Virilisierung - Ursachen, Merkmale und Behandlung der Vermännlichung

Als Virilisierung wird die Ausbildung männlicher sekundärer Geschlechtsmerkmale bei der Frau bezeichnet. Betroffene Frauen nehmen eine tiefere Stimme an, ihnen wachsen Bart- und Brusthaare und es entstehen männliche Körperproportionen. Außerdem bleibt die Regelblutung aus und die Klitoris vergrößert sich in ungewöhnlichem Maße. Es besteht Risiko, dass die Betroffene unfruchtbar wird. Verantwortlich für diese Vermännlichung ist eine verstärkte Herstellung von Androgenen (männlichen Geschlechtshormonen) wie Testosteron. Der Verlauf dieser Androgenisierung ist schleichend. Lesen Sie hier alles Wichtige zur Virilisierung.

Von Jens Hirseland
Klassifikation nach ICD-10: E25
ICD-10 ist ein weltweit verwendetes Klassifikationssystem für medizinische Diagnosen. Der sogenannte ICD-Code ist zum Beispiel auf einem ärztlichen Attest zu finden.

Ursachen für eine Virilisierung

Im Normalfall verfügt der Körper der Frau nur über eine kleine Menge an dem männlichen Geschlechtshormon Testosteron. Im Ausgleich sind mehr weibliche Hormone wie Gestagene und Östrogen enthalten. Erhöht sich die Menge des Testosterons jedoch, führt dies zu einer Dysbalance des Hormongleichgewichts, wofür es verschiedene Ursachen geben kann.

Adrenogenitales Syndrom

Das adrenogenitale Syndrom (AGS) ist eine Nebennierenerkrankung. Dabei besteht eine bereits angeborene Störung der Nebennierenhormonproduktion. Infolgedessen bleibt die monatliche Blutung aus und es kommt zu einer Vermännlichung. Beim klassischen adrenogenitalen Syndrom kann die Virilisierung bereits im Mutterleib beginnen.

PCO-Syndrom

Beim PCO-Syndrom (Syndrom der polyzystischen Ovarien) bleibt die weibliche Regelblutung aus. Zusätzliche Merkmale sind eine männliche Behaarung (Hirsutismus) und Adipositas (Fettsucht). In manchen Fällen vertieft sich die Stimme der Frau und ihre Brüste sind unterentwickelt.

Nebennierentumor

Als weitere Ursache für eine Virilisierung kommt eine Tumorbildung in den Nebennieren infrage. Durch den Tumor entstehen wiederum männliche Geschlechtshormone.

Ovarialtumor

Ein Ovarialtumor ist ein Tumor in den weiblichen Eierstöcken. Durch ihn bilden sich Androgene, was wiederum eine tiefere Stimmbildung oder Bartwuchs zur Folge hat.

Hyperthecosis ovarii

Als Hyperthecosis ovarii wird eine selten vorkommende Funktionsstörung der Eierstöcke bezeichnet, die familiär gehäuft auftritt. Sie ruft eine verstärkte Bildung von männlichen Geschlechtshormonen hervor und hat eine intensive Vermännlichung zur Folge.

Einnahme bestimmter Medikamente

Auch die Einnahme von bestimmten Arzneimitteln kann die Ursache für eine Virilisierung sein. Dazu gehören vor allem anabole Steroide, Adrenocorticotropin (ACTH), das Epilepsiemedikament Phenytoin oder Mittel zum Doping.

Wie macht sich eine Virilisierung bemerkbar?

Im Laufe der Virilisierung nehmen die weiblichen Körperpartien zunehmend männliche Proportionen an. So vermehrt sich die Behaarung des Körpers und tritt an Stellen auf, die normalerweise für Männer typisch sind. Die Haare wachsen nicht nur im Gesicht, sondern auch an Brust, Bauch, Scham, Rücken, Armen und Beinen. Dahingegen können die Kopfhaare ausfallen und eine Glatze entstehen.

Weil sich der Kehlkopf verändert, vertieft sich die Stimme. Da sich außerdem mehr Talg bildet, droht die Entstehung von Akne. Der Busen verkleinert sich, während die Klitoris einen größeren Umfang annimmt.

Nicht selten bleibt die monatliche Regelblutung aus. Die sexuelle Lust der betroffenen Frauen kann sowohl ab- als auch zunehmen.

Mitunter verändert sich durch die Virilisierung auch die Psyche der Frau. So sorgen die männlichen Hormone für eine höhere Aggressivität. Bei vielen Betroffenen leidet zudem das Selbstwertgefühl, weil sie sich weniger attraktiv fühlen.

Wann zum Arzt?

