Ösophagusdivertikel - Ausstülpungen der Speiseröhre

Unter Ösophagusdivertikeln werden Ausstülpungen (Divertikel) verstanden, die sich an der Wand der Speiseröhre (Ösophagus) bilden. Sie sind auch als Speiseröhrendivertikel bekannt. Die Aussackungen entstehen durch starken Zug von der Außenseite oder intensiven Druck von der Innenseite und treten besonders häufig bei Männern im Seniorenalter auf. Ösophagusdivertikel äußern sich unter anderem durch Schluckbeschwerden. Mehr über die Beschwerden und Therapiemöglichkeiten erfahren Sie in diesem Artikel.

Von Jens Hirseland

Formen des Ösophagusdivertikels

Die Medizin unterscheidet zwischen verschiedenen Formen von Ösophagusdivertikeln. So gibt es Pulsionsdivertikel und Traktionsdivertikel.

Pulsionsdivertikel

Von einem Pulsionsdivertikel ist die Rede, wenn es zu einem verstärkten Druck innerhalb der Speiseröhre kommt. Dies kann zum Beispiel durch das Anlagern umfangreicher Speisebreimengen der Fall sein, wobei der Betroffene zur selben Zeit unter einer schwachen Speiseröhrenwand leidet.

Pulsionsdivertikel zeigen sich entweder im Oberdrittel der Speiseröhre, was als Zenker-Divertikel bezeichnet wird, oder im Unterdrittel in der Zwerchfellgegend. Mediziner sprechen dann von einem epiphrenischen Divertikel. Allerdings treten epiphrenische Divertikel deutlich seltener auf als Zenker-Divertikel. Als Namensgeber für das Zenker-Divertikel diente der deutsche Pathologe Friedrich Albert von Zenker (1825-1898).

Traktionsdivertikel

Ein sogenanntes Traktionsdivertikel kommt durch den Zug von angrenzenden Lymphknoten zustande, die sich entzündet haben. Meist sind sie im Zentrum der Speiseröhre angesiedelt. Sie tragen auch die Bezeichnung parabronchiales Ösophagusdivertikel.

Häufigkeit des Ösophagusdivertikels

Besonders betroffen von einer Divertikelbildung in der Speiseröhre sind Männer ab einem Lebensalter von 60 Jahren. Bei ca. 70 Prozent treten Zenker-Divertikel auf, während rund 20 Prozent unter einem parabronchialen Ösophagusdivertikel leiden. Bei den restlichen 10 Prozent zeigt sich ein epiphrenisches Divertikel.

Ursachen für ein Ösophagusdivertikel

Speiseröhrendivertikel können sich aus unterschiedlichen Gründen bilden. Die Form der Divertikel spielt dabei keine Rolle. So werden Pulsiondivertikel durch starken Druck in der Speiseröhre verursacht, der durch die Ansammlung von Speisebrei entsteht. Außerdem liegt eine Schwäche der Ösophaguswand vor.

Ursachen für ein Zenker-Divertikel

Als am häufigsten vorkommendes Ösophagusdivertikel gilt das Zenker-Divertikel. Es entsteht durch Funktionsstörungen am oberen Speiseröhrenschließmuskel. Kann sich der Schließmuskel wie vorgesehen öffnen, lässt sich der Speisebrei ohne Schwierigkeiten vom Rachen aus durch die Speiseröhre leiten. Es wird angenommen, dass sich der Speiseröhrenschließmuskel beim Zenker-Divertikel zu früh schließt. Werden größere Mengen verzehrt, führt dies in der unteren Rachenregion zu einem Druckstau.

Ferner liegt an der Ösophagusrückseite eine natürliche schwache Stelle vor. So bilden dort die Speiseröhren- und Rachenmuskelfasern, deren Verlauf unterschiedlich ist, ein geschwächtes Dreieck, das die Bezeichnung Kilian-Muskellücke trägt. Entsteht durch das Schlucken von Nahrung erhöhter Druck, wird die Schleimhaut durch diese Lücke gedrängt und nach außen gestülpt. Im Laufe der Zeit erfolgt das Anwachsen des Divertikels in die vordere Richtung der Speiseröhre, sodass das angrenzende Gewebe verdrängt wird.

