Zwanghafter Schönheitsdrang: Der Adonis-Komplex

Viele Menschen denken, dass übersteigerte Eitelkeit eine typische Frauen-Domäne ist. Doch weit gefehlt. Die Herren der Schöpfung ziehen nach - mit mitunter gefährlichen Folgen.

Von Sibylle Fünfstück

Frauen müssen sich seit vielen Jahren mit den Schönheiten aus den Medien messen. Daher ist der kritische Blick beim weiblichen Geschlecht besonders gut ausgeprägt. Doch sehen sich auch die Männer immer mehr mit den Schönheitsidealen der modernen Zeit konfrontiert - denn Fitness-Magazine preisen den neuen Mann mit Sixpack und Stiernacken.

Fitnesswahn statt Wespentaille

Steve Bloomfield von der Eating Disorders Association (EDA) berichtet, dass immer mehr Männer mit ihrem Aussehen unzufrieden sind, was auch die steigenden Zahlen der männlichen Essgestörten dokumentieren. "Die Ursachen sind bei Frauen und Männern die gleichen, nämlich:

  1. persönliche Krisen,
  2. Depressionen und
  3. sozialer Druck seitens der Medien."

Während Frauen hungern oder sich für die Wespentaille nach dem Essen übergeben, stürzen sich viele betroffene Männer in einen regelrechten Fitnesswahn. Ihnen sieht man die Essstörung daher nicht sofort an.

Männliche Essstörungen

Der Psychotherapeut Dr. Roberto Olivardia warnt: "Männer, die ihr Selbstwertgefühl ausschließlich über ihr Erscheinungsbild definieren und mit ihrem Trainingsprogramm das Berufs- und Privatleben gefährden, könnten an einer Körperwahrnehmungsstörung leiden." Erste Anzeichen einer solchen Störung seien zum Beispiel

  • das Schlucken von Steroiden,
  • Fasten oder
  • Entwässern.

Während einige Männer versuchen, ihrem Wunschkörper mit Diäten näher zu kommen, rutschen andere in die Bulimie ab. Angesichts von Burgern, leckeren Kuchen und Schweineschnitzeln verlieren sie ihre Beherrschung und schlingen Unmengen an Nahrung in sich hinein.

Das Schuldgefühl lässt nicht lange auf sich warten und fordert ihren Tribut. Für die Fressorgie heißt es exzessiv trainieren und schwitzen, damit Fettpölsterchen kein Zeugnis von der fehlenden Kontrolle ablegen.

Muskeln = männlich?

Doch nicht nur die Angst vor zu viel Körperfett treibt die Männer ins Fitnessstudio. Viele wünschen sich für den Traumkörper eine stark definierte Muskulatur. Denn in vielen Köpfen schwirrt die Annahme, dass Muskeln gleichbedeutend mit Männlichkeit sind.

Dr. Olivardia: "Männer müssen lernen, sich nicht durch die Bilder in den Medien vereinnahmen zu lassen. Man soll sich nicht verpflichtet fühlen, perfekt auszusehen.

Frauen haben dank des Feminismus mittlerweile große Fortschritte gemacht: Sie haben begriffen, dass man nicht wie ein magersüchtiges Model aussehen muss. Und ein erfolgreicher Mann zu sein, ist weit mehr, als ein paar große Muskeln zu haben."