Von der Sandale zum Schnabelschuh: die Geschichte des Schuhs

Viele Dinge des alltäglichen Lebens werden benutzt, als ob sie schon immer da gewesen wären. Dazu gehören zum Beispiel auch Schuhe. Jeder trägt sie, doch kaum einer weiß, dass ihre Geschichte fast so alt ist wie die der Menschheit. Wenn einer einen großen Schnabel hat, hat das beispielsweise nicht zwangsläufig etwas mit seinem losen Mundwerk zu tun. Zumindest war das im frühen Mittelalter der Fall, als die Leute Schnabelschuhe an ihren Füßen getragen haben.

Britta Josten
Von Britta Josten

Sandalenähnliche Formen

Bereits gegen Ende der Steinzeit begannen die Menschen damit, ihre Füße gegen Steine, Dornen und Kälte zu schützen. Verwendet wurden dafür unter anderem

  • Fellreste,
  • Leder oder sogar
  • Holz.

Letzteres schützte den Fuß auch bei sehr unebenem Untergrund gegen Verletzungen. Gehalten wurden die Sohlen durch Lederschnüre, die systematisch um den Frist und um die Ferse gewickelt wurden. Stellt man sich diese Konstruktion einmal bildlich vor, so erkennt man Parallelen zur heutigen Sandale. Vom Stil her hat sich dieser Schuhtyp über die Jahrtausende also kaum verändert.

Fester Halt durch Nägel

Im siebten Jahrhundert wurde das Schuhwerk allmählich fester. Die Sohlen wurden nun mit Nägel befestigt und gaben so sehr viel mehr Halt als die Sandalen aus der Steinzeit. Außerdem schnürte man das Leder nun bis über den Knöchel hinaus. Der Fuß hatte also für damalige Verhältnisse einen ziemlich guten Halt.

Schnabelschuhe

Siebenhundert Jahre später setzte sich wiederum der Schnabelschuh langsam durch. Was heute meist als lächerlich angesehen wird, war damals höchst modern und ein Muss in der feineren Gesellschaft. Mit der Zeit wurde dieser Trend so polarisierend, dass sich der Schnabel immer stärker bog und somit sehr extreme Ausmaße annahm.

Damit der Schnabelschuh möglichst sauber blieb, trug man unter den Sohlen hölzerne Unterbauten. So wurde der feine Stoff vom Straßenschmutz ferngehalten und auch Pfützen stellten keine Gefahr mehr für die Salonfähigkeit dar.

Was ist ein Schnabelschuh?

Die Besonderheit des Schnabelschuhs wird eigentlich schon in seinem Namen erklärt. Der Schnabelschuh gleicht in seiner Form im vorderen Bereich nämlich einem Tierschnabel. Der vorne extrem lange und spitz zulaufende Schuh ragt dabei - auch bedingt durch die Laufbewegung - nach oben.

Die Herstellung der Schnabelschuhe muss sehr aufwendig gewesen sein, da sie von innen genäht wurden und dann umgestülpt wurden. Diese Machart erwies sich vor allem bei den langen, immer dünner werdenden Spitzen als große Herausforderung. Diese wurden nämlich erst nach dem Umstülpen von außen, in einer verdeckten Naht, zusammengenäht.

Um die Entstehung von Schnabelschuhen ranken sich natürlich auch Legenden. So soll der Schuh mit der langen Spitze im Jahr 1089 zum Beispiel für den Grafen Fulko von Angers angefertigt worden sein, da dieser deformierte Füße gehabt haben soll.

Im Gegensatz zu dieser Legende belegen Funde, dass die Schnabelschuhe vor allem im 14. und 15. Jahrhundert getragen worden sind. Die Schuhe wurden vor allem von den bessergestellten Herrschaften in Frankreich oder England getragen. Wobei angenommen wird, dass die Länge der Spitze etwas über den Stand des Trägers aussagt.

Früher als in Mitteleuropa wurden die Schnabelschuhe im Orient getragen.

Wer trägt heute noch Schnabelschuhe?

Auf der Straße werden einem heute freilich keine Schnabelschuhe mehr begegnen. Es sei denn, man läuft über einen mittelalterlichen Markt oder man besucht ein Mittelalterspektakel. Dort kann man die spitzen Schuhe zum Beispiel an den Füßen von

  • Gauklern,
  • Spielmännern oder
  • Händlern

Grundsätzlich werden Schnabelschuhe heute nur noch als Teil einer Kostümierung getragen. Das können mittelalterliche Veranstaltungen oder Karnevalsveranstaltungen sein.

sehen. Und wenn man bei einem Besuch auf einer mittelalterlichen Burg zufällig Zeuge eines Ritterspektakels wird, dann kann man an den Füßen der Ritter ebenfalls das spitze Schuhwerk erblicken. Allerdings tragen die Ritter - heute wie damals - keine Schuhe, sondern Stiefel.

Der Schuh mit dem Schnabel ist auch in Kombination mit orientalischen Gewändern tragbar. Anders als bei den Modellen, die im mittelalterlichen Europa getragen wurden, handelt es sich bei der orientalischen Variante meist um Pantoffeln, also um Schuhe, die hinten offen sind. Der vordere Bereich des Schuhs ist meist reich verziert. So schmücken zum Beispiel aufwendige Ornamentstickereien aus goldenem Faden derartige Schuhe.

Eine schnellere Entwicklung seit dem 20. Jahrhundert

Seit dem 20. Jahrhundert geht die Entwicklung des Schuhs um einiges schneller voran als zu Beginn seiner Geschichte. Mindestens alle zehn Jahre kam ein neuer Trend auf, der die Massen anzog. So waren in den 60ern Ballerinas modern, in den 70ern jedoch hohe Plateauschuhe.

Zudem fällt auf, dass bestimmte Personengruppen sich auch mit einem bestimmten Schuhwerk identifizieren. Während es früher als allgemein schick galt, zum Beispiel Schnabelschuhe zu tragen, hat heute jede Gruppe ihre eigenen Trends.

Besonders hervorzuheben ist zudem, dass sich die Trendschuhe des 20. Jahrhunderts immer wieder in die heutigen Kollektionen der Designer einschleichen. Retro ist in und wird es wohl auch noch für längere Zeit bleiben.