Religiöse, kulturelle und medizinische Gründe für eine Beschneidung

Die Beschneidung der männlichen Vorhaut erfolgt nicht nur aus medizinischen oder hygienischen Gründen. Auch religiöse oder kulturelle Motive spielen eine wichtige Rolle.

Von Jens Hirseland

Religiöse und kulturelle Gründe für eine Beschneidung

Bei der Beschneidung (Zirkumzision) entfernt man die Vorhaut (Praeputium) am männlichen Penis durch einen chirurgischen Eingriff. Diese Prozedur hat eine lange Tradition und kam bereits im alten Ägypten zur Anwendung.

Häufig sind religiöse oder kulturelle Gründe ausschlaggebend für die Entfernung der Vorhaut. Vor allem im Islam und im Judentum gehört sie zu den religiösen Pflichten.

So ist die Zirkumzision der am häufigsten durchgeführte chirurgische Eingriff auf der Welt. Man schätzt, dass weltweit etwa 25-33 Prozent aller Männer beschnitten sind.

Noch in der Neuzeit galt in England und den USA die Verstümmelung als therapeutisches Mittel gegen die Selbstbefriedigung - wie es auch schon im frühen 18. Jahrhundert weltweit praktiziert wurde.

Ursprünge des Brauchtums

Woher der Brauch der Beschneidung stammt, ließ sich bislang nicht klären.

  • Man vermutet, dass sie von patriarchalen Stammesgesellschaften für beide Geschlechter eingeführt wurde.
  • Darüber hinaus wird angenommen, dass die Beschneidung in der Antike dazu diente, das Geschlechtsleben von Unterschicht und Sklaven zu kontrollieren. Die Fruchtbarkeit sollte dabei jedoch nicht beeinträchtigt werden.
  • Ferner gilt die Beschneidung als Ablösung von Menschenopfern. Durch diese Opfer sollten die Götter in vorgeschichtlicher Zeit milde gestimmt werden. Aufgrund von religiösen Umbrüchen wurde jedoch nur noch ein Teil des Mannes geopfert.

Beschneidung als Initiationsritual

Eine Beschneidung gilt in verschiedenen Kulturkreisen bei beiden Geschlechtern als Initiationsritual. Dabei nimmt man den heranwachsenden Menschen in die Gemeinschaft auf.

Die älteste Beschreibung einer Beschneidung ist auf einem ägyptischen Relief aus dem Jahre 2.420 v. Chr. bekannt. Bei den alten Ägyptern stand die Beschneidung des Mannes symbolisch für die Häutung der Schlange.

Die Beschneidung im Judentum

In der Bibel geht die Beschneidung auf die Israeliten unter dem Stammvater Abraham um 1.800-1.600 v. Chr. zurück. Forschungen deuten jedoch darauf hin, dass die Israeliten das Beschneiden der Vorhaut von den Ägyptern übernahmen oder sogar erst im Babylonischen Exil um 600 v. Chr. einführten.

Durch die Einführung des Rituals wurde die Beschneidung von neugeborenen Jungen zur religiösen Pflicht. Sie muss am achten Tag nach der Geburt stattfinden.

Im Judentum sieht man die Beschneidung als Bund mit Gott an, sodass sie bis heute zur Anwendung kommt.

Die Beschneidung im Islam

Auch im Kulturkreis des Islam führt man in der heutigen Zeit noch immer die Beschneidung aus religiösen Gründen durch. So ist das Entfernen der Vorhaut Pflicht für muslimische Männer und muss bis zum 13. Lebensjahr als Zeichen der Religionszugehörigkeit erfolgen. Dabei wird häufig ein großes Familienfest gefeiert.

Medizinische Gründe für eine Beschneidung

Die Zirkumzision ist ein kleiner operativer Eingriff. Während er bei Erwachsenen unter lokaler Betäubung durchgeführt wird, erhalten Kinder meist eine Vollnarkose. Bei dem Eingriff durchtrennt man die Vorhaut zum Teil oder sogar gänzlich.

Phimose als physische Ursache

Der am weitesten verbreitete medizinische Grund einer Zirkumzision ist die Vorhautverengung, die Phimose. Bei einer Verengung der Vorhaut lässt sich diese nicht oder nur unter unangenehmen Schmerzen über die Eichel des Glieds zurückziehen.

Begünstigt werden kann eine Vorhautverengung durch Entzündungen. Diese haben häufig narbige Verengungen der Vorhaut zur Folge.

Durch eine bestehende Phimose wird wiederum das Risiko für Entzündungen gesteigert. Ist die Entzündung stark ausgeprägt, greift sie mitunter auch auf die Eichel über. Durch eine Vorhautverengung besteht zudem die Gefahr, dass es zu Problemen beim Wasserlassen oder beim Geschlechtsverkehr kommt.

Präventive Beschneidung bei Neugeborenen - ein umstrittener Eingriff

Eine präventive Beschneidung bei Neugeborenen ist unter Medizinern umstritten, denn bei Babys und Kindern gilt eine Verengung der Vorhaut durchaus als normal. In den meisten Fällen kommt es erst während der Pubertät zu ihrer Erweiterung und Loslösung von der Eichel.

Weitere medizinische Gründe

Weitere medizinische Gründe für eine Beschneidung der Vorhaut können eine Paraphimose (Einklemmung der Eichel) oder ein Karzinom sein. Aber auch zur Vorbeugung der Immunschwäche Aids und Gebärmutterkrebs bei Frauen dient die Beschneidung. In beiden Fällen gilt die Vorhaut als Übertragungsort entsprechender Viren und Bakterien.

Beschneidungstechniken

Bei Männern

Es gibt für Männer hauptsächlich vier Beschneidungstechniken:

  1. Bei "low" liegt die Narbe der Beschneidung direkt an der Eichel.

  2. Bei "high" liegt die Narbe weiter oben am Schaft.

  3. Bei "loose" wird die Eichel im nicht erigierten Zustand teilweise noch bedeckt.

  4. Bei "tight" liegt die Eichel völlig unbedeckt.

Die Techniken "low + loose" sind eher in Europa verbreitet, "high + tight" in den USA.

Nachteile einer Beschneidung bei Männern, die übrigens einen richtigen operativen Eingriff darstellt, ist die allmähliche Unempfindlichkeit der Eichel gegenüber Reizen. Das soll in manchen Fällen dazu führen, dass Betroffene beim Geschlechtsverkehr erst einen späten Höhepunkt haben.

Bei Frauen

Auch bei der Frau gibt es die Beschneidung, die gleichfalls mit je aktuellen Moralvorstellungen verbunden war und ist. Es gibt dazu unterschiedliche Eingriffe von der operativen Entfernung der Klitoris oder der kleinen Labien bis zum Zusammennähen der beiden Vulvaseiten.

Die Vorteile einer Beschneidung

Manche Mediziner sehen in der präventiven Beschneidung gesundheitliche Vorteile.

  • So ist australischen Studien zufolge das Risiko, an AIDS zu erkranken, bei beschnittenen Männern geringer als bei unbeschnittenen, da die Innenseite der Vorhaut als Eintrittspforte für die HI-Viren gilt.
  • Darüber hinaus ist nach einer Beschneidung die Hygiene am Penis wesentlich leichter durchzuführen.
  • Auch die Gefahr, an Peniskrebs zu erkranken, soll durch eine Zirkumzision reduziert werden. Das Gleiche gilt für Harnwegsinfektionen.

Komplikationen und Kosten

Größere Komplikationen sind bei einer Beschneidung kaum zu befürchten. Nur selten kommt es zu:

Die Kosten für eine Beschneidung werden von den Krankenkassen nur dann übernommen, wenn sie medizinisch notwendig ist, ansonsten sind sie aus eigener Tasche zu entrichten.