Hyperbare Sauerstofftherapie (HBO) - Anwendung, Ablauf und Risiken

Die hyperbare Sauerstofftherapie (kurz HBO-Therapie) ist ursprünglich ein Verfahren aus der Tauchmedizin zur Behandlung von Dekompressionskrankheit oder arterieller Gasembolie. Sie eignet sich aber auch zur Behandlung anderer Erkrankungen und Notfälle, zum Beispiel einer Kohlenmonoxidvergiftung. Der Patient wird hierzu in einer dichten Druckkammer mit 100%igem Sauerstoff behandelt. Erfahren Sie hier mehr zu Anwendung und Ablauf der hyperbaren Sauerstofftherapie.

Von Jens Hirseland

Die hyperbare Sauerstofftherapie ist auch als hyperbare Oxidation (HBO) bekannt. Ihren Ursprung hat sie in der Tauchmedizin. Sie gelangt unter anderem als lebensrettende Behandlung im Falle einer Kohlenmonoxidvergiftung zum Einsatz.

Grundlage der hyperbaren Sauerstofftherapie ist es, die Aufnahme von Sauerstoff ins Blut zu steigern. Auf diese Weise erhält auch schlechter durchblutetes Gewebe mehr Sauerstoff. Bei einem gesunden Menschen liegt in den Erythrozyten (roten Blutkörperchen) eine Sauerstoffsättigung von mehr als 98 Prozent vor. Eine Steigerung durch normale Atemluft lässt sich daher kaum noch erzielen.

Während einer hyperbaren Sauerstofftherapie erfolgt durch eine Druckkammer eine Erhöhung des Außendrucks um das Zwei- bis Vierfache des normalen Drucks. In den flüssigen Blutbestandteilen löst sich physikalisch eine größere Menge an Sauerstoff. Ziel dieses Effektes ist ein schnellerer Stoffwechsel in Gewebe, in dem eine schlechtere Durchblutung besteht, was sich wiederum positiv auf den Verlauf der Heilung auswirkt.

In Deutschland ist die hyperbare Sauerstofftherapie unter Medizinern allerdings noch immer umstritten. So gibt es bislang zu wenige aussagekräftige Studien, die eine abschließende Bewertung des Verfahrens auf dessen Wirksamkeit zulassen.

Anwendungsgebiete der hyperbaren Sauerstofftherapie

Sinnvoll kann eine hyperbare Sauerstofftherapie zur Unterstützung der Behandlung von unterschiedlichen Erkrankungen sein:

  • Vergiftung mit Kohlenmonoxid, Rauchgas oder Cyanid
  • Dekompressionskrankheit aufgrund von Tauchunfällen
  • Gas- oder Luftembolie durch einen Tauchunfall
  • Akute Innenohrerkrankungen wie Tinnitus, ein akuter Hörsturz, Morbus Meniere oder ein Knalltrauma
  • Wundheilungsstörungen bei Brandwunden
  • Diabetisches Fußsyndrom
  • Durchblutungsstörungen oder chronische Entzündungen von Knochen oder Knochenhaut
  • Späte Nebenwirkungen einer Strahlenbehandlung wie eine Strahlenzystitis (Harnblasenentzündung) oder Defekte der Knochen
  • Anaerobe Infektionen wie eine Gasbrandinfektion
  • Nekrotisierende Weichteilinfektionen
  • Verletzungen wie Quetschungen oder ein Compartment-Syndrom
  • Knochenmarksödeme
  • Hirnabszesse

Prinzip der hyperbaren Sauerstofftherapie

Für die positive Wirkung der hyperbaren Sauerstofftherapie bedarf es zweier Kriterien. So muss der Patient einhundertprozentigen medizinisch reinen Sauerstoff (O2) einatmen. Zu diesem Zweck findet das Erzeugen eines relativen Überdrucks in einer Therapie-Druckkammer statt. Der Druckbereich liegt dabei zumeist zwischen 150 und 300 kPa (1,5 bis 3,0 bar).

Fällt ein Kriterium aus, lassen sich die wichtigsten Konditionen für die hyperbare Sauerstofftherapie nicht mehr erfüllen. So muss sie unbedingt durch eine HBO-Druckkammerbehandlung durchgeführt werden, damit das Zellgewebe, bei dem eine pathologische Sauerstoffunterversorgung besteht, ausreichend mit Sauerstoff versorgt werden kann. Dadurch kommt es zur Teilung und Neuentstehung der Zellen sowie zu einer Blutgefäßneubildung.

Weil andere Anwendungen mit Sauerstoff diese Kriterien nicht erfüllen, erreichen sie nicht die selbe positive Wirkung der hyperbaren Sauerstofftherapie.

Vor der Behandlung

Vor der Durchführung der hyperbaren Sauerstofftherapie wird der Patient im Vorfeld auf seine Drucktauglichkeit hin kontrolliert. Zu diesem Zweck finden zum Beispiel eine körperliche Untersuchung, eine Lungenfunktionsprüfung sowie ein EKG statt. Außerdem überprüft der Arzt, ob die Ohrtrompete (Tuba auditiva) vom Rachen in Richtung Mittelohr durchgängig ist.

