Progerie - Formen, Ursachen und Krankheitsbild

Bei der Progerie handelt es sich um eine genetisch bedingte Erkrankung. Sie wird auch Frühvergreisung genannt; dabei kommt es zu einem frühzeitigen Alterungsprozess. Man unterscheidet die Progerie Typ I bei Kindern sowie die Progerie Typ II, die ausschließlich bei Erwachsenen auftritt. Eine Heilung ist nicht möglich; so konzentriert man sich bei der Behandlung auf die Linderung von Symptomen. Lesen Sie über die Formen, Ursachen sowie das Krankhetisbild der Progerie.

Von Jens Hirseland

Der Begriff "Progerie" bzw. "Progeria" stammt aus dem Griechischen und bedeutet soviel wie "vorzeitiges Altern". Dabei kommt es bei den Betroffenen zu einem frühzeitigen Alterungsprozess.

Formen der Progerie

In der Medizin teilt man die Progerie in zwei Formen ein. Dies sind

  • die Progerie Typ I, auch als Hutchinson-Gilford-Syndrom (HGPS) bekannt, die bei Kindern vorkommt, sowie
  • die Progerie Typ II (Werner-Syndrom), an der ausschließlich erwachsene Menschen erkranken.

Die Progerie zählt zu den Erbkrankheiten. Die Erkrankung wird auch als vorzeitige Vergreisung bezeichnet, da die Symptome ähnlich sind wie beim Alterungsprozess.

Dass der menschliche Körper dem Alterungsprozess unterliegt, ist völlig normal. Bei der Progerie altern die betroffenen Personen jedoch wie im Zeitraffer.

Die Progerie bei Kindern kommt jedoch nur äußerst selten vor. So gibt es auf der ganzen Welt nur etwa 200 bis 250 Kinder, die unter der Krankheit leiden.

Progerie Typ I

Das Hutchinson-Gilford-Syndrom ist das nach den britischen Medizinern Jonathan Hutchinson und Hastings Gilford benannt.

Ursachen

Zu Progerie Typ I kommt es durch Veränderungen im menschlichen Erbgut. Davon betroffen ist das Lamin A-Gen. Dieses Gen ist zuständig für die Herstellung des Proteins Lamin A.

Zu dessen Funktionen gehört es, die Zellkerninnenseiten zu stabilisieren. Außerdem reguliert Lamin A das Ablesen des Erbguts und hat Anteil an der Zellteilung.

Bei der Progerie kommt es zum Vertauschen einer Base innerhalb des Lamin-A-Gens. Diese Verwechslung hat zur Folge, dass der Körper bei Kindern nur eine unzureichende Version des Eiweißes herstellt.

Diese Veränderung führt zu einer Schwächung der Zellkernhülle, was wiederum Auswirkungen auf die Zellteilung hat. Es wird vermutet, dass der Vorgang für den vorzeitigen Abbau der Erbinformationen verantwortlich ist.

In der Medizin geht man davon aus, dass die Veränderungen des Erbgutes beim Hutchinson-Gilford-Syndrom zufällig entstehen. So gibt es bei den Eltern der erkrankten Kinder keinerlei Auffälligkeiten im Hinblick auf das Lamin-Gen.

Vererbt wird die Krankheit nur sehr selten. Wodurch es zu einer Mutation des Gens kommt, ist nach wie vor unbekannt.

Symptome

Die typischen Symptome der Progerie Typ I zeigen sich schon frühzeitig. Obwohl die betroffenen Kinder nach der Geburt gesund zu sein scheinen, zeigen sich bereits nach einigen Monaten die ersten Merkmale der tückischen Krankheit.

So leiden die betroffenen Kinder unter Kleinwüchsigkeit und rascher Alterung. Bemerkbar macht sich die frühzeitige Vergreisung durch Haarausfall sowie eine raue und trockene Haut.

Außerdem sind die Venen unter der Haut deutlich sichtbar. Das Gesicht des erkrankten Kindes ist klein und hat eine Nase, die wie der Schnabel eines Vogels aussieht.

Da es zudem an Unterhautfettgewebe mangelt, weisen die Kinder ein sehr dünnes Aussehen auf. Ein weiteres typisches Merkmal von Progerie ist, dass die betroffenen Kinder unter Krankheiten leiden, die sonst eher alte Menschen betreffen. Dazu gehören vor allem Arthrose und Osteoporose (Knochenschwund).

Außerdem liegen oft Fehlstellungen der Gelenke vor. Schon in jungen Jahren besteht die Gefahr von Arterienverkalkung, die Herz-Kreislauferkrankungen hervorrufen kann. Sogar ein Herzinfarkt ist möglich.

Diagnose

Diagnostiziert wird die Progerie zumeist im Laufe des ersten Lebensjahres. Da die Symptome des Hutchinson-Gilford-Syndroms sehr auffällig sind, dauert es nicht lange, bis Verdacht auf Progerie besteht. Durch eine genetische Untersuchung lässt sich endgültige Gewissheit verschaffen.

