Das Prinzip des lateralen Denkens - Sinn, Prinzipien und Anwendung

Unter lateralem Denken versteht man eine spezielle Denkmethode. Diese hilft bei der Lösung von Problemen.

Von Jens Hirseland

Laterales Denken wird auch als Querdenken bezeichnet. Der Begriff "Lateral" entstammt dem lateinischen Wort "latus" (Seite).

Als Erfinder des Begriffs "Laterales Denken" gilt der britische Kognitionswissenschaftler und Mediziner Edward de Bono. Dieser verstand darunter ein gezieltes Querdenken, also eine unkonventionelle und sogar unlogische Denkweise. Fachleute verwenden mitunter auch die Bezeichnung nichtlineares Denken.

Edward de Bono prägte zudem den Begriff des parallelen Denkens. Gemeint ist damit das Einnehmen von unterschiedlichen Denk- und Wahrnehmungsperspektiven. Weiterhin führte er 1986 die Technik der so genannten Denkhüte ein. Darunter versteht man eine Diskussion in der Gruppe. Jedes Gruppenmitglied erhält dabei einen Hut, der einen bestimmten Aspekt eines Problems symbolisiert.

Junge Leute diskutieren im Stuhlkreis
Diskussion in der Gruppe

Sinn des lateralen Denkens

Zweck des lateralen Denkens ist es, eine Denkweise zu erreichen, die sich nicht auf feste Prinzipien beschränkt. Außerdem soll der Denkende nicht nur zu einer einzigen richtigen Lösung kommen.

Das heißt, dass man auf diese Weise aus festgefahrenen alten Denkmustern ausbrechen und neue Ideen entwickeln kann. So werden die Voraussetzungen umgestoßen und ins Gegenteil verkehrt, zum Beispiel durch Gedankensprünge.

Als Gegenteil des Lateralen Denkens gilt das vertikale Denken, also das logische und rationale Denken. Dieses symbolisiert die übliche Denkweise, die aus aufeinanderfolgenden und logischen Schritten besteht. Das laterale Denken will die Wirkung des vertikalen Denkens durch das Aufzeigen von alternativen Lösungsmöglichkeiten steigern.

So müssen sich beide Denkstile also nicht gegenseitig ausschließen. Durch eine laterale Denkweise lassen sich Denkmuster verändern und Informationen neu ordnen.

Das heißt, dass der Denkende im Grunde genommen nicht nach der richtigen Antwort sucht. Stattdessen forscht er nach einer anderen Anordnung der Informationen.

Vertikale vs. laterale Denkmuster

Zwischen vertikalem und lateralem Denken bestehen zahlreiche Unterschiede.

  • So ist vertikales Denken analytisch, selektiv und folgerichtig.
  • Außerdem müssen die einzelnen Schritte korrekt sein.
  • Alles, was unwichtig erscheint, schließt das vertikale Denken aus.
  • Sämtliche Denkkategorien und Klassifizierungen sind festgelegt.
  • Es wird stets der erfolgversprechendste Weg eingeschlagen.
  • Es wird jedoch auch nur dann ein Weg eingeschlagen, wenn es überhaupt eine Richtung gibt.
  • Das laterale Denken ist dagegen provokativ, generativ und sprunghaft.
  • So muss nicht jeder Schritt auch korrekt sein.
  • Stattdessen begrüßt der Denkende alles, was ihm zufällig aufgedrängt wird.
  • Sogar die unwahrscheinlichsten Wege werden erforscht, sodass es keinerlei Festlegungen gibt.
  • Das laterale Denken wird auch dann angegangen, wenn es keine Richtung gibt - es setzt sich in Bewegung, um einen Weg zu finden.
Frau beim Nachdenken im Büro
Das Ausbrechen aus alten Denkmustern fördert die Kreativität

Prinzipien des lateralen Denkens

Edward de Bono legte für das laterale Denken vier Prinzipien fest.

  1. Zunächst gilt es, beherrschende Denkvorstellungen zu erkennen.
  2. Danach sucht der Denkende nach anderen Wegen für seine Betrachtungsweise.
  3. Wichtig ist zudem, die strenge Kontrolle zu lockern, die vom vertikalen Denken ausgeht.
  4. Das vierte Prinzip des lateralen Denkens sieht vor, dass der Zufall bewusst verwendet werden sollte.

De Bono will damit

  • die üblichen Denkmuster des Verstandes auflösen
  • neue Informationen einwirken lassen und
  • Denkurteile aufschieben.

Dazu braucht nicht jeder Denkschritt korrekt abzulaufen. Auf diese Weise entsteht mehr Freiraum für neue und kreative Ideen. Dabei können auch Begriffe, die allgemein gültig sind, in Frage gestellt werden.

