Psychodrama - Merkmale, Anwendungsgebiete und Ablauf

Das Psychodrama stellt eine kreative Variante der Psychotherapie dar. Ein bestehendes Problem wird dabei wie in einem Theaterstück dargestellt. Somit stellt die Handlung den zentralen Bestandteil dieses Verfahrens dar. Die Therapie kann bei unterschiedlichen Erkrankungen bzw. in zahlreichen Situationen zum Einsatz kommen. Informieren Sie sich über Merkmale, Anwendungsgebiete und Ablauf des Psychodramas.

Gracia Sacher
Von Gracia Sacher

Das Psychodrama - Merkmale und Funktion

Beim Psychodrama handelt es sich um eine kreative Form der Psychotherapie; ebenfalls wird es im Bereich der Schule und Erwachsenenbildung eingesetzt. Das Prinzip: bestehende Probleme werden ähnlich wie ein Theaterstück dargestellt. Dadurch, dass die Betroffenen die schwierige Situation aktiv nachspielen, kann ein besonderes Verständnis für den Konflikt aufgebracht werden.

Die Handlung - und nicht das Gespräch - stellt somit das zentrale Merkmal des Psychodramas dar. Zwischen acht und 15 Personen nehmen dabei in der Regel daran teil; dabei können die Teilnehmer ihre Thematik oder Spielwünsche einbringen.

Grundlagen des Psychodramas

Ins Leben gerufen wurde das Psychodrama von dem österreichisch-amerikanischen Psychiater Jacob Levy Moreno (1889-1974). Moreno galt als Pionier von Gruppenpsychotherapie und Gruppenpsychologie und entwickelte das Psychodrama in seiner Eigenschaft als Arzt eines Flüchtlingslagers.

Nach Auffassung von Moreno verfügt jeder Mensch über ein künstlerisches Potential. Dieses lässt sich durch die Annahme von psychischen oder sozialen Rollen entfalten. Außerdem gilt der Mensch als soziales und schöpferisches Wesen und sollte die Mitverantwortung für die Welt, in der er lebt, übernehmen.

Entwicklung des Psychodramas

Die Idee für die Entwicklung des Psychodramas kam Moreno im Jahr 1910 in Wien beim Beobachten von spielenden Kindern. Schließlich bildete er Kindergruppen, mit denen er aus dem Stegreif spielte. Auf diese Weise legte Moreno den Grundstein für das Psychodrama und die Gruppenpsychotherapie für Erwachsene.

Morenos Devise dabei war, dass Handeln heilender sei als Reden. So war es seine Absicht, mithilfe von Rollenspielen Konfliktsituationen aufzuzeigen und diese spielerisch zu bewältigen.

Einsatzgebiete des Psychodramas und wichtige Voraussetzungen

Die Einsatzgebiete des Psychodramas sind vielfältig. Sie kommt beispielsweise bei

  • Suchterkrankungen
  • psychosomatischen Beschwerden und
  • Angsterkrankungen

zur Anwendung. Nicht jeder eignet sich jedoch für diese Therapie, da die Patienten aktiv und kreativ sein müssen. Hat man Schwierigkeiten, seine Gefühle vor mehreren Menschen auszudrücken, ist das Psychodrama eher ungeeignet. Zudem sind Einfühlvermögen und Vorstellungskraft wichtig.

Wer das Psychodrama ausprobieren möchte, sollte zudem Vorstellungskraft und Einfühlvermögen besitzen. Schauspielerisches Können ist nicht notwendig, aber die Teilnehmer sollten sich in andere Situationen und Menschen hineinversetzen können.

Kostenübernahme durch die Krankenkassen

Von den gesetzlichen Krankenkassen werden die Kosten für die Therapie bislang nicht übernommen. Die Erstattung erfolgt nur dann, wenn es sich um ein Therapieangebot einer Klinik handelt, in der man sich aufgrund einer Erkrankung befindet. Je nach Thema und Situation kann die Behandlung bis zu mehrere Monate lang dauern.

Ablauf des Psychodramas

Jacob Levy Moreno beschrieb das Psychodrama einmal als Aktionsmethode. Genau wie im richtigen Leben stehen im Psychodrama Handlungen in Szenen im Zentrum des Geschehens, die stets innerhalb einer Gruppe erfolgen.

Allerdings findet kein Ablauf nach einem geregelten, festen Schema statt. Ein Erlernen durch Beobachten ist nicht möglich. Aus diesem Grund ist die aktive Teilnahme am Psychodrama also unumgänglich.

Ein typisches Merkmal des Psychodramas ist die Zusammenarbeit zwischen einer Personengruppe, die sich zu bedingungsloser Vertraulichkeit verpflichtet. Eine wichtige Rolle spielt dabei der Psychodramaleiter. Dieser arbeitet eine Geschichte für einen Protagonisten aus, der in den Mittelpunkt des Geschehens rückt.

Die drei Phasen des Psychodramas

Das Psychodrama läuft in drei Phasen ab.

  1. Phase 1 wird Erwärmungsphase genannt. Sie dient dazu, die Spielgruppe einzustimmen und das Thema, das behandelt werden soll, zu definieren.

  2. Die zweite Phase ist die Spielphase, in der die Gruppe das Thema spielerisch darstellt.

  3. Schließlich folgt die dritte und letzte Phase des Psychodramas: die Abschlussphase. Dabei berichten die Mitglieder der Gruppe über ihre Erlebnisse und Empfindungen während des Spiels.

Ein Gruppenmitglied muss also die erarbeitete Story auf der Bühne zum Besten geben. Ein extra angefertigtes Drehbuch gibt es jedoch nicht, sodass die Handlung aus der Situation heraus entsteht. Welche Szene das Mitglied der Gruppe mit den anderen Mitgliedern durchführen will, entscheidet es selbst.

Erwärmungsphase des Psychodramas

In der Erwärmungsphase können unterschiedliche Techniken durchgeführt werden. Der Leiter des Psychodramas erkundigt sich nach der Befindlichkeit der Teilnehmer; die Stimmungsdarstellung erfolgt dann beispielsweise über die Körperhaltung. Sofern sich die Teilnehmer untereinander noch nicht kennen, erfolgt eine Aufstellung etwa nach Alter oder Wohnort im Raum.

Aktionsphase des Psychodramas

In der Aktionsphase wird zunächst ein mit Problemen behaftetes Thema erläutert, welches bearbeitet werden soll. Dann gilt es, eine Szene zu erstellen, die die Abbildung dieses Problems darstellt.

Es gibt einen Protagonisten und seine Hilfs-Iche. Die Rollen können untereinander auch gewechselt werden. Diese Übung dient dem einfacheren Einfühlen der Person in andere Menschen. Ein solcher Rollentausch wird vom Leiter unterbrochen, wenn er der Ansicht ist, dass sich keine neuen Erkenntnisse dadurch ergeben.

Integrationsphase des Psychodramas

Anschließend erfolgt ein Austausch unter den Gruppenmitgliedern. Es wird über die Erfahrungen berichtet, die in ähnlichen Situationen gemacht wurden. Auch über die Gefühle spricht man jetzt.

Der Leiter schildert seine Beobachtungen. Wichtig ist, dass sich die Teilnehmer wohl und sicher fühlen.

Die Elemente des Psychodramas

  • Zu den wichtigsten Elementen des Psychodramas gehört der Rollentausch. Dieser soll dazu beitragen, Verständnis für eine andere Person zu erlangen, indem man eine bestimmte Situation aus deren Blickwinkel erlebt. Dabei nimmt ein Hilfs-Ich (ein Teilnehmer aus einer Gruppe, der vom Protagonisten ausgewählt wird) die gleiche Haltung wie der Protagonist ein, um Gedanken und Gefühle in der Ich-Form auszusprechen.

    Dieses Element wird als Doppeln bezeichnet und soll dazu beitragen, dass der Protagonist leichter seine eigenen Gefühle erkennt, wobei er das Gesagte auch korrigieren kann. Auf diese Weise wird dem Protagonisten dessen Handeln und Erleben erleichtert.

  • Ein weiteres Element ist das so genannte Spiegeln. Dabei wird eine Szene des Protagonisten von einem Doppelgänger wiederholt, der sowohl dessen Worte als auch dessen Gestik und Mimik imitiert. Der Protagonist nimmt sich dadurch wie in einem Spiegel wahr und kann emotionale Distanz herstellen.

    Außerdem hat er die Möglichkeit, mit dem Spielleiter über das eigene Verhalten zu reden. Dabei entstehen auch neue Ideen, wie der Protagonist sein eigenes Verhalten positiv verändern kann. So trägt die emotionale Distanz oft dazu bei, mehr Kreativität zu entwickeln.

Das Entwickeln neuer Verhaltensmöglichkeiten im Psychodrama

Ein wichtiger Aspekt des Psychodramas ist das Aktivieren von kreativen Möglichkeiten und Ressourcen, um neue Verhaltensmöglichkeiten zu entwickeln. Das heißt also, dass bei einem Psychodrama bestimmte Verhaltensweisen der agierenden Personen in Szene gesetzt werden. Diese probieren bestimmte Handlungen aus und vergleichen sie dann miteinander.

Außerdem erlebt der Protagonist die Handlungen aus verschiedenen Perspektiven. Gewissermaßen werden die Psyche selbst sowie ihre Probleme auf der Psychodramabühne inszeniert.

Ein Nachspielen findet während des Psychodramas nicht statt. Möchte der Protagonist in die Rolle einer Person schlüpfen, mit der er Kontakt aufnehmen will, kann er dies tun. Auf diese Weise lernt er die andere Seite der Interaktion kennen und betrachtet sein eigenes Gebaren im Spiegel einer anderen Person. Dabei hat er die Gelegenheit, Dinge zu sagen, die er normalerweise nicht mitteilen würde.

Hat der Protagonist seinen Part zu Ende gespielt, geht er wieder zurück in die Gruppe. Diese teilt ihm dann mit, ob sie bereits ähnliche Erlebnisse hatte. Dabei kann der Protagonist erfahren, wie die anderen Personen diese Situation erlebt haben und was in ihnen vorging.

  • Wird das Psychodrama korrekt angewandt, hilft es beim Kennenlernen anderer Menschen sowie des eigenen Handelns.
  • Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, neue Lösungen für scheinbar festgefahrene Probleme zu finden.

Das Psychodrama gilt für fast alle Altersgruppen als geeignet.

Nähe zum Theater im Psychodrama

Die Bezeichnungen beim Psychodrama weisen Ähnlichkeiten zu Theaterbegriffen auf. So gibt es dabei:

  • Protagonisten
  • Antagonisten
  • Zuschauer

Die Rolle des Regisseurs übernimmt der Therapeut.

Einsatzmöglichkeiten des Psychodramas

Das Psychodrama bietet vielfältige Einsatzmöglichkeiten. So kommt es im Rahmen einer Einzeltherapie, Gruppentherapie oder Familientherapie zur Anwendung. Aber auch für die Personal- oder Teamentwicklung sowie für die Drogenarbeit ist die Methode geeignet. Behandelt werden in erster Linie zwischenmenschliche Konflikte zwischen Paaren oder innerhalb von Gruppen.

  • Durch die spielerische Psychotherapie können die Teilnehmer die Ursachen der Konflikte erkennen und ihnen entgegenwirken.
  • Indem sie neue Verhaltensmuster einstudieren, lassen sich alte und festgefahrene Verhaltensweisen abbauen.
  • Im Rahmen des Psychodramas werden auch Grenzen aufgezeigt und akzeptiert.
  • Außerdem lernen die Teilnehmer, wie Frustrationen und Kränkungen besser zu verarbeiten sind.

In Deutschland wird das Psychodrama, im Unterschied zu Österreich, von den Krankenkassen nicht als ambulantes Psychotherapieverfahren anerkannt. Stattdessen führt man es in der Bundesrepublik vor allem in Kliniken durch. Psychodramen kommen aber auch häufig in betrieblichen oder pädagogischen Bereichen zur Anwendung.

Humanistisches Psychodrama

Beim Humanistischen Psychodrama (HPD) gilt das Menschenbild der Humanistischen Psychologie. Das heißt, dass dabei sämtliche Methoden und Regeln der Humanistischen Psychologie befolgt werden. Diese wurden in den 80er Jahren in Duisburg von dem deutschen Psychologen und Psychodramatherapeuten Hans-Werner Gessmann entwickelt.

Dabei betrachtet sich das Humanistische Psychodrama als entwicklungsorientierte Psychotherapie. Zu den wichtigsten Aspekten zählen dabei vor allem Selbstverwirklichung und Selbsterfahrung.

Fazit

Nach Ansicht von Jakob Levy Moreno entsteht spontanes konstruktives Handeln, wenn der Protagonist es vermag, eine neue und sinnvolle Reaktion auf eine bestimmte Situation zu finden.

Durch die spielerische Darstellung lassen sich neue und alternative Verhaltensweisen ausprobieren. Außerdem soll den agierenden Personen dabei ihr Handeln bewusst gemacht werden, damit sie in der Lage sind, ihr Verhalten zum Besseren zu ändern.

Psychodrama-Ausbildung

Die Ausbildung zum Psychodramatiker erfolgt im Rahmen der großen Weiterbildung; sie dauert fünf Jahre und kann berufsbegleitend absolviert werden. Zu den Bestandteilen zählen die zweijährige Unterstufe, die mit dem Titel Psychodrama-Praktiker endet, sowie die dreijährige Oberstufe, mit der man zum Therapeuten wird.

Mit Abschluss der Grundstufe kann man innerhalb des eigenen Berufsfelds bestimmte Techni-ken des Psychodramas anzuwenden. Graduierte Psychodrama-Therapeuten, die die Oberstufe abge-schlossen haben, können Psychodrama eigenverantwortlich anwenden, so etwa zur Erweiterung der Sozialkompetenz, zur Entwicklung der Persönlichkeit oder in sozialpädagogischen Handlungsfel-dern.

Um Psychodrama-Praktiker zu werden, braucht man einen Fachschulabschluss oder/sowie eine abgeschlossene Berufsausbildung. Für die Weiterbildung zum Psychodramaleiter bedarf es eines Hochschulstudiums. In der Regel wird ein Mindestalter von 22 Jahren vorausgesetzt. Zugelassen werden beispielsweise

  • Sozialarbeiter
  • Pädagogen
  • Sozialpädgogen
  • Theologen und
  • andere Akademiker, die qualifizierte Berufe ausüben