Paraphilien: Entstehung und Ausprägung extremer sexueller Neigungen

Paraphilien sind für die Allgemeinheit kaum ein Begriff, spricht man allerdings von Perversionen wissen plötzlich alle Bescheid. Aber - es gibt keine Perversionen, sondern sexuelle Vorlieben die aus dem Rahmen fallen oder einen handfesten psychischen Hintergrund haben. Nicht alle, aber viele Paraphilien jedoch sind erst zu dem geworden was die Gesellschaft aus ihnen gemacht hat: Sexuelle Störungen.

Von Jens Hirseland

Begriffserklärung "Paraphilie"

Der Begriff Paraphilie entstammt dem Griechischen. "Para" - also "neben" oder "abseits" - und "Philie" oder "Philia" - "Freundschaft" oder "Liebe" - bezeichnen als Ganzes eine bestimmte sexuelle Vorliebe, die bei einer Art Sucht oder starken Abhängigkeit und weiterführenden Handlungen erst zu einer gestörten sexuellen Präferenz wird. Die Menschen, die von einer Paraphilie betroffen sind, empfinden dabei dranghafte Bedürfnisse oder Phantasien, die sie sexuell erregen.

Die Übergänge hierbei sind fließend, denn was den einen als normal erscheint, zeigt sich bei einem anderen Menschen schon als krank. Doch um es vorweg zu nehmen: Wirklich krank sind nur die wenigsten der Liebhaber ungewöhnlicher Liebespraktiken und der Begriff "pervers" ist selbst unter Fachleuten nicht mehr erwünscht.

Merkmale einer Paraphilie

Von einer Paraphilie ist die Rede, wenn die Betroffenen den Drang verspüren, immer wieder abnorme sexuelle Verhaltensweisen auszuüben. So fügen sie sich oder anderen Menschen Schmerzen zu oder lassen sich demütigen und erniedrigen. Auch Gegenstände oder Personen, deren Handlung eingeschränkt ist, wie Kinder oder Kranke, werden mitunter einbezogen. So gehören das Leid des Betroffenen oder des Opfers zur Paraphilie.

Selbst Psychotherapeuten und Ärzte tun sich häufig schwer, eine Paraphilie festzustellen oder in eine bestimmte Klasse einzuordnen. So ist die Diagnose einer Paraphilie oft sehr schwierig. Laien betrachten sie meist als Perversion. Die WHO (Weltgesundheitsorganisation) lehnt diese Bezeichnung allerdings ab, da sie eine Stigmatisierung der Betroffenen befürchtet.

Grenzen zwischen Fetischismus und Paraphilie

Für Laien sind Paraphilien nur schwer zu verstehen und werden oft sehr emotional betrachtet. Während sie Fetischismus noch als einigermaßen tolerabel ansehen, gibt es für Paraphilien wie Sadismus, Pädophilie und Nekrophilie keinerlei Toleranz. Eine große Rolle spielt dabei auch die jeweilige Kultur.

Entstehung von Paraphilien

Die konkreten Ursachen für Paraphilien liegen bislang aus wissenschaftlicher Sicht im Dunkeln. Als möglicher Auslöser kommen Geschehnisse in der Kindheit oder Jugend, Mangelerscheinungen an Hormonen sowie die Einnahme von bestimmten Arzneimitteln in Betracht.

Für die Betroffenen bringt eine Paraphilie oft viel Leid mit sich. So werden zahlreiche Handlungen, die im Rahmen der sexuellen Störung begangen werden, strafrechtlich verfolgt. Meist tun sich die Erkrankten schwer, sich anderen Menschen zu öffnen und professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Außerdem leben sie in starker Abhängigkeit von ihrer Paraphilie.

Psychotherapeutische Behandlungen sind durchaus möglich, erfordern jedoch viel Zeit und Geduld.

Paraphilien und deren Einstufung sind ein ebenso interessantes als auch schwieriges Feld im Bereich der Psychologie und Psychiatrie, das sicherlich aufgrund der schwammigen Übergänge von Norm und Abnorm nie ganz aufgeschlüsselt werden kann - Einteilungen, die in der Regel durch die Gesellschaft erfolgen oder auch über Jahrhunderte geprägt wurden.

Sind sexuelle Vorlieben Resultate der Erziehung?

Nach Ansicht von Wissenschaftlern prägen sich Merkmale und Eigenschaften, die ein Mensch sexuell attraktiv findet, bereits im frühen Lebensstadium aus. Der Frage, warum bestimmte Attribute sexuell als attraktiver eingestuft werden als andere, gingen zahlreiche Verhaltensforscher über einen längeren Zeitraum nach.

Bei ihren Studien berücksichtigten sie auch das Elternhaus der befragten Personen. Dabei kamen sie zu dem Schluss, dass es Zusammenhänge zum Aussehen der Eltern gibt.

  • Trägt zum Beispiel ein Elternteil eine Brille, werden im späteren Leben oftmals Lebenspartner gewählt, die ebenfalls eine Brille tragen.
  • Ähnliches gilt, wenn die Eltern rauchen.
  • Darüber hinaus werden heterosexuelle Männer häufig von Frauen angezogen, die ähnliche Merkmale wie ihre Mütter aufweisen.
  • Bei heterosexuellen Frauen ist dies dagegen oftmals bei ihren Vätern der Fall.

Dieser Prozess entwickelt sich jedoch erst mit der Geschlechtsreife und gilt vor allem für etwa gleichaltrige Partner.