Ablauf der hyperbaren Sauerstofftherapie

Während der hyperbaren Oxidation nimmt der Patient Platz in einer Ein- oder Mehrpersonen-Druckkammer. Zum medizinischen Personal besteht via Sicht- und Sprechkontakt jederzeit Verbindung. Des Weiteren legt der Patient ein Schlauch-Maskensystem an, worüber er den medizinischen Sauerstoff einatmet. Alternativ steht auch ein Kopfzelt zur Verfügung.

In Deutschland erfolgt die hyperbare Sauerstofftherapie in der Regel in einer bequemen und modernen Mehrplatz-Druckkammer. Schritt für Schritt steigert sich der Druck innerhalb der Kammer. Der Druckausgleich in den Ohren verläuft ohne Komplikationen. Durch das Pressen von Luft in den Rachen während des Zuhaltens der Nase oder das Kauen eines Kaugummis lässt sich der Vorgang leichter gestalten. Der Ohrendruck, der dabei entsteht, kann mit einer Tauchtiefe im Wasser zwischen 14 und 18 Metern verglichen werden.

Die Dauer der Sitzung richtet sich nach der jeweiligen Indikation. Mitunter beträgt sie einige Stunden. Für spezielle Luftatempausen wird die Behandlung in regelmäßigen Intervallen unterbrochen. Während dieser Zeit erhält der Patient normale Luft.

Gegen Ende der Sitzung erfolgt über mehrere Minuten das Absenken des Drucks, was in der Medizin Ausschleusen genannt wird. Ist die HBO-Behandlung absolviert worden, kann der Patient wieder seinen Alltagsbeschäftigungen nachgehen.

Wie viele Sitzungen notwendig sind, richtet sich nach dem jeweiligen Behandlungsschema.

Risiken einer hyperbaren Sauerstofftherapie

Unerwünschte Nebenwirkungen zeigen sich bei der hyperbaren Sauerstofftherapie nur selten, sind aber prinzipiell möglich. Zu den häufigsten Nebeneffekten zählt das Barotrauma des Trommelfells. In den meisten Fällen kommt es dabei zu einer geringfügigen Rötung des Trommelfells. Diese geht jedoch nach etwa 24 Stunden meist von selbst wieder zurück. Besonders betroffen von dieser Nebenwirkung sind Kinder.

Bei manchen Patienten tritt mitunter eine zeitweilige Sauerstoffüberempfindlichkeit auf. Bemerkbar macht sie sich durch vorübergehende Gefühlsstörungen und Krämpfe. Bleibende negative Auswirkungen sind dadurch aber nicht zu befürchten.

Gelegentlich droht durch eine hohe Sauerstoffdosis sogar ein Krampfanfall des Gehirns. Zu dieser Komplikation kommt es jedoch nur äußerst selten. Tritt sie jedoch auf, besteht die Gefahr von Verletzungen durch unkontrollierte Bewegungen. Außerdem können die Atemwege verlegt werden. Normalerweise bleiben sauerstofftoxische Krampfanfälle ohne Folgen.

Weitere denkbare Nebenwirkungen sind:

  • Kurzsichtigkeit aufgrund der Sauerstoffeinwirkung
  • Übelkeit
  • Erbrechen
  • Schädigungen der Lunge durch eine hohe Sauerstoffdosis

Übernahme der Kosten

Die Kosten für die hyperbare Sauerstofftherapie müssen in der Regel von gesetzlich versicherten Patienten selbst getragen werden. Nur im Falle von bestimmten medizinischen Gründen werden die Behandlungskosten von der gesetzlichen Krankenversicherung erstattet. Nach einem Urteil des Bundessozialgerichts müssen auch die gesetzlichen Krankenkassen eine Behandlung des diabetischen Fußsyndroms übernehmen. Seit Januar 2018 gilt dies ebenfalls für ambulante Behandlungen. In anderen Fällen der HBO wie Hörsturz oder Tinnitus liegt die Kostenerstattung im Ermessen des Kostenträgers.

Von den privaten Krankenversicherungen werden die Kosten für die hyperbare Sauerstofftherapie im Normalfall übernommen. Dies ist in der Regel dann der Fall, wenn eine qualifizierte Studie vorliegt, die für eine solche Behandlung spricht und eine fachärztliche Indikation besteht.

Um die Höhe der Kosten zu bestimmen, wird empfohlen, im Vorfeld der Behandlung nach einem Kostenplan für die hyperbare Sauerstofftherapie zu fragen. Im Normalfall tragen beinahe sämtliche privaten Krankenkassen auch Behandlungen für einen akuten Hörsturz oder akuten Tinnitus, wenn eine entsprechende Anfrage erfolgt.

Die Höhe der Kosten der HBO-Therapie hängt letztlich vom Behandlungsprotokoll sowie von der Therapiedauer ab. Nach Beratung und Untersuchung erhält der Patient einen ausführlichen Kostenvoranschlag.