Engelchen flieg: Kleine Kinder nicht an den Armen schwingen

Eltern sollten ihre Kinder nicht ruckartig an den Armen ziehen, weil sonst Gelenkverletzungen drohen. Vorsicht ist besonders beim beliebten "Engelchen flieg"-Spiel geboten. Warum es dabei schnell zu einer schmerzhaften Verletzung von Schulter oder Ellenbogen kommen kann, lesen Sie hier.

Von Jens Hirseland

Kinderärzte warnen Eltern davor, ihre kleinen Kinder zu fest oder ruckartig an Händen, Armen oder Ellenbogen zu ziehen bzw. sie an den Armen zu schwingen. Es besteht dadurch die Gefahr, dass es zu Verletzungen an den Gelenken kommt.

Auch das beliebte Kinderspiel "Engelchen flieg" wird von den Medizinern kritisch gesehen, weil es dadurch immer wieder zu Beeinträchtigungen der Ellenbogengelenke kommt.

Gelenkverletzungen durch "Engelchen flieg"

Bei dem bei Kleinkindern beliebten Spiel "Engelchen flieg" halten die Eltern ihren Sprössling an den Händen oder Armen und schwingen es hin und her. Normalerweise bereitet dies den Kleinen großes Vergnügen. Allerdings schlagen Kinder- und Jugendmediziner immer wieder Alarm, weil es durch das Spiel häufig zu unangenehmen Verletzungen an den Gelenken kommt.

Eltern spielen mit Kind Engelchen flieg
Die Gelenke eines Kleinkindes können beim "Engelchen flieg"-Spiel in Mitleidenschaft gezogen werden

Vor allem das Ellenbogengelenk gilt als besonders gefährdet. Unter ungünstigen Umständen erfolgt durch das Spiel das Auseinanderziehen des Gelenks, was wiederum das Hineinrutschen des angrenzenden Gewebes in den Gelenkspalt zur Folge hat. In der Medizin ist dann von einer Subluxation des Radiusköpfchens die Rede.

Zusammengesetzt wird das Ellenbogengelenk aus den oberen Enden von Speiche (Radius oder Radiusköpfchen) und Elle (Ulna) sowie der Knochenrolle des Oberarmknochens. Durch das Gelenk ist der Mensch imstande, seinen Arm zu beugen oder den Unterarm zu wenden, wodurch er entweder den Handrücken oder die Handfläche zu sehen bekommt.

Grafik zeigt den Aufbau des Ellenbogens
Anatomie des menschlichen Ellenbogens

Auch das Hinaufziehen des Kindes riskant

Eine weitere Gefahrenquelle ist das Hinaufziehen des Kindes am Arm, wenn das Kind sich zum Beispiel aus Trotz auf den Boden wirft und wieder aufstehen soll. Durch das Hochziehen drohen Verletzungen, weil die Gelenke von kleinen Kindern noch nicht vollständig ausgebildet sind. Gleiches gilt für die Bänder, von denen das Gelenk in der korrekten Position gehalten wird.

Besonders häufig zeigt sich die Subluxation am linken Arm des Kindes, weil es sich bei den Eltern in den meisten Fällen um Rechtshänder handelt, die ihr Kind am linken Arm hochziehen.

Vorsicht beim Hochziehen

Vorsicht ist auch beim Hochhelfen/Hochziehen des Kindes nach einem Sturz oder einem Trotzanfall geboten.

  • Kind ist mit dem Fahrrad gestürzt und fasst sich ans Knie

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  • Blondes Mädchen mit Zöpfen und grünem Kleid sitzt auf dem Boden und guckt traurig nach unten

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Schmerzen und Bewegungseinschränkung

Die betroffenen Kinder leiden durch die Gelenkverletzungen oft unter erheblichen Schmerzen. Außerdem sind sie anschließend nicht mehr in der Lage, den verletzen Arm anzuheben oder anderweitig zu bewegen. Ärzte bezeichnen diese Art der Verletzung auch als Chaissagnac-Lähmung, benannt nach einem französischen Mediziner des 19. Jahrhunderts. Zu erkennen ist sie daran, dass das betroffene Kind seinen Arm anwinkelt und schonend vor seinem Bauch trägt.

Radiusköpfchen-Subluxation

Leider ist die Radiusköpfchen-Subluxation bei Kindern im Alter zwischen zwei und vier Jahren keine Seltenheit. Weil das Ringband, von dem das Radiusköpfchen umgeben und fixiert wird, noch schwach ausgeprägt ist, löst es sich oft leicht aus seiner Verankerung. Da das Gelenk dabei nur unvollständig ausgerenkt ist, sprechen Kinderärzte von einer Subluxation.

Tagtäglich müssen zwei- bis vierjährige Kleinkinder aufgrund dieser Verletzung behandelt werden. Im späteren Alter ab etwa fünf Jahren kommt diese Art von Verletzung dagegen kaum vor.

Diagnose

Die Symptome der Chassaignac-Lähmung gelten als derart typisch, dass sich die Diagnose oft schon ohne eine Röntgenuntersuchung stellen lässt.

Das Anfertigen von Röntgenaufnahmen gilt aber als notwendig, wenn das Kind zuvor gestürzt ist. Problematisch ist allerdings, dass manche Eltern lieber einen Sturz erfinden, weil sie sich schämen, zugeben zu müssen, ihr Kind zu fest am Arm gezogen zu haben, wodurch es zu Röntgenuntersuchungen kommt, die gar nicht notwendig sind.

Ultraschalluntersuchung am Ellenbogen
Arzt untersucht den Ellenbogen eines Kleinkindes

Behandlung durch den Arzt

Kann das betroffene Kind seinen Arm nicht mehr richtig bewegen und leidet unter Schmerzen, sollte so rasch wie möglich ein Arzt aufgesucht werden. Ohne eine Behandlung besteht mitunter das Risiko, dass die Beweglichkeit des Gelenks auf Dauer in Mitleidenschaft gezogen wird.

Zur Therapie einer Subluxation stehen den Ärzten mehrere Techniken zur Verfügung. So hat der Arzt unter anderem die Möglichkeit, zuerst am Arm zu ziehen und ihn anschließend so weit wie es geht in die innere Richtung zu drehen. Hat dieses Vorgehen Erfolg, lässt sich ein kurzes Knacken wahrnehmen und das Radiusköpfchen springt wieder zurück in seine Ausgangsposition.

Für das Kind ist diese Methode zwar mit einem kurzen Schmerz verbunden, doch erholt es sich schon nach wenigen Minuten und kann sich wieder ganz normal bewegen. