Windpocken bei Erwachsenen

Die Windpocken gelten als Kinderkrankheit, da sie überlicherweise im Kindesalter auftreten. Einige Menschen bleiben als Kind aber von der Virusinfektion verschont und erkranken erst als Erwachsene daran. Das Krankheitsbild der Windpocken im Erwachsenenalter weist keine großen Unterschiede auf, allerdings kann es bei Erwachsenen eher zu schweren Komplikationen kommen. Gefährlich können Windpocken vor allem für Schwangere und Menschen mit geschwächtem Immunsystem werden. Lesen Sie hier alles Wichtige über Anzeichen, Komplikationen und Behandlung der Windpocken bei Erwachsenen.

Von Jens Hirseland

Windpocken zählen zu den am häufigsten vorkommenden Kinderkrankheiten. Sie gelten als sehr ansteckend und machen sich durch rötlichen Hautausschlag bemerkbar, der stark jucken kann. Die Infektion kommt aber nicht nur bei Kindern vor, sondern tritt mitunter auch bei erwachsenen Personen auf. Nicht selten zeigen sich dabei unangenehme Komplikationen. Als besonders bedenklich gelten Windpocken während der Schwangerschaft. Darüber hinaus besteht das Risiko, dass die Viren im fortgeschrittenen Alter eine Gürtelrose hervorrufen.

Windpocken in Deutschland

Viren der Gürtelrose
Herpesviren sind für die Erkrankung verantwortlich

Die Windpocken tragen auch die Bezeichnung Varizellen und werden vom Varizella-Zoster-Virus verursacht, das zu den Herpesviren gehört. Allein in Deutschland kommt es pro Jahr zu ungefähr 750.000 Neuerkrankungen. Davon betroffen sind auch Erwachsene.

Bei erwachsenen Menschen zeigen sich die Windpocken prinzipiell nur selten. Grund dafür ist, dass die meisten Menschen bereits in ihrer Kindheit erkranken und die Varizellen-Infektion kein zweites Mal einsetzt. Bei etwa fünf Prozent aller Erwachsenen besteht dieser natürliche Schutz vor Windpocken jedoch nicht, da sie in ihrer Kindheit nicht unter der Erkrankung litten und auch keinen Impfschutz erhielten.

Krankheitsverlauf bei Erwachsenen

Zu Beginn verlaufen die Windpocken eher untypisch. Als spezifisches Anzeichen gilt die Bildung von Hautausschlag, der meist stark juckt. Im Unterschied zu Kindern bilden sich bei erwachsenen Patienten mehr Bläschen. Darüber hinaus fühlen sich die betroffenen Personen sehr krank.

In der Regel verlaufen die Windpocken aber auch bei erwachsenen Menschen unkompliziert und klingen nach einigen Tagen allmählich wieder ab. Es gibt jedoch Patienten, bei denen ein höheres Risiko für Komplikationen besteht. Dabei handelt es sich um schwangere Frauen und Menschen mit einem geschwächten Immunsystem.

Gefahr von Komplikationen

Bei erwachsenen Patienten besteht ein fünf Mal so hohes Risiko, dass es bei ihnen zu einer schweren Varizellen-Pneumonie kommt. In besonders schweren Fällen nimmt diese von den Windpocken hervorgerufene Lungenentzündung sogar einen tödlichen Verlauf. Besonders groß ist die Gefahr bei schwangern Frauen.

Weitere denkbare Komplikationen bei erwachsenen Windpockenpatienten sind Störungen des zentralen Nervensystems wie Nackensteife oder Beeinträchtigungen des Gleichgewichts.

Des Weiteren besteht die Gefahr, dass eine schwangere Patientin die Varizellen auf ihr ungeborenes Kind überträgt. Dadurch drohen wiederum Fehlbildungen.

