Formen und Bedeutung spiritueller Piercings

Das Piercing wurde nicht nur als Statussymbol oder zum Zwecke des Körperschmucks angewandt, es konnte auch spirituelle Hintergründe besitzen. Unter anderem war es ein Zeichen der innerlichen Reinigung oder auch eine Art Opfergabe.

Britta Josten
Von Britta Josten

Piercingritual in Thailand

Aus Thailand ist bekannt, dass zu Beginn des 19. Jahrhunderts ein religiöses Fest eingeführt wurde, bei dem das Piercen ebenfalls zum festen Programm gehört. Seitdem findet es jährlich statt.

Hier geht es nicht um das Durchstechen der Haut mit dünnen Nadeln, sondern um das Durchbohren mit Schwertern, Eisenstangen oder Ähnlichem.

Die verwendeten Utensilien stellen das Medium von Schutzgeistern dar. Damit diese Prozedur überhaupt erträglich ist, versetzen sich die Teilnehmer zuvor in einen Trancezustand.

Natürlich ist das Piercen mit solch großen Gegenständen nicht von heute auf morgen zu erlernen. Die Festivalteilnehmer bereiten sich schon Monate im Voraus auf die Veranstaltung vor. Begonnen wird mit dem Stechen "kleiner" Spieße, die nach und nach durch größere Gegenstände ausgetauscht werden.

Piercingritual in Malaysia

Auch in Malaysia findet ein ähnliches Festival statt. Bei diesem Fest schmücken sich die Teilnehmer mit bunten Haken und anderen Utensilien und nehmen an einer Prozession zum Tempel des Gottes Subramaniam teil. Er erhält auch andere Opfergaben. Im Gegenzug legen die Teilnehmer ihre Beichte ab und bitten um

  • Vergebung,
  • Gesundheit oder
  • Glück.

Das Platzieren der Piercings ist gut durchdacht, schließlich sollen diese keine gesundheitlichen Schäden hinterlassen. An Stelle eines handelsüblichen Desinfektionsmittels wird traditionell Asche angewandt.

Piercingritual der Indianer

Überlieferungen aus dem 16. Jahrhundert belegen, dass man das Piercen im Bereich des Gesichts und der Genitalien in Mittelamerika als Opfergabe durchführte. Außerdem sollte es der innerlichen Reinigung dienen. Meist wurde dieses Ritual im Rahmen einer spirituellen Zeremonie durchgeführt.

Auch verschiedene Stämme der Indianer piercen sich aus spirituellen Gründen. Die wohl bedeutendste dieser Zeremonien ist der traditionelle Sonnentanz. Er dauert vier Tage.

  • Zu Beginn des Festes durchstechen die Tänzer ihre Haut auf der Brust oder dem Rücken mit Holzpflöcken, an denen Schnüre befestigt sind. Die anderen Enden der Seile werden an einem Baum fixiert.

  • Die Tänzer bewegen sich in der Zeit vom Sonnenaufgang bis zum Sonnenuntergang um diesen Baum herum, ohne dass sie Essen und Trinken erhalten. Auch das Schattenspenden ist untersagt.

  • Am Ende des Festes werden die Holzpflöcke durch das Eigengewicht der Tänzer aus der Haut gerissen, indem diese sich in die Seile fallen lassen. Alternativ hängt der Tänzer sich am Baum auf. Auch andere Überlieferungen zum Entfernen der Holzpflöcke sind bekannt. Beispielsweise können Pferde die treibende Kraft darstellen.

Das Ziel des Sonnentanzes besteht darin, den Tänzer zu kräftigen und sein Bewusstsein zu schärfen. Während er sich im Trancezustand befindet, sollen ihm Visionen neue Lebenswege zeigen. Wahre Tänzer nehmen an mindestens vier Sonnentänzen in ihrem Leben teil.