Aufbau und Merkmale der unterschiedlichen Blutgruppensysteme

Das Blut des Menschen wird in verschiedene Blutgruppen eingeteilt. Insgesamt gibt es 29 unterschiedliche Blutgruppensysteme.

Von Jens Hirseland

Blutgruppe

Spricht man von einer Blutgruppe, ist damit die individuelle Zusammensetzung von Proteinen oder Glykolipiden auf der Oberfläche der Erythrozyten (rote Blutkörperchen) gemeint. Unterschiede bestehen durch verschiedene Oberflächenantigene an der Membran der roten Blutkörperchen.

Die Blutgruppen spielen eine wichtige Rolle bei der Übertragung von Blut von einem Menschen zum anderen, bei der so genannten Bluttransfusion. So kommt es bei der Vermischung von unterschiedlichen Blutgruppen zur Bildung von Antikörpern durch das Immunsystem des Organismus.

Die Bindung durch die Antikörper hat eine schädliche Verklumpung der roten Blutzellen zur Folge. Aus diesem Grund endeten viele Bluttransfusionen vor der Entdeckung der Blutgruppen tödlich.

Blutgruppensysteme

Der Mensch verfügt über insgesamt 29 verschiedene Blutgruppensysteme. Die meisten davon haben keine größere Bedeutung.

Allerdings können sie bei bestimmten Krankheiten von Interesse für die Medizin sein. Zu den wichtigsten Blutgruppensystemen des Menschen gehören

  • das AB0-System
  • das Rhesus-System
  • das Kell-System
  • das MN-System sowie
  • das Duffy-System.

Zusammengesetzt wird ein Blutgruppensystem entweder aus einem oder aus mehreren Antigenen. Diese befinden sich auf der Membran der Erythrozyten und sind in der Lage, Antikörper gegen die gleiche Spezies zu bilden. Mithilfe von codierenden Genen lassen sich die Antigene einem Blutgruppensystem zuordnen.

Im Folgenden gehen wir etwas genauer auf die einzelnen Blutgruppensysteme ein.

Das AB0-System

Das erste Blutgruppensystem, das entdeckt wurde, ist das AB0-System. Für Bluttransfusionen ist es von höchster Bedeutung.

Geschichte

Entdeckt wurde das AB0-Sytem im Jahr 1901 von dem österreichischen Serologen Karl Landsteiner (1868-1943), der die Gruppen A, B und 0 beschrieb. Ein Jahr später gelang es Adriano Sturli und Alfredo von Castello auch den Typ AB zu finden.

Bei seinen Forschungen stellte Karl Landsteiner fest, dass sich auf der Oberfläche der Erythrozyten zwei verschiedene Antigene befanden. Diesen gab er die Namen A und B. Außerdem fand Landsteiner heraus, dass die Antigene sich von Mensch zu Mensch häufig unterschieden.

Schließlich kam es zur Einteilung der vier Blutgruppen des AB0-Systems, dessen Vererbungsregeln 1910 zum ersten Mal von den Medizinern Emil von Dungern (1867-1961) und Ludwig Hirszfeld (1884-1954) beschrieben wurden. 1928 erfolgte die internationale Übernahme der Blutgruppenbezeichnung. 1930 wurde Karl Landsteiner mit dem Nobelpreis für Medizin für seine bedeutende Entdeckung ausgezeichnet.

AB0-System

  • Menschen, die die Blutgruppe A aufweisen, haben auf der Oberfläche der roten Blutkörperchen das Antigen A.
  • Liegt dagegen die Blutgruppe B vor, handelt es sich um das Antigen B.
  • Verfügen die Erythrozyten über beide Antigene, spricht man von Blutgruppe AB.
  • Blutgruppe 0 hat ein Mensch, wenn weder das Antigen A, noch das Antigen B vorhanden sind.

Entsprechend der fehlenden Antigene werden vom Abwehrsystem des Körpers Antikörper gebildet.

  • Weist ein Mensch die Blutgruppe A auf, bilden sich Antikörper gegen Blutgruppe B.
  • Das Gleiche gilt für den umgekehrten Fall.
  • Keine Antikörper entstehen hingegen bei Blutgruppe AB,
  • während bei Blutgruppe 0 sowohl Antikörper gegen A als auch gegen B gebildet werden.

Häufig befindet sich noch ein anderes Eiweißmolekül, das so genannte Rhesus Antigen (Rh Antigen), auf der Zelloberfläche. Ist dies der Fall, gilt die Blutgruppe als positiv (+), anderenfalls als negativ (-).

In der folgenden Tabelle erhalten Sie eine bessere Veranschaulichung.

