Orthese - Arten und Aufgaben des orthopädischen Hilfsmittels

Die Orthese ist ein orthopädisches Hilfsmittel, das zur Entlastung oder Stabilisierung verletzter Gelenke, Bänder und Sehnen oder bei Fehlstellungen zum Einsatz kommt. Orthesen sind in Anwendung und Herstellung sehr vielseitig und müssen häufig von einem Orthopädietechniker speziell auf die Bedürfniss des Patienten angefertigt werden. Welche Arten von Orthesen es für die unterschiedlichen Körperregionen gibt und wie diese zur Anwendung kommen, lesen Sie in diesem Artikel.

Von Jens Hirseland

Als äußerer Kraftträger dient die Orthese zum ruhigstellen, entlasten, stützen, korrigieren oder fixieren einer bestimmten Körperstelle. Verwendung findet das medizinische Hilfsmittel in erster Linie nach Fehlstellungen oder Verletzungen.

Unterteilen lässt sich die Orthese, die unmittelbar am Körper befestigt wird, in unterschiedliche Arten. So werden Korsette, Stützapparate, Bandagen, Schienen und Mieder zu ihnen gerechnet.

Komponenten und Materialien

Den wichtigsten Funktionsträger der Orthese stellt der Orthesenkörper dar. Er kann durch Verschlüsse und Polsterungen sowie Zugeinrichtungen und Gelenke ergänzt werden. Für die Orthesen finden verschiedene Materialien Verwendung, bei denen es sich zumeist um Kunststoffe handelt.

Materialien von Orthesen:

  • Kunststoff
  • Metall
  • Stoff
  • Filz
  • Holz
  • Leder
  • Kork

Orthesen lassen sich individuell anfertigen, werden aber auch konfektioniert oder teilkonfektioniert angeboten.

Wirkungsprinzip und Aufgaben einer Orthese

In der Regel liegt einer Orthese das Hebelgesetz zugrunde. Das bedeutet, dass sich zwei Kräfte, die gleichgerichtet sind, sich via Hebel auf ein Widerlager oder einen Drehpunkt übertragen. Dieses simple Drei-Punkte-Prinzip lässt sich oft gegenseitig kombinieren.

Die Orthesen erfüllen die Aufgabe, Fehlstellungen entgegenzuwirken, die Beweglichkeit der Gelenke entweder zu verbessern oder zu begrenzen, sowie einen Längenausgleich herzustellen. Weiterhin kontrollieren sie spastische Lähmungen, kompensieren schlaffe Lähmungen und reduzieren oder verteilen Belastungen auf das Gewebe.

Unterschied zwischen Orthese und Prothese

Nicht zu verwechseln ist die Orthese mit der Prothese. So dient eine Prothese dazu, einen Körperteil wie einen Arm oder ein Bein zu ersetzen. Ihre Form ist stabil und lässt sich an den Träger anpassen.

Von einer Orthese wird das Körperteil oder Gelenk, das behandelt werden soll, durch eine Schiene oder Bandage umschlossen. Auch sie kann passend für den Träger ausgewählt werden, hat aber den Vorteil, sich wiederholt einstellen zu lassen, wodurch sie beispielsweise Fuß oder Knie in einer bestimmten Position hält.

Es gibt aber auch fließende Übergänge zwischen Orthese und Prothese. Dazu gehören zum Beispiel orthopädische Schuhe zum Ausgleich eines zu kurzen Beines.

Anwendungsgebiete einer Orthese

Die Einsatzfelder von Orthesen sind überaus vielfältig. In den meisten Fällen kommen sie im Anschluss an Verletzungen von Bändern, Gelenken und Knochen zur Anwendung, vor allem bei:

Bei verschiedenen chronischen Erkrankungen wie Osteoporose (Knochenschwund) oder Arthrose dient die Orthese in erster Linie zur Stabilisation. Auch bei einer Fußheberschwäche oder Muskelschwächen ist eine Orthese geeignet.

Fehlstellungen

Im Kindesalter können Orthesen schon früh dabei helfen, Fehlstellungen wie zum Beispiel an der Hüfte oder den Füßen zu korrigieren. Im Falle von Fußfehlstellungen hilft die Orthese dabei, korrekt zu laufen. Wird die Orthese konsequent getragen, kann sie Fehlstellungen entweder komplett oder zumindest partiell beheben. Selbst bei irreversiblen Deformationen eignen sich die Orthesen gut zur Fixierung.

Orthesen zur Prävention

Orthesen dienen außerdem zu präventiven Zwecken. Zum Beispiel greifen Leistungssportler auf sie zurück, um Bänder und Gelenke von Händen, Knien und Füßen vor zu intensiver Beanspruchung zu schützen. Angeboten werden unter anderem Spezialbandagen zum Joggen. Sogar zum Schwimmen lassen sich spezielle Orthesen verwenden.

Unterschiedliche Arten von Orthesen

Orthesen eignen sich für verschiedene Zwecke und kommen an unterschiedlichen Körperregionen zur Anwendung.