Arten von Paraphilien

Einige Beispiele aus dem Bereich der Paraphilien geben einen minimalen Einblick in die Welt der meist stillen und tabuisierten Sexualpräferenzen:

  • Amputophile finden diesen Kick darin, wenn sie ihr Liebesleben nur mit einem Menschen ausleben können oder wollen, der eine körperliche Behinderung aufweist.
  • Choreophile finden diesen Reiz nur dann, wenn sie einer anderen Person beim Tanzen zu sehen.
  • In der Zoophilie steht die "intensive" Liebe zum Tier im Vordergrund.
  • Bei der Objektophilie fühlt sich der Betroffene sexuell zu einem bestimmten Gegenstand oder auch einem Objekt, wie einem Haus, einer Brücke oder auch einer Lok, hingezogen. Hier ist der Übergang zum Fetischismus schleichend und eine Abgrenzung fällt oft schwer.
  • So etwa auch bei der Koprophilie, die die Vorliebe für sexuelle Spiele mit Fäkalien beinhaltet.
  • Die Nekrophilie geht im wahrsten Sinne des Wortes über Leichen.
  • Ebenfalls unter die Paraphilien fällt die Pädophilie, bei der sich das sexuelle Interesse auf Personen im Kindesalter richtet.

    Auch fällt jede andere Paraphilie in den Bereich der Justiz sobald eine andere Person oder Sache während der Liebesspiele genötigt, belästigt oder auch geschädigt wird.

Weitere Paraphilien:

  • Acrotomophilie (Amelotatismus)
  • Apotemnophilie
  • Autonepiophilie
  • Autogynophilie/Autogynäphilie
  • Dämonophilie
  • Ephebophilie
  • Exhibitionismus
  • Frotteurismus (Frottage)
  • Gerontophilie
  • Hypoxyphilie
  • Kleptophilie
  • Masochismus
  • Morphophilie
  • Mysophilie (Geruchsfetischismus)
  • Narratophilie
  • Partialismus
  • Pictophilie
  • Plushophilie
  • Sadismus
  • Salirophilie
  • Sitophilie
  • Scoptophilie
  • Stigmatophilie
  • Somnophilie
  • Telefonscatophilie (Dirty Talk)
  • Triolismus (Dreier)

Wie sich eine spezielle sexuelle Vorliebe äußern kann, zeigen wir anhand des Beispiels der Objektophilie...

Ursachen und Ausprägungsformen einer Objektsexualität (Objektophilie)

Objektsexualität wird auch als Objektophilie bezeichnet. Gemeint ist damit eine Liebes- oder Sexualbeziehung zu einem bestimmten Gegenstand. Die Betroffenen, die sich selbst als Objektsexuelle bezeichnen, verstehen die Objektophilie nicht als Fetischismus, sondern als eigenständige sexuelle Orientierung.

Begriffserklärung anhand eines Fallbeispiels

In der Medizin und der Psychologie hat sich der Begriff "Objektsexualität" noch nicht etabliert. Erfunden wurde er von der schwedischen Modellbauerin Eija-Riitta Eklöf-Berliner-Mauer.

Diese behauptet von sich, seit 1979 mit der Berliner Mauer verheiratet zu sein und führt seither auch ganz offiziell den Namen Eklöf-Berliner-Mauer. So gilt die Schwedin als erste Objektsexuelle der modernen Zeit. Seit dem Mauerfall am 9. November 1989 betrachtet sie sich allerdings als Witwe.

Die bizarre Geschichte der schwedischen Modellbauerin wurde mehrfach im Internet dokumentiert.

Eija-Riitta Eklöf ist allerdings nicht die einzige Objektsexuelle. So gibt es noch mehr Menschen, die sich von Gegenständen wie

sexuell angezogen fühlen. Dazu gehört zum Beispiel die amerikanische Bogenschützin Erika Eiffel, die mit dem Pariser Eiffelturm in den Stand der Ehe trat. Darüber hinaus gründete die Aktivistin die Organisation OS Internationale. Deren Ziel ist es, sich für Objektsexuelle zu engagieren.

In Deutschland gibt es ca. 25 bekennende Objektsexuelle, die sich im Internet organisieren.

Ursachen

Objektsexualität ähnelt dem Fetischismus. Von diesem unterscheidet sich die Objektophilie jedoch dadurch, dass das Objekt der Begierde gewissermaßen als eigenständige Lebensform betrachtet wird und nicht nur der sexuellen Stimulation dient.

Das Objekt fungiert dabei als Ersatz für einen Menschen. So billigt der Objektsexuelle dem Gegenstand eine eigene Körperlichkeit und Identität zu.

Die Ursachen für Objektophilie liegen im Dunkeln, denn nur selten konsultieren die Betroffenen einen Therapeuten. Davon abgesehen wurde die Objektsexualität wissenschaftlich bisher kaum erforscht.

Ausprägungsformen

Die Objekte der obskuren Begierde können bei einer Objektophilie vollkommen unterschiedlich sein und reichen von simplen Gegenständen bis hin zu großen Bauwerken.

Ein typisches Merkmal der Objektophilie ist, dass die Betroffenen sich von bestimmten Objekten verstanden fühlen und mit ihnen zusammenleben wie mit einem Menschen. Dabei werden auch Probleme besprochen und das Objekt um Rat gefragt.

Sogar zu Streitigkeiten, wie in einer normalen Beziehung, kann es kommen, auch wenn diese eher einseitig verlaufen. Darüber hinaus üben die Objekte auf die Objektophilen eine erotische Wirkung aus, wobei es meist auch zu Sex kommt.

Behandlung

Eine spezielle Therapie gegen Objektophilie gibt es nicht. So stufen die meisten Betroffenen die Objektsexualität keineswegs als unnatürlich oder gar als Krankheit ein, sondern sind mit ihr glücklich und zufrieden. Eine Therapie ist nur dann sinnvoll, wenn auch wirklich Leidensdruck besteht.