erkundigt sich der Arzt danach, ob sich der Patient zuletzt in tropischen Regionen aufhielt, er unter Durchfall leidet und ob dieser eine blutig-schleimige Konsistenz aufweist. Auch Auslandsreisen in tropische Gebiete, die schon einige Jahre zurückliegen, können von Interesse sein.

Stuhl- und Blutprobe

Um die Amöbenruhr jedoch tatsächlich nachweisen zu können, muss die Untersuchung einer Stuhl- und Blutprobe des Patienten erfolgen.

Die Stuhlprobe wird in einem Labor auf Antigene gegen Entamoebia histolytica analysiert. Unter speziellen Bedingungen lassen sich die verursachenden Amöben auch im Stuhl nachweisen, wozu es jedoch genügender Erfahrung bedarf. Gleichzeitig können mit der Stuhlprobe Infektionen durch andere Keime wie Campylobacter, Shigellen oder Salmonellen ausgeschlossen werden.

Mithilfe der Blutprobe ermittelt der Arzt die Entzündungswerte im Körper sowie Veränderungen im Elektrolythaushalt.

Zur Absicherung der Diagnose findet in Einzelfällen auch eine Koloskopie (Darmspiegelung) statt. Um einen Amöbenabszess auszuschließen, kann eine Sonographie (Ultraschalluntersuchung) des oberen Bauchbereichs vorgenommen werden. Liegt ein Amöbenabszess vor, lässt sich dieser außerdem durch eine Computertomographie (CT) feststellen.

Therapie der Amöbenruhr

Die Behandlung der Amöbenruhr richtet sich unter anderem danach, ob der Befall mit den Parasiten ohne Symptome abläuft oder bereits eine Schädigung der Darmwand vorliegt. Um Komplikationen zu vermeiden, ist grundsätzlich eine Therapie nötig.

Behandlung einer symptomfreien Infestation

Ergibt die Diagnose das Vorhandensein der Amöben, doch zeigt der Patient keine Beschwerden, wird in der Regel fünf Tage lang das Antibiotikum Paromycin verabreicht, das zu den Kontaktamöbiziden zählt. Der Organismus nimmt diese Substanz nicht auf und eliminiert die Krankheitserreger ausschließlich im Darm.

Behandlung einer intestinalen Amöbiasis

Leidet der Patient unter blutig-schleimigen Durchfällen, die auf einen Befall der Darmwand hinweisen, erhält er zusätzlich zu Paromycin das Antibiotikum Metronidazol, das ebenfalls die Amöben abtötet. Metronidazol gehört der Wirkstoffgruppe der Nitroimidazole an und kommt vor allem in Deutschland zum Einsatz. Dabei wird das antibiotische Medikament normalerweise 7 bis 10 Tage verabreicht.

Behandlung eines Amöbenabszesses

Metronidazol gelangt auch dann zur Anwendung, wenn ein Amöbenabzess vorliegt. Allerdings wird die Dosis deutlich erhöht.

Eine Punktion oder ein chirurgischer Eingriff erfolgt, wenn die Gefahr besteht, dass die Blase, die sich mit Eiter gefüllt hat, platzt.

Sofern eine frühzeitige Therapie des Amöbenabszess stattfindet, bessert er sich nach einigen Wochen wieder. In schweren Fällen kann allerdings vor der eigentlichen Behandlung zunächst eine Stabilisierung des Patienten sinnvoll sein.

Verliert ein Patient wegen der Durchfälle eine große Flüssigkeitsmenge, erhält er zumeist durch Transfusionen neue Flüssigkeit und Elektrolyte.

Prognose bei Amöbenruhr

Wird eine Amöbenruhr frühzeitig behandelt, nimmt sie in den meisten Fällen einen positiven Verlauf, sodass sie ohne Folgen ausheilt. Riskante Komplikationen zeigen sich nur in seltenen Fällen, können jedoch grundsätzlich nicht ausgeschlossen werden.

Prävention einer Amöbenruhr

Der Amöbenruhr durch die Einnahme von Medikamenten oder einer Impfung vorzubeugen, ist nicht möglich. Umso wichtiger ist es daher, sich durch hygienische Maßnahmen vor der Infektionskrankheit zu schützen. Wer in Länder reist, in denen schlechte hygienische Verhältnisse herrschen, sollte sich so oft wie möglich die Hände gründlich mit Seife waschen. Dies gilt besonders nach dem Stuhlgang und vor der Einnahme der Mahlzeiten.

Wasser darf stets nur abgekocht oder aus versiegelten Trinkflaschen getrunken werden. Obst und Gemüse sind vor dem Genuss mit sauberem Wasser zu reinigen und zu schälen. Auf Eiswürfel, die aus dem Leitungswasser stammen, ist besser zu verzichten.

Letztlich richtet sich das individuelle Infektionsrisiko nach dem Reiseverhalten. So fällt das Ansteckungsrisiko in Luxushotels oder guten Restaurants in den betroffenen Gebieten deutlich niedriger aus als in Garküchen oder an Straßenständen, die vorwiegend von Rucksacktouristen genutzt werden.

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