Den Kindern die psychische Erkrankung von Vater oder Mutter erklären

Sind Mutter oder Vater psychisch krank, leiden auch die Kinder darunter. Umso wichtiger ist es, ihnen das Krankheitsbild gut zu erklären.

Von Jens Hirseland

Leidet ein Elternteil unter einer psychischen Störung, hat dies auch Auswirkungen auf die Kinder. So sehen diese sich einerseits den Problemen, die durch die Erkrankung selbst auftreten, ausgesetzt, als auch den sich daraus ergebenden familiären und sozialen Folgen.

Kinder von psychisch kranken Eltern

Allein in Deutschland gibt es etwa 500.000 Kinder und Jugendliche, deren Mutter oder Vater psychisch krank sind. Dabei kann es sich um

handeln. Man vermutet jedoch, dass die Dunkelziffer noch höher ist, da viele der betroffenen Eltern und Kinder Angst davor haben, mit Außenstehenden über diese Krankheiten zu reden. Häufig sind die Eltern auch in Sorge, dass die Behörden ihnen ihre Kinder wegnehmen könnten.

Folgen für den Nachwuchs

Vor allem für kleinere Kinder ist eine psychische Erkrankung und das damit verbundene verstörende Verhalten des betroffenen Elternteils kaum zu verstehen. So müssen sie hilflos mitansehen, wie Mutter oder Vater sich seltsam verhalten, worauf sie oft selbst mit Verunsicherung und Angst reagieren.

Im schlimmsten Fall kommt es zur Trennung von der Bezugsperson, da diese in eine psychiatrische Klinik eingewiesen werden muss. Für die Kinder stellt die Abwesenheit ihrer geliebten Bezugsperson jedoch das Risiko dar, später selbst einmal unter Depressionen zu leiden.

Besonders hoch ist die Gefahr einer psychischen Erkrankung bei Kindern von depressiven oder schizophrenen Müttern. Noch schwieriger wird die Situation, wenn der Elternteil alleinerziehend ist. So kommt es nicht selten durch psychische Störungen zur Trennung der Eltern.

Viele Fragen und Wünsche

Auch wenn Kinder nichts sagen, so merken sie in der Regel recht schnell, wenn etwas nicht in Ordnung ist. Ihnen gehen viele Fragen im Kopf herum, auf die sie eine Antwort suchen, diese alleine jedoch nicht finden. Sie anzusprechen, trauen sie sich häufig nicht. Kinder möchten mitunter folgende Dinge wissen:

  • Was bedeutet es, wenn man psychisch krank ist?
  • benehmen sich psychisch Kranke immer so merkwürdig?
  • Warum redet man nicht mit ihnen über die Situation?
  • Was sollen sie ihren Freunden erzählen, wenn sie sich nach den Eltern und deren Erkrankung erkundigen?

Gleichzeitig haben betroffene Kinder Wünsche. Sie möchten, dass

  • mit ihnen geredet wird und sie getröstet werden
  • sie jemanden außerhalb der Familie besuchen können
  • sie auf jemanden treffen, der ihre Fragen so beantworten kann, dass sie sie verstehen
  • sie mit anderen Kindern sprechen können, deren Eltern ebenso erkrankt sind

Es ist wichtig, dass Kinder eine Orientierung erhalten. Sie brauchen Informationen darüber, was zu tun ist, wenn sich eine Situation verschlimmert. Auch wie die Erkrankung verläuft, welche Heilungschancen bestehen, sind wichtige Angaben für den Nachwuchs.

Merkmale älterer Kinder

Bei älteren Kindern ist es typisch, dass sie ein ausgeprägtes Verantwortungsgefühl entwickeln. Mitunter leiden sie auch an Schuldgefühlen.

Die meisten von ihnen passen sich an und fallen in der Schule nicht weiter auf. Häufig nehmen sie die Elternrolle ein und kümmern sich um ihre jüngeren Geschwister und den Haushalt, was jedoch meist zu einer ständigen Überforderung führt.