Anwendung des lateralen Denkens

Die laterale Denkweise lässt sich zum Finden von Ideen auf zahlreichen Problemgebieten anwenden. So zählt laterales Denken unter anderem zu den etablierten Kreativitätstechniken innerhalb des Managementprozesses. Auf diese Weise sollen innovative oder ungewöhnliche Lösungswege für betriebliche Probleme gefunden werden.

Festgefahrene Betrachtungsewisen überwinden

Um von einer vertikalen in eine laterale Betrachtungsweise zu gelangen, gibt es laut Edward de Bono einige Techniken.

  • So sollte man versuchen, seinen Blickpunkt umzukehren.
  • Visuelles Denken ist eine hilfreiche Stütze.
  • Wer ein bestehendes Problem in kleine Einheiten zerlegt, kann diese auf eine neue Art und Weise wieder zusammenlegen.
  • Die Relationen sollten absichtlich umgekehrt werden.
  • Es ist hilfreich, ein bestehendes Problem auf eine Situation zu übertragen, die leichter zu handhaben ist, um zu einer Lösung zu gelangen.
  • Nahe liegende Punkte zur Lösungsfindung sollten in den Hintergrund, Randaspekte in den Vordergrund gerückt werden.

Die Methode des 6-Hut-Denkens

Um eine Lösung für ein bestehendes Problem zu finden, gibt es die nach Edward de Bono Methode des 6-Hut-Denkens. Diese hilft dabei, die aktuelle Problemsituation von verschiedenen Blickwinkeln aus zu betrachten und auf diese Weise mehrere Ideen zur Lösungsfindung zu erhalten.

Es gilt, das Problem von möglichst vielen Seiten aus zu beleuchten, was besonders bei sehr komplexen Fällen hilfreich ist. Die 6-Hut-Methode lässt sich allein, oder auch in einer Gruppe durchführen und ist sehr leicht zu erlernen.

Dabei stellt man sich vor, dass man zwischen verschiedenfarbigen Hüten auswählen kann, denen jeweils eine bestimmte Denkrichtung zugewiesen wird. Dabei wählt man mit den Hüten folgende Einstellungen:

  • Der weiße Hut steht für Neutralität und Objektivität. Wer diesen Hut aufsetzt, sollte Informationen sammeln, diese dabei aber nicht werten. Es gilt, sich einen objektiven Überblick zu verschaffen, alle Daten zu erfassen, welche verfügbar sind, ohne eine persönliche Meinung dazu zu haben.

  • Der rote Hut steht für die persönliche Meinung und das subjektive Empfinden. Hier sollten alle verfügbaren Emotionen zugelassen werden, sowohl positive, als auch negative Gedanken und Gefühle. Wichtig ist zudem, sich auf seine Intuition zu verlassen, auch wenn dies auf den ersten Blick nicht logisch erscheint. Auch die diffusesten Gedankengänge sollten ohne eine nötige Rechtfertigung geäußert werden dürfen.

  • Der schwarze Hut steht für objektiv negative Aspekte. Der Träger nennt alle möglichen Zweifel, Bedenken und Sorgen, alles, was gegen ein bestimmtes Projekt spricht und vermeidet dabei eine persönliche Meinungsäußerung.

  • Der gelbe Hut wiederum steht für objektiv positive Aspekte. Der Träger beleuchtet also alle Vorzüge, Chancen und erstrebenswerte Wege, doch auch hierbei muss auf eine subjekteive Meinungsäußerung verzichtet werden. Auch sollte man vermeiden, neue Ideen für das Erreichen dieser Ziele zu entwickeln; diese Aufgabe fällt einem anderen Hut zu - lediglich das objektive Erkennen der Pluspunkte steht hier im Mittelpunkt.

  • Der grüne Hut steht für die besagten neuen Ideen. Wer diesen Hut aufsetzt, macht es sich zur Aufgabe, neue Ideen zu entwickeln, Alternativen aufzusuchen und im kreativen Bereich über sich hinaus zu wachsen. Dabei dürfen die Ideen durchaus skurril erscheinen.

  • Der blaue Hut steht für Organisation und Kontrolle: Wer diesen Hut trägt, hat die Rolle des Dirigenten und schafft sich aus einem höher liegenden Blickwinkel eine Übersicht. Er fasst Ergebnisse zusammen und bestimmt zudem, welcher der anderen Hüte möglicherweise noch einmal aufgesetzt werden müssen. Das Tragen des blauen Huts eignet sich beispielsweise zum Abschluss einer Diskussionsrunde; abgesehen davon kann ihn auch eine Person während des Treffens aufgesetzt lassen und als Moderator tätig werden.