Mentale Techniken wie z.B. die Visualisierung für Motivation im Leistungssport

Speerwurf-Europameisterin Steffi Nerius vertraut genauso darauf wie Schwimm-Star Britta Steffens. Auch Golf-Legende Tiger Woods ist ein glühender Verfechter dieser noch jungen Erfolgskomponente des Sports. Die Rede ist vom Mentaltraining. Neben der regelmäßigen physischen Belastung wird in Zeiten einer immer größer werdenden Leistungsdichte die psychologische Seite des Leistungssport zum entscheidenden Faktor. In dem großen Wissensfeld des Mentaltrainings nimmt die sogenannte Visualisierung eine zentrale Stellung ein.

Von Andreas Hadel

Mit mentalen Techniken dem Ziel im Leistungssport näher kommen

Die Olympischen Spiele und die Weltmeisterschaften gelten als Ziel eines jeden Sportlers. Doch nur wenigen von ihnen wird der Weg dorthin tatsächlich geebnet. Mehr noch, auf einen Erfolg darf lediglich die Spitze der Athleten hoffen. Mentale Trainingsmethoden sollen die Aussicht auf den großen Triumph aber anheben.

Senken des Trainingsvolumens

In den Wochen vor einem Triathlon beginnen Athleten, ihr Trainingsvolumen zu reduzieren, fügen Workouts ein, die speziell vor dem Wettkampf gemacht werden und nehmen viele "Brennstoffe" zu sich, um ihre Muskeln mit Glycogen zu füllen. Das Senken des Trainingsvolumens setzt Zeiten frei, die sonst für das praktische Training der Physis eingesetzt werden.

Während diese freie Zeit gut für die Regeneration des Körpers ist, kann es schwer für den Sportler schwierig werden, nicht laufend an den Wettkampf zu denken.

Negative Gedanken

Manchmal verunsichert man sich selbst. Diese Art des Denkens kann unter Umständen Zweifel an der Vorbereitung schüren.

  • Wurde genügend Geld für Ausrüstung, Supplemente und Trainingseinheiten investiert?
  • Wurde genügend Zeit in die Vorbereitung eingebracht?

Dazu kommt letztendlich grundsätzliche Aufregung vor dem Beginn des Wettkampfs. Diese Gedanken können sehr schnell, sehr tiefsitzende Gefühle von

freisetzen und letztlich zu psychischem Druck führen, der alles andere als förderlich für eine neue Bestleistung ist. Für Athleten sind Gedanken zur Selbstbestätigung und bestärkende Selbstgespräche der wichtigste Einflussgeber, um die Leistung nicht nur durch physisches gutes und starkes Training, sondern auch durch positive und bestärkende psychische Gedanken zu fundamentieren. Destruktive Denkweisen können einen ansonsten rundum körperlich gut vorbereiteten Athleten psychisch in die Knie zwingen.

Mentale Techniken als Basis der sportlichen Leistungen

Über lange Jahrzehnte hinweg galt die Faustformel, dass ein Sportler einzig hart trainieren muss, um sein Ziel zu erreichen. Diese Ansicht ist mittlerweile jedoch nicht mehr üblich.

Zu viele Einflüsse im Leben des Athleten können seine Stärken unterstreichen oder sein Potenzial ungenutzt lassen. Neben der Ernährung und dem allgemeinen Tagesverlauf nimmt dabei auch der mentale Aspekt des Menschen eine wichtige Rolle ein.

Seit den 1960er bis 1970er Jahren ist von Trainingsmethoden die Rede, die den Sportler dazu führen, den Fokus und die Konzentration gänzlich auf sein Ziel zu richten. Oft sind es gerade diese Details, die letztlich den Unterschied zwischen Siegen und Niederlagen bedeuten. Aber auch die Betätigung der Extremsportarten unter oft widrigen Bedingungen gelingt mit dem mentalen Rüstzeug besser.

Mentales Training für positive Gedanken

Die Kopfübungen, die vom Athleten vor dem Rennen geübt werden, sind in der Regel im Rennen abrufbar. Ein Wettkampf ist schnell beendet, wenn die destruktiven Gedanken während des Wettkampfs am Athleten nagen und er neben der körperlichen Anstrengung und der ihn umgebenden Konkurrenz auch gegen seinen Kopf, den härtesten Gegner in sich tragend, zu wettstreiten hat.

Die gute Nachricht ist, dass man negative Denkmuster verändern und verbessern kann, indem man sich einen inneren mentalen Coach erschafft. Spitzenathleten arbeiten kontinuierlich an ihrer mentalen Stärke.

Mentaltraining um negative Denkmuster zu verändern
Mentaltraining um negative Denkmuster zu verändern

Welche Ziele verfolgt das mentale Training?