Kinder über die Erkrankung der Eltern aufklären

Wichtig ist, die Kinder von psychisch erkrankten Eltern altersgerecht über deren Krankheit aufzuklären, damit sie sich nicht selbst verantwortlich für das Geschehen fühlen. So benötigen die betroffenen Kinder Antworten auf ihre Fragen, selbst wenn sie nicht ausgesprochen werden. Durch die Gewissheit, nicht selbst Schuld an dem Verhalten der Mutter oder des Vaters zu sein, fühlen sich die Kinder erleichtert und gestärkt.

Außerdem muss dem Kind klargemacht werden, dass es trotz der Krankheit seiner Eltern nach wie vor geliebt wird. Diese wichtigen Informationen sollten am besten von einer nahestehenden Bezugsperson kommen.

Dabei kann es sich um den gesunden Elternteil, die Großeltern oder andere vertraute Angehörige handeln. Je mehr die Familie in dieser kritischen Zeit zusammenrückt und zueinander hält, desto besser ist es für das Kind.

Bevor man die Aufgabe übernimmt, einem Kind die psychische Erkrankung seiner Mutter oder seines Vaters zu erklären, sollte man sich selbst gut informieren, um mögliche Fragen sachlich beantworten zu können. Wichtig ist zudem, kindgerechte Beispiele zu finden, mit denen man die Krankheit erklärt.

Um Vertrauen zu dem Kind aufzubauen, ist es ratsam, auch über die eigenen Gefühle zu sprechen. Darüber hinaus kann die Inanspruchnahme von professioneller Hilfe sinnvoll sein.

Kinder sollten das Gefühl behalten, dass sie sich in ihrem Zuhause sicher fühlen können. Wenn sie über die Erkrankung aufgeklärt werden, sollte der betroffene Elternteil gefestigt sein und dem Kind hoffnungsvoll erklären, dass es sich bei der psychischen Krankheit wie mit einer körperlichen verhält: daran ist niemand Schuld.

Und man tut etwas dagegen, damit es einem wieder besser geht. Das Kind selbst muss wissen, dass es sich keine Gedanken darüber machen braucht, ob es die Situation irgendwie verbesser kann - das kann es nicht. Und es ist in Ordnung, wenn es sich weiterhin mit seinen Freunden trifft und Dinge tut, die andere Kinder in dem Alter tun.

Mit Einbezug der Kinder sollte in einem guten Moment ein Notfallplan erarbeitet werden. In diesem wird festgelegt, was geschehen soll, wenn die Situation problematischer wird. Wenn das Kind weiß, was passieren wird, fühlt es sich sicherer und hat weniger Angst.

Befindet man sich in psychiatrischer Behandlung, ist es hilfreich, das Kind mit in die Therapie mit einzubeziehen; das heißt, der betroffene Elterteil sollte den Nachwuchs dort mit hinnehmen. Der Psychiater oder Psychotherapeut kann dabei helfen, dem Kind die Erkrankung zu erklären. Es gibt auch Kinderpsychiater, an die man sich wenden kann.

Sehr nützlich ist auch die Zuhilfenahme von speziellen Büchern für Kinder, die sich mit diesem Thema beschäftigen und die man sich mit den Kindern zusammen ansehen kann. Hier werden alle offenen Fragen kindgerecht erklärt. In einem Buchhandel kann man sich darüber informieren, welche Bücher es gibt und welche die richtige Wahl darstellen.

  • Albert Lenz, Eva Brockmann Kinder psychisch kranker Eltern stärken: Informationen für Eltern, Erzieher und Lehrer, Hogrefe Verlag, 2013, ISBN 3801724204
  • Albert Lenz, Johannes Jungbauer Kinder und Partner psychisch kranker Menschen: Belastungen, Hilfebedarf, Interventionskonzepte, dgvt-Verlag, 2008, ISBN 9783871590740

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