Verzögerte Abnabelung ungefährlich für Mutter und Kind, allerdings nicht für Frühchen

Das sogenannte Ausmelken soll den Eisenwert des Neugeborenen verbessern

Von Cornelia Scherpe
3. Januar 2020

In der Geburtshilfe gibt es eine Methode, die umgangssprachlich als "Ausmelken" bezeichnet wird. Statt die Nabelschnur binnen weniger Sekunden nach der Geburt durchzuschneiden, wird mindestens eine Minute lang gewartet. Auf diese Weise soll das Neugeborene eine Extraportion Eisen bekommen, denn Untersuchungen haben gezeigt, dass die Eisenvorräte zu einem großen Teil sonst in der Plazenta verbleiben und entsprechend im Körper der Babys gering ausfallen. Allerdings hat ein frühes Abnabeln (oft durch den Vater) Tradition und Kritiker des "Ausmelkens" betonen, dass ein spätes Durchtrennen der Nabelschnur den Kinderkreislauf durch zu viel Blut überlasten könnte.

Ausmelken verhilft zu besserem Hb-Wert

Eine aktuelle Studie wollte genaue Zahlen ermitteln und begleitete 113 Geburten. Die Frauen waren gesund und es lagen keine bekannten Schwangerschaftsrisiken vor. Man teilte die werdenden Mütter in zwei Gruppen auf:

  1. Bei Gruppe 1 wurde nach der Geburt die Nabelschnur klassisch nach spätestens 15 Sekunden durchtrennt
  2. In Gruppe 2 wartete man mindestens eine Minute

Untersuchungen des mütterlichen Eisenwertes (Hämoglobin) zeigten keinen großen Unterschied zwischen den Gruppen. Beim schnellen Abnabeln fiel der Hb-Wert um durchschnittlich 1,78 g/dl und beim Ausmelken um 1,90 g/dl. Das hat keine gesundheitlichen Konsequenzen für die Frauen.

Ihre Kinder hingegen profitierten deutlich vom Abwarten: der Hb-Wert besserte sich beim verzögerten Abnabeln auf 18,1 g/dl und lag bei den anderen Kindern nur bei 16,4 g/dl.

Ausmelken bei Frühchen erhöht Risiko für Hirnblutungen

Die Sicherheit für Mütter und der Vorteil für Neugeborene sprechen zwar für das Ausmelken, jedoch sollte der Nutzen von Fall zu Fall entschieden werden. Eine zweite Studie fand nämlich eine messbare Gefahr für Frühchen. Ursprünglich sollten 1.200 Kinder, die vor der 32. Woche zur Welt kamen, das Ausmelken erfahren. Bei der Hälfte sollte zusätzlich ein Ausstreichen der Nabelschnur erfolgen. Dabei wird nicht nur länger mit dem Durchtrennen gewartet, sondern zugleich eine Streichbewegung in Richtung Kinderkörper durchgeführt. Damit gelangt noch mehr Blut aus der Mutter ins Kind. Die Ärzte hofften, so die Chancen der Frühchen zu verbessern.

Doch das Ausmelken führte bei den Frühchen zu einem Risiko für Hirnblutungen und die Studie wurde frühzeitig abgebrochen. Bei den bis dahin betreuten 236 Kindern war es in 20 Fällen zu teils tödlichen Blutungen gekommen. Das Risiko von acht Prozent lag deutlich über den drei Prozent ohne Ausmelken (8 von 238 Kindern). Am schlimmsten war die Gefahr für extrem Frühchen (23. bis 27. Woche). Sie lag bei 22 statt sechs Prozent. Bei Frühgeborenen sollte daher vom Ausmelken Abstand genommen werden.