Damit der Athlet für den Wettkampf bestens gerüstet ist, muss er auch sein Unterbewusstsein stärken. Auf diese Weise gelingt es ihm im entscheidenden Moment, die Konzentration und die Erregung zu erhöhen, gleichzeitig aber Unwichtiges auszublenden.

Ebenso wird er mit solchen Methoden in die Lage versetzt, gewisse Abläufe wieder und wieder zu trainieren. Beispielhaft sei der Rennfahrer genannt, der bereits vor der Startflagge den Parcours mehrere Dutzend Male gedanklich abfährt und später blind weiß, wann er wie zu reagieren hat.

Letztlich soll der Athlet mit den Techniken aber auch auf eigene Schwächen hingewiesen werden. Sie lassen sich im mentalen Zustand eher als im Wettkampf beheben.

Methoden

Grundlegend werden vier Methoden unterschieden, mit denen der Athlet sein Unterbewusstsein stärken kann.

Das subvokale und das external observative Training

Die Erste von ihnen wird als subvokal bezeichnet und umfasst eine relativ simple Anwendung: Der Betroffene

  • führt dabei Selbstgespräche
  • ruft sich seine Stärken ins Gedächtnis
  • warnt sich selbst vor Schwächen und
  • mahnt kritische Punkte etwa in einer Spielsimulation an.

Das rechtzeitige Bemerken destruktiver Gedanken, die diese negativen Gefühle hervorrufen, ist ein erster und entscheidender Schritt, diese immer wiederkehrende Spirale zu beenden und von Mal zu Mal kleiner zu machen.

Die zweite Form des Trainings setzt auf die external observative Anwendung, bei der der Sportler

  • sich alle wichtigen Szenen auf Video anschaut oder Bilder zur Betrachtung nutzt.

Auf beiden Wegen soll ihm die zu verändernde Situation wieder und wieder verdeutlicht werden, wobei er deren Umsetzung selbst übernimmt.

Das internal observative und das ideomotorische Training

Die dritte Form der mentalen Stärkung ist in den internal observativen Übungen zu sehen. Sie stellen gewissermaßen die Fortsetzung des external observativen Trainings dar, weil hier

  • die zunächst betrachteten Sequenzen nun vor dem geistigen Auge verinnerlicht werden und erst dadurch dem Unterbewusstsein als eigene Anschauungsweise zur Verfügung stehen.

Die letzte der vier Maßnahmen umfasst das ideomotorische Training. Hierbei

  • vergegenwärtigt sich der Athlet alle Anwendungen, die er etwa während einer Spielszene vornehmen muss.

Er bewertet die Situation daher nicht von außen, sondern versetzt sich in sie hinein und versucht dabei, die Lösungswege für jede neue Herausforderung in dem Moment zu finden.

Weitere Formen des Trainings

Neben den genannten Methoden haben sich in den letzten Jahren diverse Weiterentwicklungen etabliert. Hierbei wird beispielsweise auf die Hypnose gesetzt. Auch kann eine grundlegende psychologische Begleitung den Sportler zum Ausschöpfen seines Potenzials führen und dafür sorgen, dass er sich in bestimmten Momenten gänzlich auf sein Ziel fokussiert.

Aus dem asiatischen Lebensraum dringt dagegen die Kontrolle der Nachtträume in den westlichen Lebensstil ein: Damit ist es möglich, die Traumsequenzen zu beeinflussen und bestimmte Handlungsweisen bis zur Perfektion auszuführen.

Welche Option für einen Sportler am erfolgreichsten ist, muss dagegen zuvor genau erörtert werden. Jede von ihnen erfordert eine lange Dauer, um dieses Werkzeug der mentalen Stärkung auch optimal einsetzen zu können. Vom Breiten- bis hin zum Extremsport lassen sich die Möglichkeiten aber in jedem Wettkampf nutzen.

Das Prinzip der Visualisierung

Bei dieser psychologischen Technik stellt sich der Athlet vor, wie er eine für seine Sportart typische Bewegung oder Disziplin ausführt. Dabei ist das weit entfernt von Tagträumerei. Eher ist es harte, geistige Arbeit.

Denn der Sportler muss sich dabei intensiv auf jede einzelne Feinheit des Bewegungsablauf konzentrieren und in Gedanken möglichst perfekt absolvieren. Obwohl der Sportler die Übung nur in seinen Gedanken durchspielt, kann er damit ähnliche Erfolge erzielen, als wenn er sie tatsächlich auf dem Sportplatz trainiert hätte.

Beispiel Kraftsport

Warum das funktioniert, lässt sich ganz einfach erklären, wenn wir den Kraftsport als Beispiel heranziehen: zunächst muss man wissen, dass eine Erhöhung der Muskelkraft nicht automatisch mit einem Plus an Muskelmasse verbunden ist, da ein Muskel in erster Linie durch eine Anpassungsreaktion des Nervensystems leistungsfähiger wird.

