Kipptischuntersuchung (Tilt-Test) - Anwendung und Ablauf

In der Medizin wird die Kipptischuntersuchung auch als Tilt-Test bezeichnet. Sie dient zum Abklären von Ohnmachtsanfällen bzw. Kreislaufkollapsen, die auch als Synkopen bezeichnet werden. Bei der Kipptischuntersuchung wird im Prinzip das Aufstehen aus der Liegeposition simuliert und dabei unter Umständen plötzliche, kurzweilige Synkopen provoziert. Der Arzt erhält durch die Untersuchung die Erkenntnis, ob vasovagale Synkopen vorliegen oder ausgeschlossen werden können. Lesen Sie hier alles Wichtige zur Kipptischuntersuchung.

Von Jens Hirseland

Die Kipptischuntersuchung dient der Untersuchung und Abklärung unklarer Synkopen. Bei Synkopen handelt es sich um Bewusstseinsverluste, die nur kurz andauern. Häufig leiden die betroffenen Personen auch unter Schwindelanfällen. Die Dauer der Synkopen schwankt zwischen wenigen Sekunden und mehreren Minuten. Die Ursachen für die Ohnmachtsanfälle sind unterschiedlich. So haben sie ihren Ursprung meist im Herzen, den Gefäßen oder dem Gehirn.

Synkope-Arten

Es gibt verschiedene Arten von Synkopen. Die Ärzte unterteilen sie nach der Art, wie sie entstehen. Dazu gehören:

  • vasovagale Synkopen, deren Ursachen langes Stehen, aber auch Schmerzen oder erschreckende Erlebnisse sein können
  • kardiale Synkopen, die durch Durchblutungsstörungen im Gehirn hervorgerufen werden
  • orthostatische Synkopen, die vorkommen, wenn der Köper eine aufrechte Position einnimmt
  • zerebrovaskuläre Synkopen, bei denen ein Anzapfphänomen auftritt, durch das das Gehirn weniger Blut erhält

Anwendungsgebiet der Kipptischuntersuchung

Die am häufigsten auftretende Synkopeform ist die vasovagale Synkope. Sie lässt sich mithilfe einer Kipptischuntersuchung feststellen.

Grundsätzlich ist bei Ohnmachtsanfällen immer eine ärztliche Untersuchung erforderlich, weil die Gefahr von therapiebedürftigen Grunderkrankungen besteht. Es gibt aber auch bestimmte Vorerkrankungen, bei denen die Kipptischuntersuchung nicht zur Anwendung gelangen darf, wie eine Mitral- oder Aortenklappenverengung, eine Koronarstenose an den Herzkranzgefäßen oder eine intensive Verengung der Hirngefäße.

Ablauf einer Kipptischuntersuchung

Für die Kipptischuntersuchung wird ein spezieller Kipptisch benutzt. Dabei handelt es sich um eine bewegliche Liege, auf der der Patient festgeschnallt wird. Der Tisch lässt sich bis zu 60-70 Grad aufrichten. Nachdem der Patient mit Halteriemen auf dem Kipptisch platziert wurde, bringt man EKG-Elektroden sowie eine Blutdruckmanschette an. Dadurch kann der Arzt den Kreislauf dauerhaft kontrollieren. Durch die Halteriemen wird die Gefahr, dass der Patient vom Kipptisch herunterfällt, gebannt.

Vor der Untersuchung

Es empfiehlt sich, rund vier Stunden vor der Untersuchung keine Nahrung mehr zu sich zu nehmen.

Kontrolle des Blutdrucks

Erster Schritt der Kipptischuntersuchung ist das Kontrollieren des Blutdrucks über einen Zeitraum von zehn Minuten. Auch das EKG wird überprüft.

Anschließend erfolgt das Aufrichten des Kipptisches um 60 Grad. Am Fußende des Tisches befindet sich ein Podest, auf dem der Patient stehen kann. Dadurch wird verhindert, dass er bei einem Bewusstseinsverlust das Gleichgewicht verliert. Diese Position behält der Patient 30 bis 45 Minuten lang bei. Der Arzt beobachtet dabei EKG und Blutdruck. Kommt es während dieses Zeitraums zu einem Ohnmachtsanfall, hat dies die sofortige Unterbrechung der Kipptischuntersuchung zur Folge. Gleiches gilt beim Einsetzen von Herz-Kreislauf-Problemen oder zu niedrigem Blutdruck.