Komplikation Gürtelrose

Gürtelrose-Patienten litten bereits in früheren Jahren unter einer Windpocken-Infektion. Ausgelöst wird die Gürtelrose durch das Reaktivieren der Windpockenerreger, die nach der Erkrankung im Körper verbleiben. Von einer Gürtelrose sind in der Regel nur erwachsene Menschen betroffenen. Nur äußerst selten zeigt sie sich bei Kindern.

Lesen Sie mehr darüber in unserem Artikel Gürtelrose.

Windpocken-Symptome bei Erwachsenen

Zunächst fühlt sich der erwachsene Patient schlapp und erschöpft. Später setzt auch Fieber bis zu 39 Grad Celsius ein, sodass die Erkrankten zunächst annehmen, sie litten unter einer Grippe.

Der typische Hautausschlag zeigt sich normalerweise am dritten Tag in Form von kleinen, roten Bläschen. Diese können stark jucken und verkrusten sich. Im Abstand von drei bis fünf Tagen bilden sich immer wieder neue Bläschen. Besonders betroffen vom Hautausschlag sind das Gesicht und der Oberkörper. Im weiteren Verlauf gehen die Bläschen auf die Gliedmaßen über. Auch an der Kopfhaut, der Mundschleimhaut sowie an den Genitalien können sich die Ausschläge im Endstadium der Krankheit zeigen.

Mann mit Windpocken
Junger Mann mit verkrusteten Bläschen aufgrund des starken Juckreizes

Anzeichen von Komplikationen

Leichte bis mittelschwere Komplikationen setzen bei ca. 5,7 Prozent aller erwachsenen Windpockenpatienten ein. Dank moderner Impfprogramme lässt sich die Anzahl an Neuerkrankungen in Deutschland glücklicherweise auf 2 bis 7 von 100.000 Bundesbürgern begrenzen.

Zeigen sich nur Hautausschlag, Fieber und Abgeschlagenheit, verlaufen die Windpocken meist unkompliziert. Treten jedoch Folgeerscheinungen auf, macht sich dies durch weitere Beschwerden bemerkbar, zum Beispiel ein Gefühl der Nackensteife oder Gangunsicherheiten, wenn das Nervensystem in Mitleidenschaft gezogen wird.

Als häufigste Komplikation der Windpocken gilt die bakterielle Superinfektion bzw. Lungenentzündung mit einem Anteil von 0,2 bis 0,3 Prozent. Für diese sind zumeist Staphylokokken-Bakterien verantwortlich. Atemnot kann auf eine Lungenentzündung hindeuten.

Als weitere schwere Folgeerscheinung gilt das Reye-Syndrom, das mit einer Gehirnentzündung einhergeht. Darüber hinaus können sich die Blutgefäße verändern, wodurch die Gefahr von Schlaganfällen besteht.

Windpocken bei Schwangeren

Schwangere Frau hält ihren Babybauch
Windpocken bei Schwangeren können zu Fehlbildungen beim Ungeborenen führen

Rund drei bis vier Prozent aller gebärfähigen Frauen sind nicht in der Lage, Antikörper gegen Windpocken zu bilden, sodass bei ihnen eine erhöhte Empfindlichkeit für die Varizellen-Infektion besteht. Allerdings sind Windpocken während der Schwangerschaft nur äußerst selten zu verzeichnen. So erkranken von 10.000 Schwangeren lediglich 1 bis 7.

Dennoch erfährt das Windpockenrisiko während der Schwangerschaft eine erhöhte Aufmerksamkeit, weil dem ungeborenen Kind erhebliche Gefahren drohen. Welcher Art die Schäden sind, richtet sich nach dem Zeitpunkt der Krankheitsübertragung.

Diagnose der Windpocken bei Erwachsenen

Um Windpocken bei Erwachsenen spezifisch zu diagnostizieren, ist eine Untersuchung bei einem Facharzt erforderlich. Von ihm wird der Hautausschlag genau untersucht. Anhand der Diagnose ordnet der Arzt eine sinnvolle Behandlung an. Dabei erfolgt in der Regel lediglich die Therapie der Begleiterscheinungen.