Tritt eine Virilisierung sehr plötzlich auf, muss dringend ein Arzt aufgesucht werden. So besteht das Risiko, dass die Vermännlichung durch einen Tumor verursacht wird.

Diagnose einer Virilisierung

Eine deutliche Virilisierung ist für den Arzt meist schon durch den bloßen Anblick erkennbar. Den ersten Schritt der Untersuchung bildet dann das Erfassen der Krankengeschichte. So erkundigt sich der Arzt danach, wie lange die Veränderungen bereits bestehen und wie der Verlauf des Monatszyklus ist.

Im Rahmen der körperlichen Untersuchung werden die Veränderungen beurteilt. Zu den Routinemaßnahmen zählt außerdem eine gynäkologische Untersuchung.

Blutuntersuchung

Nächster Untersuchungsschritt ist eine Blutabnahme, um den Testosteronspiegel des Körpers zu bestimmen. Fällt er normal aus, kann ein Tumor, der Androgene herstellt, als Ursache ausgeschlossen werden. Liegt jedoch ein leicht höherer Wert vor, bestimmt der Arzt die Konzentration des Hormons Dehydroepiandrosteron. Besteht auch bei diesem ein erhöhter Wert, gilt dies als Hinweis auf eine Erkrankung der Nebennieren.

Bildgebende Untersuchungen

Als sinnvoll bei Verdacht auf einen Tumor, der für die Virilisierung ursächlich ist, gelten bildgebende Verfahren wie eine Sonographie (Ultraschalluntersuchung), eine Computertomographie (CT) oder Magnetresonanztomographie (MRT).

Behandlung einer Virilisierung

Die Therapie der Virilisierung hängt von ihrer auslösenden Ursache ab. Ist zum Beispiel ein Tumor in den Eierstöcken oder den Nebennieren für die Vermännlichung verantwortlich, wird dieser zumeist operativ entfernt. Lösen dagegen bestimmte Arzneimittel das Phänomen aus, müssen diese abgesetzt und durch andere Medikamente ersetzt werden. Leider steht nicht für jede Ursache der Virilisierung eine geeignete Behandlungsmethode zur Verfügung.

Hormonbehandlung

In der Regel erfolgt bei einer Virilisierung eine Hormontherapie. Dabei nimmt die Patientin Medikamente ein, die Antiandrogene enthalten und eine hemmende Wirkung auf das Testosteron entfalten. Manche Mittel unterbinden seine Wirkung sogar völlig.

Mitunter werden auch die Wirkstoffe der Antibabypille verabreicht. Durch deren Gabe kommt es zu einem Überschuss an Östrogenen, die die Wirkung der männlichen Hormone einschränken.

Bei einem PCO-Syndrom müssen die betroffenen Frauen in regelmäßigen Abständen weibliche Geschlechtshormone zu sich nehmen. Grundsätzlich lässt sich das Syndrom jedoch nicht vollständig heilen.

Chirurgischer Eingriff

Eine Operation findet auch statt, wenn bereits seit Geburt aufgrund des adrenogenitalen Syndroms eine Vergrößerung der Klitoris oder eine Verkleinerung des Scheideneingangs besteht. Der chirurgische Eingriff ermöglicht später normalen Geschlechtsverkehr. Ansonsten ist es zur Therapie des adrenogenitale Syndroms oft notwendig, für den Rest des Lebens spezielle Medikamente einzunehmen.

Selbsthilfe

Gegen eine Virilisierung direkt gibt es kaum Möglichkeiten zur Selbsthilfe. Zumindest gegen die männliche Behaarung lassen sich aber kosmetische Behandlungen wie das Rasieren, das Verwenden einer Enthaarungscreme oder eine Epilation vornehmen. Sinnvoll können EPL-Geräte für den Hausgebrauch sein. Sie funktionieren durch Lichtimpulse.

Prognose bei einer Virilisierung

Die Prognose richtet sich danach, ob sich die auslösende Ursache für die Virilisierung erfolgreich behandeln lässt.

Je eher mit der Behandlung der Virilisierung begonnen wird, desto günstiger fallen die Heilungsaussichten aus. Manchmal bleiben einige Auswirkungen wie eine tiefere Stimme jedoch auf Dauer bestehen. Gleiches gilt für Störungen des monatlichen Zyklus. In der Regel ist reichlich Geduld geboten, weil die Therapie der Vermännlichung viel Zeit in Anspruch nimmt.

Prävention einer Virilisierung

Ist die Virilisierung bereits angeboren, wie beim adrenogenitalen Syndrom, gibt es keinerlei vorbeugende Maßnahmen. Um die Auswirkungen der Vermännlichung zu bremsen, sollte so rasch wie möglich ein Arzt aufgesucht werden.

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