Neutrophile Granulozyten - Werte, Funktion und Störungen

Neutrophile Granulozyten oder Neutrophile gehören zu den weißen Blutkörperchen (Leukozyten) und bilden dort die größte Gruppe. Neutrophile Granulozyten werden unterschieden in Stabkernige (junge Neutrophile) und Segmentkernige (reife Neutrophile). Sie sind Teil des Immunsystems und haben die Aufgabe, fremde Mikroorganismen zu erkennen und zu zerstören. Lesen Sie in diesem Artikel alles Wichtige über neutrophile Granulozyten.

Von Jens Hirseland

Neutrophile Granulozyten - Merkmale und Funktion

Bei den neutrophilen Granulozyten handelt es sich um spezielle Immunzellen. Sie tragen auch die Bezeichnung Neutrophile und stellen mit etwa 50 bis 70 Prozent aller Leukozyten den größten Anteil an weißen Blutkörperchen.

Die neutrophilen Granulozyten zählen zum angeborenen Abwehrsystem des Körpers. Dabei erfüllen sie die Funktion, fremde Mikroorganismen zu erkennen und zu zerstören.

Die Bezeichnung neutrophil entstammt dem Griechischen und bedeutet "neutral liebend". Der Begriff geht auf das günstige Färbeverhalten der speziellen Leukozyten bei Untersuchungen unter einem Mikroskop zurück.

Die Neutrophilen werden auch als Fresszellen (Phagoyzten) bezeichnet. Sie nehmen Keime wie Bakterien in sich auf, indem sie sie komplett umhüllen. Dadurch entsteht der Eindruck, dass sie die fremden Mikroorganismen auffressen.

Die Neutrophilen sind somit ein wichtiger Teil des Abwehrsystems. Die meiste Zeit befinden sie sich im Ruhezustand in der Blutbahn. Dringen fremde Stoffe oder Krankheitserreger in den Organismus vor, erfolgt die Ausschüttung von Substanzen, von denen die neutrophilen Granulozyten angelockt werden.

Anschließend gehen sie von der Blutbahn ins Gewebe über, wo sie ihrer Funktion als Fresszellen nachkommen. Dabei nehmen sie die Keime in sich auf und vernichten sie anschließend.

Eine weitere Aufgabe der Neutrophilen ist der Abbau von zerstörtem Gewebezellen. Sowohl die Granulozyten als auch die vernichteten Gewebezellen werden zu Eiter.

Unterschiedliche Formen der neutrophilen Granulozyten

Die Medizin untergliedert die neutrophilen Granulozyten in zwei Formen. Dies sind die stabkernigen Neutrophilen, die die jugendliche Form darstellen, sowie die segmentkernigen Neutrophilen, bei denen es sich um die ausgereifte Form handelt.

Im Rahmen eines Differentialblutbildes werden die neutrophilen Granulozyten unterteilt, um zu klären, ob bereits eine erneute Herstellung der Neutrophilen im Gange ist und die Behandlung der jeweiligen Infektionen erfolgreich verläuft.

Aufbau der neutrophilen Granulozyten

Die neutrophilen Granulozyten haben die Form einer runden Kugel und erreichen einen Durchmesser zwischen zehn und 15 Mikrometern. Die jungen Neutrophilen fallen durch ihren stabförmigen Kern auf. Sie kommen sowohl im Blut als auch im Knochenmark vor.

Bei den reifen Granulozyten setzt sich der Zellkern aus drei bis vier Teilen zusammen. Aus diesem Grund tragen sie die Bezeichnung segmentkernige neutrophile Granulozyten. Außerdem weist der Kern eine längliche Form auf.

In den Vesikeln (Granula) der Neutrophilen sind Enzyme enthalten, die gegen verschiedene Mikroorganismen wirken. Primäre Granula, die den Lysosomen entsprechen, enthalten:

  • Defensine
  • Saure Hydrolasen wie Phospholipasen
  • Serinproteasen wie Kathepsin G
  • Lysozyme
  • Myeloperoxidase

Sekundäre Granula enthalten:

  • Plasminogenaktivatoren
  • Kollagenase
  • Histaminase
  • Elastase
  • Gelatinase

Sie rufen keine Reaktion auf saure oder basische Farbstoffe hervor. Die unterschiedlichen Enzyme sorgen dafür, dass die neutrophilen Granulozyten schneller zum Herd der Infektion gelangen und helfen bei der Wundheilung.