Das bedeutet, dass das Nervensystem lernt, wie es die Muskelkontraktion optimal steuern muss, um bei einer bestimmten Bewegung mehr Kraft zu erzeugen. Erst wenn die vorhandene Anzahl an Muskelzellen nicht mehr ausreicht, um der Belastung gerecht zu werden, kommt es zu einer Vermehrung der kontraktilen Elemente und demzufolge zu einem Massezuwachs.

Hinsichtlich der Beziehung von Nervensystem und Kraftvermögen ist eine Studie aus dem Jahr 2000 sehr interessant. Und zwar konnten Wissenschaftler belegen, dass bei Patienten, die an Tinnitus (Ohrengeräusche) leiden, das Gehirn nicht unterscheiden kann, ob der Nervenimpuls tatsächlich von einem echten Geräusch oder von einem "Phantomgeräusch" ausgelöst wurde. Die gleiche Erkenntnis wurde auch von Forschern bestätigt, die Patienten untersuchten, die an Halluzinationen leiden.

Daraus ergibt sich die Frage, ob auch die umgekehrte Richtung gilt. Kann man dem Nervensystem eine Belastung durch konzentriertes Imaginieren vortäuschen und dadurch eine Anpassungsreaktion erzeugen?

Ein Experiment

Um eine Antwort auf diese Frage geben zu können lud eine schwedische Forschungseinrichtung Probanden zu einem mehrwöchigen Experiment ein. Dabei mussten sich die Teilnehmer mehrmals pro Woche in Gedanken vorstellen, wie sie ihren rechten Arm hart anspannen. Ein zusätzliches Krafttraining wurde nicht absolviert. In der Tat konnten in der Auswertung signifikante Kraftsteigerungen festgestellt werden.

Ob diese Steigerung jedoch genauso groß ist, wie es bei einem echten Widerstandstraining der Fall gewesen wäre, wurde nicht näher untersucht. Mit Sicherheit lässt sich aber durch das mentale Training eine nachweisliche Leistungsverbesserung erzielen.

Die Perfektionierung von Bewegungsabläufen mit Visualisierung
Die Perfektionierung von Bewegungsabläufen mit Visualisierung

Zwei Arten der Visualisierungs-Technik

Sportpsychologen und Mentaltrainer bezeichnen das bewusste "Träumen" als Visualisierung. Dabei unterscheidet man diese Technik in zwei Arten.

  • Bei der einen Technik betrachtet sich der Sportler selbst als Außenstehender. Er sieht in Gedanken also gewissermaßen einen Film, wie er seine gewünschte Leistung erzielt.
  • Bei dem zweiten Ansatz muss sich der Trainierende so detailliert wie möglich vorstellen, wie schwer sich seine neue Rekordlast anfühlen würde, wie kalt sich die Hantel anfühlt und wie sich die Muskeln unter der Belastung immer stärker anspannen.

Während die erste Technik doch eher als Tagträumerei anmutet, hat sich die zweite im Leistungssport etabliert. Zusammenfassend muss gesagt werden, dass die Visualisierung sicher kein "reales" Training ersetzt, aber es kann unterstützend wirken und das Leistungspotential ausreizen.

Tipps für das Ausführen des Trainings

Wenn Sie diese Form des Mentaltrainings für ihre eigenen sportlichen Ziele nutzen möchten, dann sollten Sie dabei so genau wie möglich vorgehen.

  • Malen Sie sich als Einstieg aus, welche Farbe ihre Trainingskleidung hat und tauchen Sie dann tiefer in ihren Körper hinein, um jeden Zentimeter des Bewegungsablaufes der Übung ihrer Wahl in Gedanken durchzugehen.
  • Vergessen Sie nicht, dass hierbei das Fühlen der eingebildeten Belastung essentiell für die Wirkung dieser psychologischen Technik ist.

Notwendig für den Erfolg

Mag es bis vor wenigen Jahrzehnten möglich gewesen sein, einen sportlichen Wettkampf alleine mit den körperlichen Stärken zu dominieren, so sind sich Experten darüber einig, dass ein Ausbruch aus der Weltspitze gegenwärtig nur dann gelingt, wenn auch die mentalen Fähigkeiten auf höchstem Niveau trainiert werden.

Gerade bei den immer größer werdenden Veranstaltungen, den lukrativen Angeboten des Sponsors oder dem wachsenden medialen Druck ist der Fokus auf das eigentliche Ziel wichtiger denn je.

Der Sportler tut also gut daran, derartige Maßnahmen bereits im relativ jungen Alter zu verinnerlichen, sie aber im Laufe der Jahre stetig auszubauen und sie neben den physischen Attributen als zweite Säule des angestrebten Erfolgs zu betrachten.