AB0-System
BlutgruppeBildung von Antikörpern gegenVorhandenes Antigen
A+BAntigen A und RH Antigen
A-BAntigen A
B+AAntigen B und Rh Antigen
B-AAntigen B
AB+Keine AntikörperAntigen A, Antigen B, Rh Antigen
AB-Keine AntikörperAntigen A und Antigen B
0+A, BRh Antigen
0-A, BKeine Antigene

Komplikationen

Kommt es bei einer Bluttransfusion zur Vermischung der Blutgruppen A und B, besteht die Gefahr von lebensgefährlichen Komplikationen. Aus diesem Grund ist das AB0-System für die Bluttransfusion von größter Bedeutung.

So dürfen nur Blutbestandteile übertragen werden, die miteinander kompatibel sind. Vor einer Blutübertragung gilt es daher, die Blutgruppe des Patienten festzustellen.

Das Rhesus-System

Das Rhesus-System besteht aus unterschiedlichen Rhesusfaktoren. Wichtig für die Medizin ist vor allem der Rhesusfaktor D im Rahmen von Bluttransfusionen.

Entdeckung des Rhesus-Systems

Genau wie das AB0-System wurde auch das Rhesus-System von dem Österreicher Karl Landsteiner entdeckt. Dieser arbeitete in den späten 30er Jahren mit dem amerikanischen Serologen Alexander Solomon Wiener (1907-1976) zusammen.

Die Bezeichnung "Rhesus" geht auf die Rhesusaffen zurück, die bei den Forschungen als Versuchstiere dienten. Bei ihren Experimenten entdeckten Landsteiner und Wiener ein weiteres Antigen auf den roten Blutkörperchen: den Rhesusfaktor.

Rhesus-System

Unterschieden wird beim Rhesusfaktor zwischen Rh+ (Rhesusfaktor positiv) und Rh- (Rhesusfaktor negativ). Während rote Blutkörperchen, die Rhesus-positiv sind, über das Rhesus-Antigen verfügen, haben Rhesus-negative Erythrozyten kein Antigen.

Daher lässt sich Rhesus-negatives Blut bei einer Bluttransfusion bedenkenlos übertragen. Anders sieht es jedoch bei Rhesus-positivem Blut aus.

Dieses darf nur auf Menschen mit Rhesus-positivem Blut übertragen werden. Da die Vererbung des Rhesusfaktors dominant geschieht, kommt das Blutgruppenmerkmal Rhesus-negativ eher selten vor.

Mögliche Probleme in der Schwangerschaft

Eine wichtige Rolle spielt der Rhesus-Faktor bei Schwangerschaften. Ist zum Beispiel die Mutter Rhesus-negativ und der Vater Rhesus-positiv, hat das ungeborene Kind Rhesus-positives Blut. Bei der Geburt besteht jedoch die Möglichkeit, dass das Blut des Kindes in den Kreislauf der schwangeren Mutter eintritt, was zu einer Immunreaktion führt.

Da es bei der Geburt des ersten Kindes erst zur Bildung der Antikörper kommt, stellt dies noch kein schwerwiegendes Problem dar. Allerdings steigt das Risiko einer lebensgefährlichen Immunreaktion des Körpers mit jeder weiteren Schwangerschaft an. Normalerweise erfolgt jedoch bereits während der ersten Schwangerschaft eine spezielle Anti-D-Prophylaxe, bei der der Antikörperproduktion der Mutter entgegengewirkt wird.

Das Kell-System

Das Kell-System, auch Kell-Cellano-System genannt, stellt das drittwichtigste Blutgruppensystem dar. So testet man in Deutschland und Österreich Blutspender regelmäßig auf das Kell-Antigen KEL 1. Benannt wurde das Kell-Cellano-System nach zwei Patientinnen, bei denen die erstmalige Beschreibung der Antikörper erfolgte.

Kell-System

Beim Kell-System wird eine Einteilung in

  • Kell-negativ (kk)
  • reinerbig Kell-positiv (KK) und
  • mischerbig Kell-positiv (Kk)

vorgenommen. Da rund 92 Prozent aller Menschen Kell-negativ sind, darf man ihnen bei einer Bluttransfusion nur Kell-negatives Blut zuführen. Reinerbig Kell-positiv sind lediglich 0,2 Prozent aller Menschen. Das bedeutet, dass sie Kell-positives Blut benötigen.

Menschen, die mischerbig Kell-positiv sind, lassen sich sowohl mit kell-positiven als auch kell-negativen Blut versorgen. Knapp acht Prozent aller Menschen gelten als mischerbig Kell-positiv.