Eine weitere Gruppe bilden die tertiären Granula, die einen kleineren Umfang als die anderen Granula aufweisen und größtenteils Gelatinase enthalten.

Entstehung

Die neutrophilen Granulozyten entstehen im Knochenmark aus oligopotenten myeloischen Stammzellen (CMP). Pro Tag werden von einem erwachsenen Menschen mehr als 1000 Neutrophile produziert.

Aus den oligopotenten Stammzellen gehen uni- oder bipotente Stammzellen hervor. Daraus entstehen wiederum Zellkolonien, die zueinander finden.

Reifer neutrophiler Granulozyt
Segmentkerniger (reifer) neutrophiler Granulozyt

Werte der neutrophilen Granulozyten

Der normale Wert für die jugendlichen stabkernigen neutrophilen Granulozyten beträgt 150 bis 400 Neutrophile je Mikroliter Blut, was einem Wert von drei bis fünf Prozent entspricht. Deutlich höher fällt der Wert der segmentkernigen neutrophilen Granulozyten aus, der 3.000 bis 6.000 Neutrophile pro Mikroliter Blut beträgt. Ihr prozentualer Anteil liegt zwischen 50 und 70 Prozent. Anstelle der absoluten Anzahl an Neutrophilen greift die Medizin bei der Angabe der Werte auf den prozentualen Anteil unter sämtlichen Leukozyten zurück.

Linksverschiebung (Neutrophilie)

Von einer Linksverschiebung oder Neutrophilie ist in der Medizin die Rede, wenn im Blut mehr stabkernige Granulozyten enthalten sind als normal.

Ursachen einer Linksverschiebung

Rechtsverschiebung

Fällt die Anzahl an segmentkernigen neutrophilen Granulozyten zu hoch aus, sprechen die Ärzte von einer Rechtsverschiebung. Sie zeigt sich in erster Linie, wenn die Herstellung der Zellen im Knochenmark Störungen unterliegt.

Das bedeutet, dass das Knochenmark keine neuen Granulozyten mehr bildet. Dadurch steigt wiederum die Menge an älteren segmentkernigen Granulozyten an.

Ursachen einer Rechtsverschiebung

Verantwortlich dafür sind zumeist spezielle Formen einer Anämie (Blutarmut) wie eine megaloblastäre Anämie aufgrund von Folsäuremangel oder aktuelle Strahlen- bzw. Chemobehandlungen. In manchen Fällen werden die segmentkernigen Granulozyten nur noch vermindert abgebaut, weil die Milz herausoperiert wurde.

Neutropenie

Bei einer Neutropenie verringert sich die Anzahl der neutrophilen Granulozyten im Blut. Bei Werten von ca. 1000 Neutrophilen je Mikroliter Blut liegt eine leichte Neutropenie vor. Sinkt der Wert auf unter 500 Neutrophile pro Mikroliter Blut ab, können schwerwiegende Ursachen vorliegen.

Ursachen einer Neutropenie

  • ein verstärkter Verbrauch an Neutrophilen, der auf schwere Erkrankungen wie eine Blutvergiftung (Sepsis) oder eine Bauchfellentzündung (Peritonitis) zurückzuführen ist
  • Beeinträchtigungen des Knochenmarks durch Infektionen oder die Gabe von bestimmten Arzneimitteln wie Antibiotika, Ibuprofen oder Protonenpumpenhemmern
  • Autoimmunkrankheiten wie systemischer Lupus erythematodes
  • virale Erkrankungen wie Windpocken oder die Grippe (Influenza)
  • schwere Virusinfektionen wie HIV
  • eine myeloische Leukämie
  • das Kostmann-Syndrom

Behandlung einer Neutropenie

Die Behandlung der Neutropenie erfolgt durch das Bekämpfen der auslösenden Ursache. Falls nötig, können auch Präparate, die die Herstellung der neutrophilen Granulozyten anregen, dargereicht werden, was jedoch nur selten der Fall ist.

Passend zum Thema