Nachgeburt: Die gängigen Handgriffe

Als Nachgeburt bezeichnet man den Vorgang, wenn die Plazenta nach einer Geburt ausgeschieden wird. Hebammen wenden dazu verschiedene Handgriffe an. Wenn das Baby geboren ist, dauert es meist etwa eine Viertelstunde bis die frischgebackene Mutter erneut heftige Wehen verspürt, die dazu beitragen, dass die Nachgeburt ausgestoßen werden kann. Normalerweise ist dies keine große Sache und viele frischgebackene Eltern bekommen vor lauter Babyglück gar nicht viel davon mit. In Einzelfällen kann es jedoch zu Komplikationen kommen. Lesen Sie alles Wissenswerte über die Nachgeburt.

Von Claudia Haut

Was ist die Nachgeburt? - Eine Definition

Den Zeitraum von Geburt des Kindes bis zur Ausstoßung des Mutterkuchens nennt man Nachgeburtsperiode. Erst wenn auch die Plazenta geboren wurde, ist die Geburt beendet.

Die Plazenta löst sich normalerweise etwa zwanzig bis dreißig Minuten, nachdem das Baby geboren wurde, von alleine. Ist dies jedoch nicht der Fall, muss nachgeholfen werden.

Ablauf der Nachgeburt

Die Lösung der Plazenta von der Gebärmutter verläuft folgendermaßen: Ist das Kind geboren, kommt es bald zu weiteren Gebärmutterkontraktionen. Dadurch verdickt sich die Wand, während sich ihre Innenfläche verkleinert - dies bewirkt eine Verschiebung des Punktes, an dem die Plazenta an der Gebärmutter anheftet; auf diese Weise kann sie sich mittig lösen.

Dadurch reißen kleine Gefäße zwischen Plazenta und Gebärmutter ab. Es kommt zur Blutansammlung und einem Hämatom, welches größer wird. Dessen Druck, weitere Gebärmutterkontraktionen sowie der Zug der Plazenta durch Tiefertreten können diese kokmplett von der Haftstelle lösen und zu deren Geburt führen.

Dieser Vorgang wird als zentrale Lösung nach Schultze bezeichnet. Er gilt als häufigste Form und hat den Vorteil, dass nur wenig Blut verloren wird.

Beginnt die Lösung am unteren Plazentarand und wird sie nach oben hin fortgeführt, spricht man von der Plazentalösung nach Duncan. In diesem Fall erfolgt zunächst die Geburt des unteren Plazentarands.

Die Dauer der Nachgeburt beläuft sich auf wenige bis 30 Minuten. Auch eine Lösungszeit von bis zu einer Stunde wird als normal angesehen, solange es keine stärkere Blutung gibt. Durch Hormongabe verkürzt man die Dauer.

Nach der Geburt des Babys muss die Platzenta noch ausgeschieden werden
Nach der Geburt des Babys muss die Platzenta noch ausgeschieden werden

Nachgeburtsblutung vs. Nachblutung

Nach der Nachgeburt überprüfen Hebamme oder Arzt, ob sie vollständig war. Ist dies nicht der Fall, kann eine Ausschabung notwendig werden.

Ein normaler Blutverlust, der als Nachgeburtsblutung bezeichnet werden kann, liegt bei einer Menge von 250 bis 500 ml.

Wird diese Menge überschritten, spricht man von einer Nachblutung. Um die Blutstillung zu fördern, stellt die intravenöse Verabreichung von Oxytocin ein mögliches Mittel dar.

Plazentablösungszeichen zur Kontrolle

Um sicher zu gehen, dass sich die Plazenta vollständig gelöst hat, gibt es bestimmte Ablösungszeichen, mithilfe derer man die Gewissheit erhält. Typisch ist des Weiteren eine Erschlaffung der Nabelschnurgefäße. Informieren Sie sich hier über die unterschiedlichen Plazentaablösungszeichen.

Die Wirkung verschiedener Hormone bei der Nachgeburt

Oxytocin

Hierfür wird zur Unterstützung oft Oxytocin gegeben. Oxytocin ist ein Hormon, welches aus der Hirnanhangdrüse stammt. Während der Entbindung wird es durch die Wehen ausgeschüttet.

Auch das Saugen des Säuglings an der mütterlichen Brust führt dazu, dass Oxytocin ausgeschüttet wird. Die Gebärmutter (Uterus) zieht sich zusammen und dadurch löst sich der Mutterkuchen von der Gebärmutterwand.

Prostaglandinen

Die Kontraktionen entstehen durch Ausschüttung von Prostaglandinen. Gleichzeitig schließen sich die Gefäße, so dass die Blutung zum Stoppen kommt. Nach etwa fünf bis zwanzig Minuten lässt sich der Mutterkuchen durch vorsichtiges Ziehen an der Nabelschnur aus der Gebärmutter entfernen.

Probleme bei der Nachgeburt - Warum löst sich die Plazenta nicht?

In Einzelfällen kann es vorkommen, dass nur Teile der Plazenta sich lösen und ausgeschieden werden oder dass sich die ganze Nachgeburt nicht löst. Um feststellen zu können, ob die Plazenta sich vollständig gelöst hat und komplett ausgeschieden wurde, untersucht die Hebamme diese ganz genau. Fehlen einige Teile, so fällt ihr dies sofort auf und es müssen ebenso weitere Maßnahmen ergriffen werden wie in den Fällen, in denen sich die Plazenta von selbst überhaupt nicht löst.