Ursachen für ein epiphrenisches Divertikel

Die Auslöser für das epiphrenische Divertikel sind ähnlich wie beim Zenker-Divertikel. Hervorgerufen wird es oftmals durch Störungen beim Schlucken. Dabei öffnet sich beispielsweise der untere Speiseröhrenschließmuskel am Übergang zum Magen nicht rechtzeitig. Als weitere Ursache kommen Engstellen in der unteren Region der Speiseröhre in Betracht. Aufgrund von Engstellen oder Schluckstörungen können sich Speisereste beim Schluckvorgang anstauen, sodass sie auf die untere Wand des Ösophagus drücken. Kommt es zum Nachgeben des Drucks, führt dies zur Bildung eines epiphrenischen Divertikels.

Ursachen für ein Traktionsdivertikel

Andere Ursachen weist ein Traktionsdivertikel auf. So wird diese Form durch Zug von außen ausgelöst. Dabei kommt es zum Dehnen der Speiseröhre, wodurch sich die ganze Ösophaguswand in die äußere Richtung verzieht. Ursächlich für ein Traktionsdivertikel sind in erster Linie Lymphknotenentzündungen, wodurch die Lymphknoten aufgrund des Entzündungsvorgangs schrumpfen. Bei diesem Vorgang ziehen sie die angrenzende Wand der Speiseröhre mit sich.

Ein typisches Merkmal der Traktionsdivertikel ist, dass ihr Umfang klein ausfällt und sie die Form eines Trichters aufweisen.

Symptome des Ösophagusdivertikels

Die Beschwerden, die bei einem Speiseröhrendivertikel auftreten, richten sich nach der jeweiligen Form. Gleiches gilt für Position und Umfang der Ausstülpungen.

Symptome beim Zenker-Divertikel

Beim Zenker-Divertikel steigern sich die Symptome im Laufe der Jahre. Zunächst zeigen sich ein rauer Rachen, ein Fremdkörpergefühl im Hals sowie häufiges Räuspern. Gewinnt das Zenker-Divertikel an Größe, kommt es außerdem zu Problemen beim Schlucken, wenn feste Nahrung verzehrt wird. Schluckt der Betroffene Flüssigkeit, tritt nicht selten ein Gurgelgeräusch auf.

Weitere Anzeichen eines Zenker-Divertikels sind Aufstoßen und Mundgeruch. So können Speisen, die nicht verdaut wurden, weil sie in dem Divertikel hängen blieben, wieder in die obere Richtung gelangen, was insbesondere nachts beim Liegen geschieht.

Lesen Sie mehr über die Symptome beim Zenker-Divertikel in unserem separaten Artikel dazu: Zenker-Divertikel - Ursachen, Symptome und Behandlung

Symptome beim epiphrenischen Divertikel

Typische Symptome für ein epiphrenisches Divertikel gibt es nur wenige. So können die Beschwerden auch durch andere Magen-Darm-Leiden verursacht werden. Dazu gehören vor allem Oberbauchschmerzen und Schluckbeschwerden. In der Nacht leiden die Patienten oft unter Druckschmerzen hinter dem Brustbein, die Sodbrennen ähneln.

Symptome beim parabronchialen Divertikel

Kaum Beschwerden treten dagegen durch parabronchiale Divertikel auf, was sich auf ihren geringen Umfang zurückführen lässt. In der Regel entdeckt der Arzt sie durch Zufall im Rahmen einer Röntgenuntersuchung. Kommt es zu einer Entzündung des Divertikels, sind Schluckbeschwerden und Husten möglich.

Komplikationen des Ösophagusdivertikels

Komplikationen sind in erster Linie bei einem Zenker-Divertikel möglich. So besteht das Risiko, dass ausgeprägte Entzündungen zu Ösophagusblutungen führen, die sogar lebensgefährliche Ausmaße annehmen können. Bei einigen Patienten droht ein Durchbruch des Ösophagus. Oftmals fließen in der Nacht Speisereste aus dem Divertikel zurück. Werden diese in die Luftröhre eingeatmet, ist im schlimmsten Fall das Ersticken der betroffenen Person denkbar.

Des Weiteren besteht das Risiko eines Lungenabszesses oder einer Lungenentzündung. Aus diesem Grund muss eine operative Beseitigung der Ösophagusdivertikel erfolgen.

Diagnose des Ösophagusdivertikels

Bei einer medizinischen Untersuchung des Ösophagusdivertikels befasst sich der Arzt zunächst mit der Krankengeschichte des Patienten. Erste Aufschlüsse für die Diagnose erhält der Mediziner durch die Art der Beschwerden sowie das Lebensalter.

