Gesamtschulen - Konzept, Merkmale und Vorteile

Anders als an Gymnasien, Haupt- und Realschulen, werden Schüler an Gesamtschulen - unabhängig von ihren Leistungen - gemeinsam unterrichtet. Für viele Eltern ist die Gesamtschule daher eine Alternative zum klassischen dreigliedrigen Schulsystem. Befürworter dieser Schulen erhoffen sich dabei nicht nur Vorteile für die Kinder, sondern auch für deren Eltern und die Gesellschaft. Lesen Sie, was eine Gesamtschule ausmacht und inwieweit sie sich von anderen Schulformen unterscheidet.

Maria Perez
Von Maria Perez

Gesamtschule: Merkmale und Konzept

Mit der Gesamtschule als einer Zusammenfassung des traditionellen dreigliedrigen Schulsystems von Haupt- und Realschule sowie Gymnasium werden in erster Linie gesellschaftspolitische Ziele verfolgt. Unterschieden wird in die beiden Formen der integrierten sowie der kooperativen Gesamtschule.

Wird von Gesamtschulen im Allgemeinen gesprochen, ist in der Regel die integrierte Gesamtschule gemeint. Hier lernen alle Schüler einer Jahrgangsstufe gemeinsam. In den höheren Klassen werden sie entsprechend ihrer Leistungen in einzelne Kurse aufgeteilt.

In der kooperativen Gesamtschule gibt es drei Schulzweige und dementsprechend wird nach drei verschiedenen Lehrplänen unterrichtet. Haupt- und Realschüler sowie Gymnasiasten sind zwar unter einem Dach untergebracht, werden aber nicht gemeinsam in einer Klasse unterrichtet. Nur in einzelnen Fächern, wie zum Beispiel Sport, findet der Unterricht schulzweigübergreifend statt.

Kooperative Gesamtschule

Bei der kooperativen Gesamtschule wird in dem bisherigen und nach wie vor bekannten dreigliedrigen Schulsystem von Haupt- und Realschule sowie Gymnasium getrennt gelehrt. Bei einzelnen Unterrichtsfächern wie beispielsweise Sport hingegen wird schulzweigübergreifend, also gemeinsam, unterrichtet.

Zielsetzung

Die Zielsetzung der kooperativen Gesamtschule ist eine weitgehende Beibehaltung des Schulunterrichtes im jeweils eigenen Schulzweig, unter gleichzeitiger Ausnutzung von Schnittstellen und Überschneidungen hin zu den anderen ein oder zwei Schulzweigen.

Die kooperative Gesamtschule wird auch als additive Gesamtschule bezeichnet. Hier werden zwar alle Schüler unter buchstäblich einem Dach, also auf einem Campus, unterrichtet, jedoch jeder in seinem eigenen Schulzweig.

Integrierte Gesamtschule

Die integrierte Gesamtschule dagegen integriert von Beginn an, ganz beabsichtigt und auch dauerhaft. Wie der Name sagt, sind alle schon bestehenden in einen einzigen neuen Schulzweig integriert.

Die leistungsmäßige Differenzierung geschieht in

  • Erweiterungs-
  • Förder- und
  • Grundkursen.

Neben dem gemeinsamen Lernen ist das wichtigste Ziel einer integrierten Gesamtschule der soziale Umgang aller Schüler miteinander sowie untereinander. Gleichzeitig soll die Leistungsfähigkeit des einzelnen Schülers individuell gefördert werden. Da das Schul- und Bildungssystem eine Kompetenz der Bundesländer ist, entscheiden sie eigenverantwortlich über die Art und den Umfang von Gesamtschulen in ihrem Gebiet.

In einer Gesamtschule wird Haupt- und Realschul- sowie Gymnasiumstoff gelehrt
In einer Gesamtschule wird Haupt- und Realschul- sowie Gymnasiumstoff gelehrt

Schulunterricht

Die Schulleitungen der jeweiligen Gesamtschule haben seitens der Kultusbehörde ihres Bundeslandes recht viel Freiheit bei der Ausgestaltung des Schulunterrichts. Dementsprechend intensiv müssen sich die Erzieher mit dem Schulangebot befassen und kritisch prüfen, ob es den eigenen Vorstellungen zur schulischen Bildung ihres Kindes entspricht.

Zusammen mit den sogenannten traditionellen Kernfächern werden in den Gesamtschulen bundesweit weitestgehend vergleichbare Fächer unterrichtet. Zu denen gehören:

  • Arbeitslehre
  • Christliche Religion
  • Deutsch
  • Fremdsprache 1 [beispielsweise Englisch]
  • Fremdsprache 2 [beispielsweise Französisch]
  • Fremdsprache 3 [beispielsweise Italienisch, Spanisch, Russisch]
  • Gesellschaftslehre
  • Kunst
  • Latein
  • Mathematik
  • Musik
  • Naturwissenschaften
  • Spanisch
  • Sport

Fremdsprachen an der Gesamtschule

Die Fremdsprache Englisch wird durchgängig ab der fünften bis zur letzten Klasse gelehrt. Die zweite Fremdsprache ab der sechsten Jahrgangsstufe bis zur letzten, ebenso wie Latein. Eine dritte, im Grunde genommen vierte Fremdsprache wird in den letzten beiden Jahrgangsstufen angeboten.