Noch nicht vollständig klären ließ sich bislang die Vererbung des Kellfaktors. Den Kell-Antikörper (Anti-K, K1) fasst man genetisch mit dem Cellano-Antikörper (Anti-k, K2) zum Kell-Cellano-System zusammen, da zwischen den Proteinen eine große Ähnlichkeit besteht.

Mögliche Kell-Inkompatibilität in der Schwangerschaft

Ein Suchtest nach Kell-Antikörpern ist vor allem während der Schwangerschaft sehr wichtig. So ähnelt eine Kell-Inkompatibilität zwischen Mutter und Kind einer Rhesus-Inkompatibilität.

In schweren Fällen kann sie ein Morbus haemolyticus neonatorum hervorrufen. Dabei handelt es sich um eine schwerwiegende Gesundheitsstörung des neugeborenen Kindes.

Allerdings kommt eine Kell-Inkompatibilität nur selten vor. Eine vorbeugende Therapie gibt es bislang nicht, sodass die Schwangerschaft genau beobachtet werden muss.

Das MN-System

Als MN-System oder MNS-System bezeichnet man ein Blutgruppensystem. Grundlage des Systems bilden drei Gene für Glykoproteine. Dies sind

  • GYPA
  • GYPB sowie
  • GYPE.

Sie befinden sich dicht beieinander auf dem Chromosom 4 und werden gemeinsam vererbt. Außerdem sind sie sich strukturell sehr ähnlich.

Im MNS-System zusammengefasst sind insgesamt 46 verschiedene Antigene wie M, N, S und s. Aus Sicht der Transfusionsmedizin stellen S und s die wichtigsten Antigene dar.

Entdeckung

Die Entdeckung der Antigene M und N durch Karl Landsteiner und den amerikanischen Immunologen Philip Levine (1900-1987) erfolgte im Jahr 1927. 1947 fand die erste Beschreibung des Antigens S statt.

Später folgten die Antigene U und s. Seit 1987 unterscheidet man zwischen den Vorläuferproteinen Glykophorin A und B. 1990 kam noch das Glykophorin E hinzu.

Die Antigene M und N lassen sich auch als eigenständiges MN-System beschreiben, weil sie ausschließlich aus Glykophorin A entstehen. Aus Glykophorin B bilden sich die Antigene S, s und U.

Die restlichen Untervarianten sind zumeist Rekombinationen der Glykophorine A und B. So lässt sich die Subgruppe zum MN-System mit weiteren Subgruppen zum MNS-System zusammenfassen.

Häufigkeit

Die Antigene M und N kommen bei rund 75 Prozent aller Menschen vor. Mit einem Anteil von 50 Prozent tritt der Genotyp MN am häufigsten auf.

Allerdings gibt es große Unterschiede bei der Verteilung. Zum Beispiel weisen die meisten Eskimos den Genotyp MN auf. Bei den Aborigines dominiert dagegen der Genotyp NN.

Mögliche Unverträglichkeitsreaktionen

Bei Antikörpern, die gegen S und s gebildet werden, besteht die Gefahr von schwerwiegenden Unverträglichkeitsreaktionen. Dabei kann es sich um hämolytische Bluttransfusionsreaktionen oder ein Morbus haemolyticus neonatorum im Rahmen von Schwangerschaften handeln.

Das Duffy-System

Das Duffy-System (DARC) wird auch als Duffy-Rezeptor, Duffy-Faktor oder Duffy-Antigen bezeichnet. Gemeint ist damit ein Protein, das in der Zellmembran der

zu finden ist. Benannt wurde das Duffy-Antigen nach einem Patienten gleichen Namens, bei dem es im Jahr 1950 nach einer Bluttransfusionsreaktion nachgewiesen wurde. 1951 fand man ein weiteres Antigen, sodass ein eigenständiges Blutgruppensystem entstand.

Duffy-Rezeptor

Wie bereits erwähnt, ist der Duffy-Rezeptor ein Membranprotein, das in den roten Blutkörperchen vorkommt. Darüber hinaus findet man es

Die physiologischen Funktionen des Antigens ließen sich bislang noch nicht herausfinden.

Bezug zu Malaria

Eine gesicherte Erkenntnis ist jedoch die Verbindung zu Malaria. So bildet das Duffy-Antigen einen Rezeptor zum Andocken für Malariaerreger wie Plasmodium knowlesi und Plasmodium vivax.

Vor allem in Gebieten, in denen Malaria häufig auftritt, verfügen ungefähr 90 Prozent der Bevölkerung nicht über ein Duffy-Antigen auf den Erythrozyten und sind gegen diese beiden Malariaerreger resistent. Mediziner stufen dies als Schutzfunktion des Körpers gegen das Andocken der Erreger ein.