Die Kasseler Stottertherapie

Unter Stottern versteht man eine Störung des Redeflusses. Als wirksame Behandlungsmethode gilt die so genannte Kasseler Stottertherapie.

Von Jens Hirseland

Stottern wird auch als Balbuties bezeichnet. Gemeint ist damit ein gestörter Redefluss. So kommt es bei den Betroffenen häufig zu Unterbrechungen beim Sprechen sowie zu Wiederholungen von Wörtern, Silben und Lauten.

Eine völlige Heilung des Stotterns ist vor allem bei erwachsenen Menschen überaus schwierig. Es gibt jedoch verschiedene Therapieansätze, die eine Verbesserung der Sprachstörung ermöglichen.

Ziel und Zweck der Kasseler Stottertherapie

Dazu gehört auch die Kasseler Stottertherapie. Bei dieser speziellen Behandlung vermittelt man den Teilnehmern der Therapie durch neue Sprechmuster eine bessere Sprachkontrolle.

Im Gegensatz zu gängigen logopädischen Behandlungen haben die Patienten bei der Kasseler Stottertherapie die Möglichkeit, die erlernten Punkte im Alltag weiter zu üben. Des Weiteren spielt hier auch die Nachsorge eine wichtige Rolle.

Das dort angewandte Verfahren wird als Fluency Shaping bezeichnet. Entscheidend ist, dass das Sprechen neu modelliert und verflüssigt wird. Sprechblockaden soll durch ein stetiges Anwenden vorgebeugt werden; dabei erfolgt der Ansatz nicht erst an dieser Blockade.

Ablauf der Kasseler Stottertherapie

Bei der Kasseler Stottertherapie handelt es sich um einen Intensivkurs, der drei Wochen dauert, und von einem Computerprogramm begleitet wird. Die Behandlung eignet sich sowohl für Kinder als auch für Erwachsene. Studien zufolge konnte bei etwa 70 Prozent aller Patienten ein verbessertes Sprechen durch die Kasseler Stottertherapie erzielt werden.

Sprechkontrolle

Wie bei den meisten Therapien gegen Stottern, steht auch bei der Kasseler Stottertherapie die Sprechkontrolle im Mittelpunkt der Behandlung. Durch weicheres Sprechen gelangen die Patienten zu einer besseren Sprachbeherrschung. Eine bedeutende Rolle spielen dabei

  • Stimme
  • Artikulation und
  • Atmung.

Dieses Zusammenspiel gilt es auch im Alltag sowie in stressigen Situationen in Form von Sprechübungen und Rollenspielen anzuwenden.

Durchbrechung alter Verhaltensmuster

Darüber hinaus werden alte Verhaltensmuster durchbrochen. Dazu zählt auch das Vermeidungsverhalten. So sind Stotternde häufig darauf bedacht, Situationen, in denen es zu Stottern kommen könnte, zu vermeiden. Bei der Kasseler Stottertherapie lernen die Patienten jedoch, ihre Aussagen aktiv zu gestalten, damit sie sich nicht mehr hilflos fühlen.

Gegen Ende der Therapie müssen die Teilnehmer ihr neues Sprechvermögen jedoch unter Beweis stellen, indem sie beispielsweise durch die Stadt gehen und Passanten nach dem Weg fragen.

Eine solche Situation wird von stotternden Personen in der Regel lieber vermieden. Das Alltagstraining besteht dabei beispielsweise aus

  • Interviews
  • Verkaufsgesprächen
  • Telefonaten sowie
  • Vorträge vor Gruppen.

Dabei werden die Stotternden von den Therapeuten begleitet.

Überprüfen des Stimmeinsatzes

Ein weiterer wichtiger Punkt der Kasseler Stottertherapie ist das Überprüfen des Stimmeinsatzes der Patienten mithilfe eines Computerlernprogramms. Die durchgeführten Sprechübungen werden aufgezeichnet; die Auswertung erfolgt gemeinsam in einer Gruppe. Auf diese Weise können Kommunikation und Wahrnehmung des Patienten geschult werden; des Weiteren kommt es zu neuen Lösungsstrategien.

Entspannung und Körperwahrnehmung

Sich das Stottern abzugewöhnen, kann für die Stimme, aber auch für den Körper anstrengend sein. Zur Unterstützung und als Ergänzung werden verschiedene Entspannungstechniken, aber auch Artikulations-, Stimm- und Atemübungen eingesetzt.

Nachsorge

Die Nachsorge der Kasseler Stottertherapie erfolgt über mehrere Monate nach Beendigung des Kurses. Dabei kommt die speziell für die Therapie konstruierte Software zur Anwendung. Zudem werden Hausaufgaben absolviert und Kurse zum Auffrischen des Erlernten angeboten.

Wirksamkeit

Die Wirksamkeit der Kasseler Stottertherapie wurde durch eine Langzeitstudie der Universität Kassel überprüft. Die Studie, an der 450 stotternde Personen verschiedener Altersgruppen teilnahmen, ergab tatsächlich, dass rund 70 Prozent aller Patienten nach der Behandlung ein besseres Sprachvermögen aufwiesen als vor der Therapie.

Ihre Sprechfähigkeit stellten die Teilnehmer bei verschiedenen Tests wie Telefonieren oder Gesprächen mit Passanten unter Beweis. Während die Testpersonen vor der Behandlung durchschnittlich bei ca. zwölf Prozent aller gesprochenen Silben stotterten, war dies nach der Therapie nur noch bei ein bis zwei Prozent aller Silben der Fall. Als Richtlinie für die Unauffälligkeit von Stotterern gelten drei Prozent.

Eine Kostenübernahme für die Kasseler Stottertherapie durch die gesetzlichen Krankenkassen ist unterschiedlich. So wird sie von Fall zu Fall individuell entschieden.

  • Georg Thum, Ingeborg Mayer Stottertherapie bei Kindern und Jugendlichen: Ein methodenkombinierter Ansatz, Ernst Reinhardt Verlag, 2014, ISBN 3497024856
  • Wolfgang G. Braun, Peter Beckert, Patrizia Willi Praxisbuch Stottern bewegt: Stottern bewegt: Ein bewegungsorientierter Ideenpool für die direkte Stottertherapie, Westermann Lernspielverlage, 2012, ISBN 9783867233026

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