Ende der Untersuchung

Sind die 30 Minuten abgelaufen, bringt der Arzt den Kipptisch wieder in seine ursprüngliche Position zurück. Für einige Minuten bleibt der Patient noch liegen, wobei gleichzeitig seine Beobachtung erfolgt. Schließlich kann er den Tisch wieder verlassen. Sollte ein Notfall auftreten, stehen entsprechende Gegenmaßnahmen im Untersuchungsraum zur Verfügung.

Medikamentengabe bei der Kipptischuntersuchung

Manchmal kann sich bei der Kipptischuntersuchung ein Normalbefund ergeben, selbst wenn tatsächlich eine vasovagale Synkope vorliegt. In diesem Fall hat der Arzt die Option, die Untersuchung zu wiederholen und dem Patienten dabei Isoprenalin zu verabreichen. Dieses synthetische Noradrenalin-Derivat sorgt zusammen mit dem Kipptisch für die Provokation eines Ohnmachtsanfalls. EKG und Blutdruck werden auch bei diesem Untersuchungsvorgang regelmäßig kontrolliert.

In den ersten zehn Minuten der Kipptischuntersuchung erhält der Patient per Infusion eine bestimmte Menge an Isoprenalin. Dabei nimmt er auf dem Tisch eine waagerechte Position ein. Durch die Gabe des Isoprenalins kommt es zu einem Anstieg der Herzfrequenz. Anschließend richtet der Arzt den Kipptisch auf und lässt ihn für 30 bis 45 Minuten in dieser Position.

Ein Abbruch dieses Tests findet unter den gleichen Bedingungen statt wie bei einer Kipptischuntersuchung ohne die Gabe von Isoprenalin. Der Patient wird anschließend noch einige Minuten beobachtet, bevor er den Tisch wieder verlassen darf.

Insgesamt nimmt die Kipptischuntersuchung etwa 60 Minuten in Anspruch.

Ergebnis der Untersuchung

Eine Kipptischuntersuchung gilt als positiv, wenn sich Puls oder Blutdruck in aufrechter Position verringern und es zu einer Bewusstlosigkeit kommt. Beim Auftreten dieser Symptome bricht der Arzt die Untersuchung sofort ab. Das heißt, dass der Kipptisch wieder waagerecht positioniert wird.

Negativ verläuft das Verfahren, wenn während der Kipptischuntersuchung keine Veränderungen an Puls und Blutdruck auftreten oder ein Ohnmachtsanfall ausbleibt.

Allerdings liefert die Kipptischuntersuchung nicht immer genaue Resultate. So ist es durchaus möglich, dass auch bei negativen Testergebnissen eine Synkope besteht. Ebenso kann es bei gesunden Menschen zu einem positiven Testergebnis kommen. Aus diesem Grund müssen anschließend weitere Untersuchungen stattfinden.

Risiken der Kipptischuntersuchung

Größere Gefahren für den Patienten bestehen bei der Kipptischuntersuchung in der Regel nicht. Es kann aber während des Verfahrens zu einer kurzen Bewusstlosigkeit, Übelkeit oder Schwindelgefühlen kommen. Außerdem sind ein Abfall des Blutdrucks auf unter 80 mmHG oder ein Absacken der Herzfrequenz auf unter 40 Schläge pro Minute möglich. In diesem Fall bricht der Arzt, der den Patienten ständig beobachtet, die Untersuchung umgehend ab.

Das Auftreten eines Ohnmachtsanfalls im Rahmen der Kipptischuntersuchung gilt nicht als Komplikation, sondern als positives Testresultat.

  • Jörg Braun, Dirk Müller-Wieland Basislehrbuch Innere Medizin: kompakt-greifbar-verständlich, Urban & Fischer Verlag/Elsevier GmbH, 2017, ISBN 3437411152
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  • Verena Corazza, Renate Daimler, Renate Daimler, Krista Federspiel, Vera Herbst, Kurt Langbein, Hans-Peter Martin, Hans Weiss Kursbuch Gesundheit: Gesundheit und Wohlbefinden. Symptome und Beschwerden. Krankheiten. Untersuchung und Behandlung, Kiepenheuer&Witsch, 2006, ISBN 3462035932

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