Behandlung

Eine Heilung der Progerie ist nicht möglich. Daher beschränkt sich die Therapie auf die Behandlung der Symptome.

Außerdem versucht man, Komplikationen vorzubeugen. Um die Durchblutung zu verbessern und die Muskeln zu stärken, werden physiotherapeutische Maßnahmen durchgeführt.

Um Schutz der empfindlichen Haut kommen Lotionen und Badezusätze zur Anwendung. Auf diese Weise lässt sich die Lebensqualität der erkrankten Kinder steigern.

Medikamente

An wirksamen Medikamenten zur Behandlung der Progerie wird derzeit geforscht. Sie sollen die Lebenserwartung erhöhen, indem sie die Arteriosklerose hinauszögern.

Zur Anwendung kommt bereits ein Farnesyl-Transferase-Inhibitor. Mit diesem Mittel lässt sich der Zustand der behandelten Kinder zumeist verbessern. Auch Acetylsalicylsäure wird teilweise eingesetzt, um das Risiko von Blutgefäßverschlüssen zu vermindern.

Prognose

Kinder, die unter Progerie leiden, werden im Durchschnitt nur 13 Jahre alt. Es gibt aber auch durchaus Patienten, die das Erwachsenenalter erreichen. Zu Todesfällen kommt es vor allem durch Schlaganfälle und Herzinfarkte.

Progerie Typ II

Im Unterschied zur Progerie Typ I, beginnt die Progerie Typ II erst in der Pubertät. Sie wird auch als Werner-Syndrom bezeichnet. Als Namensgeber diente der deutsche Arzt Otto Werner (1879-1936), der die Krankheit erstmals im Jahr 1904 beschrieb.

Ursachen

Genau wie das Hutchinson-Gilford-Syndrom, tritt auch das Werner-Syndrom nur sehr selten auf. Ursächlich für die Erkrankung ist ein Fehler in der DNA, die die Erbinformationen enthält. So kommt es beim Werner-Syndrom zu Funktionsstörungen der DNA-Helikasen.

Dabei handelt es sich um spezielle Enzyme, die Reparaturarbeiten an der DNA ausführen. Im Falle der Progerie Typ II sind die DNA-Helikasen jedoch nicht mehr in der Lage, ihren Aufgaben nachzukommen, sodass im Zellkern nicht mehr genügend Helikasen vorhanden sind.

Dies hat wiederum Fehler bei der Reparatur der DNA, der Zellteilung sowie der Zellalterung zur Folge. Da sich die Zellen nicht mehr teilen können, lässt sich das Gewebe des Körpers nicht mehr erneuern.

Das Werner-Syndrom kann sich von den Eltern auf das Kind vererben. Zu einer Progerie kommt es jedoch nur dann, wenn das defekte Gen sowohl bei der Mutter als auch beim Vater vorliegt.

Symptome

Die Symptome der Progerie Typ II zeigen sich zumeist im Erwachsenalter zwischen dem 30. und dem 40. Lebensjahr. Allerdings bleibt bereits in der Pubertät der Wachstumsschub aus.

Die Gesichter der Betroffenen ähneln Vogelgesichtern. Außerdem weisen sie eine dünne, faltige Haut sowie eine piepsige Stimme auf.

Im Laufe der Zeit verlieren die Patienten immer mehr an Unterhautfettgewebe. Außerdem kommt es zu Pigmentveränderungen und Haarausfall. Nicht selten leiden die betroffenen Personen unter Knochenschwund, wodurch sich das Knochenbruchrisiko deutlich erhöht.

Weitere mögliche Beschwerden können

sein. Durch die Arterienverkalkung besteht die Gefahr von lebensbedrohlichen Herzinfarkten oder Schlaganfällen. Darüber hinaus steigt auch das Krebsrisiko.

Diagnose

Da die von der Progerie betroffenen Personen in ihrer Kindheit äußerlich unauffällig sind, wird die Erbkrankheit meist erst zu einem späten Zeitpunkt festgestellt. Aufgrund der sehr auffälligen Symptome dauert es nicht lange, das Werner-Syndrom im Verdachtsfall zu diagnostizieren. Durch eine genetische Untersuchung wird die Diagnose abgesichert.

Behandlung

Eine kausale Therapie gegen Progerie Typ II gibt es nicht. So beschränkt sich die Behandlung auf die Linderung der Symptome und das Vorbeugen von Komplikationen. Dabei werden zum Beispiel Folgeerscheinungen wie

therapiert. Auf diese Weise soll sich die Lebensqualität der Patienten erhöhen.

Prognose

Die Prognose bei Progerie Typ II gilt als ungünstig. So haben die Patienten lediglich eine Lebenserwartung von etwa 50 Jahren.

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