Dieses umfangreiche Lehrstoffangebot zeigt deutlich, dass bei der integrierten Gesamtschule auf die verschiedenen Kursangebote gar nicht verzichtet werden kann. Im Gegensatz dazu kann an der kooperativen Gesamtschule gezielt nach dem Leistungsvermögen aller Schüler gelehrt werden.

Sowohl der Umfang an Unterrichtsfächern als auch deren Inhalt stellen teilweise große Ansprüche an die Schüler. Eine Integration mag aus mehrerlei, vor allem übergeordneter Sichtweise gut gemeint und auch hilfreich sein - sie verbessert jedoch nicht die Leistungsfähigkeit des einzelnen Schülers, die weitgehend von seiner Intelligenz, dem IQ, bestimmt wird.

Konzept der Gesamtschule kritisch betrachtet

Das Konzept der Gesamtschule ist aus gesellschaftlicher sowie politischer Sicht gut gemeint und zeigt in Ansätzen auch positive Ergebnisse. Es ändert jedoch nichts daran, dass der anspruchsvolle Lehrstoff gelernt und verarbeitet werden muss.

Die Verknüpfung oder Vernetzung von Schulzweigen kann eine Unterstützung sein - lernen müssen die Schüler nach wie vor selbst. Die klare Dreiteilung von Hauptschule, Realschule und Gymnasium, so wie sie in der kooperativen Gesamtschule beibehalten wird, bringt Struktur, Ruhe und Ordnung in den Schulalltag.

Eine Integration zieht immer, also auch in der Gesamtschule, erhebliche Reibungsverluste nach sich. Das kostet Zeit, Kraft und Manpower.

Eine integrierte Rücksichtnahme aufeinander ist gut und anerkennenswert. Im späteren Berufsalltag ist sie jedoch zunehmend weniger gefragt, bis hin zu hinderlich, weil dort ausschließlich das Leistungsprinzip gilt.

Dennoch bringt sie einige Vorteile mit sich...

Vorteile und Unterscheidungsmermkale

Schüler an integrierten Gesamtschulen haben den Vorteil, erst spät festlegen zu müssen, welche Laufbahn sie einschlagen und welchen Schulabschluss sie anstreben. Das heißt, dass die schwierige Entscheidung für den schulischen Werdegang nicht direkt nach der Grundschulzeit gefällt werden muss. Zu diesem Zeitpunkt sind die Kinder nämlich oft noch nicht soweit gereift, dass ihre Fähigkeiten und Begabungen richtig eingeschätzt werden können.

Entsprechend ihrer individuellen Leistungen haben Gesamtschüler die Möglichkeit, einen Haupt- oder Realschulabschluss bzw. das Abitur zu machen. Schlechte Leistungen in einzelnen Fächern können durch gute Leistungen in anderen Fächern ausgeglichen werden, so dass ein guter Schulabschluss auch mit einer Teilleistungsschwäche möglich ist.

Stärkeres Gemeinschaftsgefühl und Chancengleichheit

Auch hinsichtlich ihrer Unterrichtsstruktur unterscheiden Gesamtschulen sich von anderen Schulen. Hier werden die Kinder zunächst in allen Fächern gemeinsam unterrichtet.

Erst später werden sie in Kurse aufgeteilt, die ihrem Leistungsniveau entsprechen. Diese Aufteilung findet für jedes Fach separat statt.

Wer beispielsweise Probleme in Mathematik hat und hier den Förderkurs besuchen muss, kann in anderen Fächern durchaus die anspruchsvollsten Kurse belegen. Vom Unterricht in einer heterogenen Lerngruppe, die an Gesamtschulen zumindest in den ersten Jahren gegeben ist, können zudem sowohl die leistungsstarken als auch die leistungsschwachen Schüler profitieren. Durch gegenseitige Hilfestellungen steigt nämlich sowohl das Gemeinschaftsgefühl als auch das individuelle Selbstwertgefühl.

Viele sehen die Gesamtschulen auch da im Vorteil, wo es um die Chancengleichheit von Kindern unterschiedlicher sozialer Schichten geht. Die Entscheidung der Grundschulen, welches Kind für welchen Schulzweig geeignet ist, wird oft in Abhängigkeit vom sozialen Milieu sowie dem Bildungsstand der Eltern getroffen. Auf Gesamtschulen haben auch Kinder aus bildungsferneren Schichten, die eine Empfehlung für die Hauptschule haben, Chancen auf einen höheren Bildungsabschluss.

Kursauswahl

Das große Kursangebot an Gesamtschulen macht es möglich, dass die Schüler bei Bedarf in andere Kurse wechseln können, in denen sie entweder mehr gefordert oder intensiver gefördert werden. Aus diesem Grund ist es an Gesamtschulen nicht üblich, dass Kinder eine Klasse wiederholen. Bei schlechten Noten wird stattdessen ein Wechsel in einen leichteren Kurs eingeleitet.

Ganztagsbetreuung

Ein weiterer Vorteil von Gesamtschulen ist die Ganztagsbetreuung. Bis zum Nachmittag erhalten die Schüler Unterricht, können an Freizeitprogrammen teilnehmen und zu Mittag essen. Vor allem berufstätigen Eltern ist diese Organisation eine Entlastung.

Größe

Aufgrund des breitgefächerten Kursangebots und der hohen Schülerzahlen sind Gesamtschulen oft größer und damit auch unübersichtlicher als andere Schulen. Es gibt mehr Räume, auf dem Schulhof tummeln sich mehr Kinder und es besteht ein höherer Bedarf an Lehrkräften und anderem Personal.