Die frischgebackene Mutter hat keinen Einfluss darauf, ob sich ihre Plazenta vollständig löst oder nicht. Aber sie kann durch gezieltes Pressen mithelfen, dass sie ausgeschieden wird. Sie erhält dazu entsprechende Anweisungen der Hebamme, die mit einer Hand auf dem Bauch ständig fühlt, wie weit die Nachgeburtsphase vorangeschritten ist.

Plazentaretention

Wenn die Gebärmutter sich nach der Geburt zu wenig zusammenzieht, so kann sich die Plazenta nur schlecht lösen. Dies ist ein Grund, weshalb es zu einer so genannten Plazentaretention kommen kann. Grund Nummer zwei kann sein, dass sich die Plazenta einfach derart tief in der Gebärmutter befindet, dass die Ausscheidung schwierig ist.

Verschlossener Muttermund

In einigen Fällen kommt es aber auch vor, dass sich der Muttermund, durch den das Baby während der Geburt geglitten ist, derart schnell wieder verschlossen hat, dass die Plazenta nicht mehr hindurchpasst.

Angewandte Handgriffe zur Unterstützung der Nachgeburt

Löst sich die Plazenta nicht von selbst oder hat die junge Mutter während der Geburt sehr viel Blut verloren, so muss die Hebamme (Geburtshelfer) mit bestimmten Handgriffen bei der Plazentaablösung nachhelfen, da sonst ein operativer Eingriff notwendig wäre. Bei dieser Operation wird die Nachgeburt dann vom Arzt entfernt und eine Ausschabung vorgenommen. Die Hebamme oder der Arzt untersucht den Mutterkuchen auf seine Vollständigkeit. Wenn Zotten oder Eihäute fehlen, muss mit Instrumenten nachgetastet werden.

Baer'sche Handgriff

Bevor sich die Nachgeburt löst, hat die frischgebackene Mutter erneut eine Wehe. Mit dem so genannten "Baer'schen Handgriff" massiert die Hebamme die Gebärmutter der Frau von außen.

Sobald eine Nachgeburtswehe auftritt, schiebt die Hebamme die Plazenta nach unten, indem sie den Bauch der Mutter etwas nach unten "zusammenschiebt". Wenn die Mutter mitpresst wie bei der eigentlichen Geburt, so kann die Plazenta schneller ausgeschieden werden. Dieser Handgriff wird von den Geburtshelfern am häufigsten angewendet.

Cord traction

Nach einer schweren Geburt hat die Mutter viel Blut verloren und leidet vielleicht auch unter einer Anämie. Dies können Gründe dafür sein, den Handgriff mit dem Namen "Cord traction" anzuwenden.

Mit diesem Handgriff wird die Plazenta am schnellsten ausgeschieden. Auch hier drückt die Hebamme bei einer Wehe von außen auf die Bauchdecke der Mutter.

Zeitgleich zieht sie jedoch von unten an der Nabelschnur, die zwischenzeitlich vom Baby getrennt wurde. Die Gefahr dieses Handgriffes ist jedoch, dass sich die Plazenta nicht komplett löst und anschließend ein kurzer chirurgischer Eingriff (Ausschabung) notwendig ist.

Credé-Handgriff

Wenn die Geburtshelfer den "Credé-Handgriff" anwenden, umfassen sie über die Bauchdecke die Gebärmutter. Zeigefinger, Mittelfinger, Ringfinger und der kleine Finger von Hebamme oder Gynäkologen werden hinter die Gebärmutter geschoben, der Daumen liegt auf der Gebärmutter. Sobald eine Nachgeburtswehe kommt, wird die Plazenta gelöst, so dass sie ausgeschieden werden kann.

Auswirkungen der Nachgeburt für die Mutter und mögliche Risiken

Die meisten Frauen empfinden diese letzte Phase als sehr unangenehm. Nach den Schmerzen der Geburt möchten sie nur noch ihre Ruhe und ihr Baby kennen lernen, vor allen Dingen aber keine weiteren Schmerzen ertragen.

Die Nachgeburtsperiode verursacht aber noch einmal wehenartige Schmerzen, wenn auch leichter als die vorausgegangenen Wehen. Nach der Nachgeburtsperiode ist es dann endlich geschafft; unter Umständen muss noch ein Dammschnitt oder Dammriss genäht und versorgt werden.

Ab jetzt nennt man die Frau Wöchnerin. Dann dürfen sich Mutter und Kind in Ruhe kennen lernen. Jetzt können schon die ersten Stillversuche stattfinden, wenn die Mutter dies möchte.

Die Frau ist jetzt im so genannten Wochenbett, denn mit der Geburt des Mutterkuchens gehen Hormonumstellungen einher, die bewirken, dass die Milchbildung in Gang gesetzt wird.

Ausschabung

Musste die Hebamme feststellen, dass die Plazenta nicht vollständig ausgeschieden wurde oder hat sich die Plazenta überhaupt nicht von der Gebärmutterwand gelöst, so kann es zu schweren Nachblutungen kommen. Um dieser Komplikation entgegenzuwirken, wird häufig eine Ausschabung der Gebärmutter vorgenommen.

Gebärmutterentzündung oder Kindbettfieber

Zu den Risiken der zurückgebliebenen Plazentareste gehören eine Endometritis sowie Kindbettfieber. Mithilfe von Ultraschall wird überprüft, ob die Gebärmutter noch Restgewebe aufweist.

Nur selten kommt es zu Komplikationen

In den meisten Fällen löst sich die Nachgeburt jedoch völlig problemlos von selbst und sofern die Eltern dies möchten, können aus dem Nabelschnurblut wertvolle Stammzellen für das eigene Kind oder zur Spende gewonnen werden. Im Anschluss der Nachgeburt erfolgt das Wochenbett.