Ösophagus-Breischluck

Um das Leiden jedoch klar diagnostizieren zu können, müssen bildgebende Verfahren wie eine Röntgenuntersuchung vorgenommen werden. Dabei handelt es sich um den sogenannten Ösophagus-Breischluck. Bei diesem Spezialverfahren nimmt der Patient ein Kontrastmittel zu sich, das wasserlöslich ist. Auf der Röntgenaufnahme weist das Mittel eine weißliche Färbung auf und unterscheidet sich dabei vom übrigen Gewebe. Dadurch erhält der Arzt die Möglichkeit, die Wanderung des Breischlucks auf dem Röntgenbild zu verfolgen. Befindet sich in der Speiseröhre ein Divertikel, wird dieses mit dem Kontrastmittel gefüllt, sodass es sich auf der Aufnahme als weiße Ausstülpung identifizieren lässt.

Ösophagoskopie

Als sinnvoll gilt außerdem die Ösophagoskopie, bei der es sich um eine Speiseröhrenspiegelung handelt. Mithilfe eines Endoskops gelangt eine Minikamera, die an einem Schlauch befestigt ist, in die Speiseröhre. Für die Durchführung ist jedoch ein erfahrener Arzt notwendig, um Schädigungen der bereits in Mitleidenschaft gezogenen Speiseröhrenwand zu vermeiden.

Ösophagus-Manometrie

Eine andere Untersuchungsmethode stellt die Ösophagus-Manometrie (Druckmessung der Speiseröhre) dar. Sie eignet sich vor allem zur Diagnose von Zenker-Divertikeln. Über die Nase wird ein Katheter, der an einem dünnen Schlauch hängt, bis zur Speiseröhre vorgeschoben. Während der Arzt den Schlauch wieder zurückzieht, wird an unterschiedlichen Stellen der Druck gemessen. Auf Anweisung muss der Patient dabei schlucken.

Für die Diagnose eines Traktionsdivertikels eignet sich das Verfahren jedoch weniger, weil diese Form durch Zug anstelle von Druck entsteht.

Behandlung des Ösophagusdivertikels

Die Therapie eines Speiseröhrendivertikels richtet sich nach Art der Beschwerden und Umfang der Ausstülpung. Handelt es sich um ein kleineres Divertikel, lassen sich die Beschwerden meist schon durch eine geeignete Ernährungsweise lindern. Um gut durch die Speiseröhre zu kommen, sollte der Patient möglichst breiige Nahrung zu sich nehmen. Hilfreich ist zudem das Schlafen mit erhöhtem Oberkörper.

Die Heilung eines Zenker-Divertikels ist jedoch durch konservative Maßnahmen nicht möglich.

Parabronchiale Divertikel benötigen normalerweise keine Behandlung, weil sie nur selten zu Beschwerden führen. Nur wenn sie sich vergrößern und dadurch Komplikationen drohen, ist ein chirurgischer Eingriff erforderlich.

Operative Maßnahmen

Im Falle eines Zenker-Divertikels, das am häufigsten vorkommt, muss eine Operation durchgeführt werden. Als Standardmethode gilt die Divertikulopexie. In deren Rahmen wird die Speiseröhre in der Halsregion freigelegt. Anschließend trägt der Operateur das Divertikel ab. Außerdem lassen sich kleine Divertikel, die später einen größeren Umfang erreichen können, ebenfalls entfernen.

Zu den minimal-invasiven OP-Methoden zählt die transorale Divertikulotomie. Ein Zenker-Divertikel wird dabei mithilfe eines Endoskops entfernt. Dieses Instrument schiebt der Arzt über den Mund des Patienten bis zum Ösophagusdivertikel vor, ohne die Speiseröhre durch einen Hautschnitt öffnen zu müssen. Das Divertikel ist anschließend mithilfe des Endoskops entfernbar.

Um ein parabronchiales Speiseröhrendivertikel zu beseitigen, wird die Speiseröhre in der Brustregion geöffnet. Danach lässt sich das Divertikel herausoperieren.

Prognose bei einem Ösophagusdivertikel

Wird ein Ösophagusdivertikel medizinisch behandelt, fällt die Prognose in der Regel positiv aus. So verläuft die Heilung meist günstig. Nur selten zeigen sich Komplikationen wie Blutungen der Speiseröhre durch Entzündungen.

Prävention des Ösophagusdivertikels

Einem Speiseröhrendivertikel vorzubeugen, ist nicht möglich. Um die Verdauungsregion zu schonen, wird eine ausgewogene Kost in kleinen Portionen empfohlen. So lässt sich dadurch das Erkrankungsrisiko vermindern.

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