Weinen aus Trauer, Wut oder Freude - welche Funktion haben emotionale Tränen?

Weinen hat vielfältige Gründe - was der Hauptgrund für den Tränenausbruch ist, bleibt unter Forschern jedoch umstritten

Von Dörte Rösler
30. Juni 2015

Ob Trauer oder Freude, Wut oder Schmerzen - der Mensch weint aus vielen Gründen. Aber warum?

Der biologische Zweck von Tränen ist leicht erklärt: sie spülen Fremdkörper und Keime aus dem Auge. Dass wir auch emotionale Tränen vergießen, wird von Forschern jedoch unterschiedlich interpretiert.

Weinen als Stressabbau

Ein Teil der Wissenschaftler betont die entlastende Wirkung von Tränen. Wir weinen, um Stress und Spannungen abzubauen. Tatsächlich können Studien einen sogenannten Katharsis-Effekt bestätigen: Mit dem Weinen lässt der innere Druck nach.

Genauso viele Studien widerlegen die These von entspannenden Tränen allerdings. Sie behaupten im Gegenteil, dass Körper und Psyche sich beim Weinen so anspannen, das keinerlei Erleichterung eintritt.

Weinen entgiftet den Körper

Eine weitere Erklärung für den Tränenfluss lautet, dass beim Weinen gesundheitsschädliche Stoffe ausgeschieden werden. In der Diskussion sind etwa Proteine, die bei Trauer oder Wut vermehrt gebildet werden.

Tatsächlich enthält die Tränenflüssigkeit gewisse Eiweiße, die Menge ist jedoch so gering, dass eine gesundheitliche Wirkung nicht messbar ist. Von einer "Entgiftung" durch Weinen kann also keine Rede sein. Außerdem konnten gerade Stresshormone nicht nachgewiesen werden.

Mit den Tränen schwinden weder Adrenalin noch Kortisol oder Adrenocorticotropin aus dem Körper. Dafür wurde speziell bei Frauen ein erhöhter Gehalt am Milchbildungshormon Prolaktin nachgewiesen. Auch Serotonin und wertvolle Mineralstoffe wie Kalium und Kalzium schwimmen mit den Tränen davon.

Tränen als Kommunikation

Viele Forscher sehen den Hauptgrund für emotionale Tränen deshalb in ihrer sozialen Funktion. Wer weint, weckt in seinem Gegenüber Mitleid und fördert die emotionale Anteilnahme.

Wir reagieren verständnisvoller, wenn ein anderer weint, als wenn er sein Befinden nur in Worte fasst. Das zeigt sich sowohl bei der Hilfsbereitschaft als auch bei der Kontrolle von Aggressionen.

Frauen nutzen Tränen als Mittel der Kommunikation nachweislich öfter als Männer. Sie weinen auch aus anderen Gründen.

Während bei Männern die Tränen vorrangig bei Trennungen oder aus Mitgefühl kullern, weinen Frauen eher

  • in Konfliktsituationen oder
  • aus einem Gefühl der Hilflosigkeit.

Wie israelische Wissenschaftler herausgefunden haben, senkt der spezifische Geruch von Frauentränen bei Männern etwa die Ausschüttung von Testosteron und mindert die sexuelle Erregbarkeit.

Öffentliches Weinen gilt als Schwäche

Weinen kann Mitgefühl hervorrufen. Wer viel weint oder in der Öffentlichkeit in Tränen ausbricht, erntet jedoch häufig Spott. Verantwortlich ist unsere Sozialisation, in der (weibliche) Emotionalität mit Schwäche assoziiert wird.

Die meisten Männer vermeiden es deshalb, ihre

  • Wut,
  • Schmerzen oder
  • Trauer

durch Tränen zu offenbaren, um nicht als unmännlich abgestempelt zu werden. So können sie Gespött vermeiden - Mitgefühl und Trost bleiben aber auch aus.