Wissen über neurologische Mechanismen bestimmt Strafen und Moralvorstellungen

Von Ingo Krüger
20. Juni 2014

Der Begriff Willensfreiheit ist immer wieder Gegenstand von wissenschaftlichen Diskussionen. Die Ansichten, wie frei der freie Wille wirklich ist, gehen weit auseinander. Unterschiedlich ist daher auch die Beurteilung von Handlungen und Entscheidungen. Dies betrifft auch die persönliche Verantwortung bei Straftaten.

Eine Studie US-amerikanischer Wissenschaftler hat jetzt gezeigt, dass Personen, die grundlegende Ahnung von neuronalen Prozessen haben, Kriminellen weniger Schuld an ihrer Tat geben und daher milder urteilen.

Wissen über neuronale Prozesse wirkt sich auf Straftatbewertung aus

Bei einem Versuch erhielten zwei Gruppen unterschiedliche Texte. Eine Abhandlung stellte das menschliche Handeln vor allem als eine Folge von neuronalen Mechanismen dar. Die Bedeutung des freien Willens wäre demnach eher eingeschränkt. Eine andere Gruppe las dagegen einen Aufsatz, der in keinem Zusammenhang mit dem Thema Willensfreiheit oder Hirnforschung stand. Danach sollten alle Probanden entscheiden, ob ein fiktiver Krimineller eine Gefängnisstrafe erhalten sollte oder nicht.

Dabei zeigte sich, dass diejenigen, die den neurowissenschaftlichen Text gelesen hatten, bei einem Totschläger einen Freiheitsentzug von bis zu fünf Jahren aussprachen. Das Urteil der übrigen Testpersonen fiel dagegen schärfer aus. Sie schickten den erfundenen Täter für durchschnittlich zehn Jahre hinter Gitter. Befragungen ergaben, dass die Differenz im Strafmaß auf einer unterschiedlichen Einschätzung der Schuldfähigkeit des Täters basierte.

Bildungsgrad beeinflusst Moralvorstellungen

Der Versuch, so die Meinung der Forscher, zeige, dass Lerninhalte selbst so etwas Grundsätzliches wie Einstellungen gegenüber der Bedeutung von Moral und Verantwortung beeinflussen und sogar verändern können. Die Auswirkungen wissenschaftlicher Bildung auf die Gesellschaft sei daher groß, so das Fazit der Experten.