Sexualität im Christentum

Unter Sexualmoral versteht man Wertvorstellungen und Anschauungen zur Sexualität. In den großen Weltreligionen gibt es über Sexualität unterschiedliche ethische Auffassungen.

Von Jens Hirseland

Sexualmoral im Wandel

Sexualmoral regelt Fragen nach der Geschlechtsbeziehung. Diese berühren viele Bereiche des Lebens und werden je nach Kultur- und Glaubenskreis unterschiedlich beantwortet.

Die Bedeutung der Sexualmoral

Sexualmoral hat nicht nur mit dem intimen Zusammensein zweier Menschen zu tun, sondern geht weit über diesen Bereich hinaus. Sie betrifft weite Teile der Beziehungen der Geschlechter untereinander, wobei diese Beziehungen markant geschlechtsspezifisch begründet sind - im Gegensatz zu Beziehungen unter Geschlechtern, bei denen die Geschlechtszugehörigkeit eine geringere oder gar keine Bedeutung spielt.

Konkreter gesagt bedeutet Sexualmoral das sittliche Verhalten in geschlechtlichen, also Sexualfragen. Aber schon in solchen Überlegungen liegen die Anfänge einer Sexualmoral, die besonders im Deutschland des Mittelalters stark von der Kirche bestimmt wurde.

Gesellschaftliche Auswirkungen der Sexualmoral

Das Thema Sexualmoral reicht weit bis in den gesellschaftlich-alltäglichen Umgang der Menschen hinein. Wie zum Beispiel zum Thema Ehe. Die katholische Kirche beispielsweise

  • erkennt sie als einzige legale Lebensform zwischen Mann und Frau an
  • wendet sich gegen das lose Zusammenleben von Paaren und
  • ist gänzlich gegen gleichgeschlechtliche Beziehungen.

Der Staat dagegen hat in vielen Gesetzgebungen, wie zum Beispiel im sozialen Bereich, die lose Gemeinschaft der (auch gleichgeschlechtlichen) Paare anerkannt und damit aufgewertet.

Meinungsumfragen belegen einen Wandel der Sexualmoral

Aber Menschen begegnen auch im alltäglichen Umgang Fragen der Sexualmoral. Ein deutliches und wirksames Anzeichen davon sind Umfrageunternehmen, wenn sie beispielsweise in diesem Themenbereich auf Meinungsfang gehen. Dann lauten Fragen nicht selten: "Würden Sie ihrem Partner einen Seitensprung verzeihen?"

Nicht nur die repräsentativen Antworten sind ein Abbild der bestehenden Sexualmoral, sondern die Fragestellung selbst ist bereits ein Zeichen einer geänderten, freieren Sexualmoral. Öffentlich wurde eine solche Frage beispielsweise im wilhelminischen Zeitalter im 19. Jahrhundert erst gar nicht gestellt - das wäre damals ein echter Skandal gewesen.

Zwangsverheiratung

Der Wandel der Sexualmoral macht sich auch an interkulturellen Beziehungen deutlich. Wird aktuell die Zwangsverheiratung aus religiösen Gründen in der Türkei verpönt, so wurde sie früher im Deutschland des Mittelalters oder des reaktionären 19. Jahrhunderts häufig als gesellschaftliches Arrangement getarnt.

Zu diesem Umkreis gehört auch, dass früher eine Verlobung zwangsläufig in eine Ehe führte.

Sexualität im Christentum

Die Sexualmoral oder Sexualethik hat sich somit vor allem im westlichen Kulturkreis im Laufe der Jahrhunderte stark gewandelt. So wird Sexualität heutzutage deutlich freier und offener ausgelebt als noch in der Vergangenheit.

Doch auch heute noch spielen religiöse Traditionen und Wertvorstellungen eine wichtige Rolle. Die Ethik der westlichen Gesellschaft wurde stark durch das Christentum geprägt, das wiederum auf dem Judentum basiert. Für die Sexualmoral gilt dies jedoch nur in begrenztem Maße.

Moralische Ansichten aus dem Judentum

Viele moralische Ansichten des Christentums wurden vom Judentum übernommen. Dazu gehörten zum Beispiel die Ablehnung von:

Darüber hinaus gab es im alten Rom zahlreiche religiöse Bewegungen, die sich für Askese und gegen sexuelles Vergnügen aussprachen.

Auch Paulus, der zu den wichtigsten Wegbereitern der christlichen Lehre zählte, betrachtete sexuelles Verlangen als bedauerliche Schwäche und vertrat die Ansicht, dass das Zölibat über die Schließung einer Ehe zu erheben sei.

Ansichten von Jesus Christus selbst über die Sexualmoral sind kaum bekannt.

  • So verdammte er sexuelles Verlangen nicht, lobte es aber auch nicht.
  • Sexuellen Außenseitern gegenüber zeigte er sich jedoch barmherzig und mitfühlend.

Starke Beeinflussungen

Stark geprägt wurde die christliche Sexualmoral von verschiedenen Kirchenvätern wie

  • Augustinus
  • Jeremias und
  • Tertullian,

die sich sexuellem Verlangen gegenüber ablehnend zeigten. Vor allem der einflussreiche Augustinus, der in jungen Jahren sexuell sehr aktiv war, betrachtete nach seiner Bekehrung zum Christentum Geschlechtsverkehr als entwürdigend und beschämend.

Verantwortlich für die Fleischeslust, bei der der Mensch die Kontrolle über seinen Körper verlor, machte Augustinus den Sündenfall von Adam und Eva. Ebenfalls strikt abgelehnt wurde von den Kirchenvätern Abtreibung. Die römisch-katholische Kirche entwickelte zudem weitere Regeln, die nicht in der Bibel stehen, wozu vor allem das Zölibat gehört, das bis heute Gültigkeit hat.

Teilung der Kirche

Durch die Reformation kam es im 16. Jahrhundert zur Teilung der Kirche, wodurch die protestantischen Kirchen und Glaubensgemeinschaften entstanden. Die Meinungen in den verschiedenen evangelischen Kirchen über die Sexualmoral sind sehr unterschiedlich.

  • So sehen liberale Glaubensrichtungen Sexualität als eine positive Gabe Gottes an und werben für Verständnis und Nachsicht,
  • während fundamentalistische Kirchen sämtliche sexuellen Handlungen außerhalb der Ehe strikt ablehnen.