Fußorthese

Im Rahmen von Fußfehlstellungen kann die Orthese Fuß und Zehen bei der richtigen Fortbewegung unterstützen. Jedoch ist sie nicht in der Lage, eine Physiotherapie zu ersetzen. Zu den Hauptindikationen zählt der Klumpfuß, bei der die Orthese gemeinsam mit Schienen und Gips angelegt wird.

Fußorthese

Sprunggelenkorthese

Eine Sprunggelenkorthese wird zumeist nach Sportverletzungen wie Achillessehnenrupturen oder Bänderrissen angelegt. Die Sprunggelenkorthese weist die Form eines U auf und umfasst das Sprunggelenk. Sie lässt sich mithilfe von Klettverschlüssen fixieren. Die Bewegungsfreiheit ist eingeschränkt und dient zur Stabilisation des Gelenks. Auf diese Weise lässt es sich trainieren.

Sprunggelenkorthese

Handgelenkorthese

Häufig zum Einsatz gelangen Handgelenkorthesen bei Handverletzungen. Zu beachten ist, Handgelenk und Finger nicht zu lange ruhigzustellen, weil sonst Versteifungen drohen. Aus diesem Grund legt der Arzt die Handgelenkorthese in einer speziellen Stellung an. So beugen sich die Fingergelenke zur Innenseite der Hand hin. Das Handgelenk kippt ein wenig zum Handrücken.

Handgelenkorthese

Fingerorthese

Fingerorthesen müssen in der Regel individuell hergestellt werden. Grund dafür ist die Größe der komplexen Fingergelenke. Mithilfe der Fingerorthesen lassen sich die betroffenen Finger ruhigstellen oder besser bewegen.

Ellenbogenorthese

Die Ellenbogenorthese dient zur Therapie von Entzündungen am Ellenbogen. Dadurch können Sehnen und Muskeln geschont werden. Mithilfe eines Federmechanismus lässt sich der Ellenbogen beugen und strecken. Ebenso ist es möglich, den Bewegungsumfang zu vermindern.

Weitere Formen von Orthesen sind:

Verschreibung und Anfertigung

Ob und wann das Tragen einer medizinischen Orthese erforderlich ist, legt der behandelnde Arzt nach dem jeweiligen Krankheitsbild fest. Erhältlich ist die Orthese in Sanitätshäusern gegen Vorlage eines ärztlichen Rezepts. Die Kosten für das medizinische Hilfsmittel tragen normalerweise die Krankenkassen.

Im Sanitätshaus wird die Orthese an die individuellen Bedürfnisse des Trägers angepasst und falls erforderlich, korrigiert, wenn der Tragekomfort zu gering ausfällt oder Druckstellen auftreten. Wichtig ist außerdem, dass sich der Träger im Sanitätshaus vorführen lässt, wie die Orthese richtig angelegt wird.

Zur Herstellung einer individuellen Orthese findet das Anfertigen eines Gipsabdruckes statt, um eine möglichst perfekte Passform zu erreichen. Der zuständige Orthopädietechniker muss sich dabei sowohl an den medizinischen Anforderungen als auch den mechanischen Prinzipien des Hilfsmittels orientieren.

Vom Arzt wird bestimmt, wie lange die Orthese anzulegen ist. Darüber hinaus kontrolliert er wiederholt, ob das medizinische Hilfsmittel seine Funktion auch erfüllt.

Orthopädietechnikerin
Orthopädietechnikerin prüft eine Fußorthese

Muss die Orthese auch in der Nacht getragen werden?

Verfügt die Orthese über Kompressionseffekte, wird empfohlen, sie nicht in der Nacht zu tragen. Ist dies nicht der Fall, gilt es dagegen als ratsam, sie auch in den Nachtstunden am Körper zu belassen, weil sich im Schlaf das Lagern der verletzten Körperstellen nur schwer unter Kontrolle bringen lässt, sodass möglicherweise Rückschläge beim Heilungsverlauf zu befürchten sind.

Risiken und Beschwerden durch das Tragen einer Orthese

Bei bestimmten Anwendungsgebieten sind durch das Tragen der Orthese verschiedene unerwünschte Beschwerden möglich wie:

  • Unsicherheiten beim Gehen
  • Stürze
  • Beeinträchtigungen von Haut oder Gewebe durch Druckstellen
  • Infektionen
  • Reizungen

Wenn die Orthese nicht richtig passt, besteht außerdem die Gefahr von Gelenk- und Knochenbelastungen.

Umgang mit der Orthese

Darauf zu achten ist, dass der Träger der Orthese weiß, wie er das medizinische Hilfsmittel anlegen muss. Bei Unklarheiten kann der Orthopädietechniker oder Arzt weiterhelfen. Schmerzen, Rötungen, Hautverfärbungen oder Sensibilitätsstörungen durch die Orthese dürfen auf keinen Fall vorkommen. Treten sie dennoch auf, ist umgehend der Arzt in Kenntnis darüber zu setzen.

Es wird außerdem dazu geraten, die Orthese über einem dünnen Kleidungsstück zu tragen, das über Saugfähigkeit verfügt. Es wird dazu auch spezielle Kleidung mit atmungsaktivem Material angeboten.

Falls nötig, lässt sich die Orthese auch waschen. Durch eine konsequente Pflege hält sie länger. Die Reinigung erfolgt mit Wasser oder Spezialsprays.