Behandlung der Windpocken bei Erwachsenen

Im Rahmen der Windpocken-Therapie werden nicht die Verursacher der Erkrankung, also die Viren, sondern die Symptome behandelt.

Zur Linderung des Juckreizes besteht die Option, kühle, feuchte Kompressen auf die betroffenen Hautstellen aufzulegen. Einen ähnlichen Effekt bewirken Kompressen, die in Kamillentee getränkt werden. Als sinnvoll gilt zudem das Auftragen von zinkhaltigen Cremes und Lotionen. Von dem Einsatz von Salben wird hingegen abgeraten, weil sie gute Bedingungen für Bakterien schaffen. Ist der Juckreiz stark ausgeprägt, wird die Gabe von Antihistaminika empfohlen.

Leidet der Patient unter Fieber, können Arzneistoffe wie Ibuprofen oder Paracetamol verabreicht werden. Erwachsene Patienten dürfen zudem auf Medikamente mit Acetylsalicylsäure (ASS) zurückgreifen, die sich für Kinder nicht eignen.

Im Falle eines geschwächten Immunsystems gilt die Darreichung von Virostatika wie Aciclovir als ratsam, da sie die Viren daran hindern, sich zu vermehren.

Vorbeugung durch Impfung

Ungeschützten Erwachsenen wird von der STIKO (Ständige Impfkommission) empfohlen, sich einer Schutzimpfung gegen Windpocken zu unterziehen.

Als Risikogruppen gelten besonders

  • Frauen, bei denen sich keine Antikörper gegen die Varizellen nachweisen lassen und die einen Kinderwunsch verspüren,
  • Berufsgruppen, bei denen eine verstärkte Ansteckungsgefahr besteht wie medizinisches Personal, sowie
  • Personen, die vor einer Behandlung stehen, in deren Rahmen das Immunsystem geschwächt wird.

Um einer Infektion mit Windpocken entgegenzuwirken, sollten alle anderen ungeschützten Erwachsenen den Kontakt zu Menschen meiden, die unter einer akuten Windpocken-Infektion leiden.

  • Reinhard Strametz Grundwissen Medizin: für Nichtmediziner in Studium und Praxis, UTB GmbH, 2017, ISBN 3825248860
  • Stefan Gesenhues, Anne Gesenhues, Birgitta Weltermann Praxisleitfaden Allgemeinmedizin: Mit Zugang zur Medizinwelt (Klinikleitfaden), Urban & Fischer Verlag/Elsevier GmbH, 2017, ISBN 3437224476
  • Uwe Beise, Uwe Beise, Werner Schwarz Gesundheits- und Krankheitslehre: Lehrbuch für die Gesundheits-, Kranken- und Altenpflege, Springer Medizin Verlag, 2013, ISBN 9783642369834
  • Susanne Andreae, Peter Avelini, Peter Avelini, Martin Hoffmann, Christine Grützner Medizinwissen von A-Z: Das Lexikon der 1000 wichtigsten Krankheiten und Untersuchungen, MVS Medizinverlage Stuttgart, 2008, ISBN 3830434545
  • Susanne Andreae, Peter Avelini, Melanie Berg, Ingo Blank, Annelie Burk Lexikon der Krankheiten und Untersuchungen, Thieme Verlagsgruppe, 2008, ISBN 9783131429629
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  • Gerd Herold Innere Medizin 2019, Herold, 2018, ISBN 398146608X
  • Gerd Herold Innere Medizin 2020, Herold, 2019, ISBN 3981466098
  • Malte Ludwig Repetitorium für die Facharztprüfung Innere Medizin: Mit Zugang zur Medizinwelt, Urban & Fischer Verlag/Elsevier GmbH, 2017, ISBN 3437233165

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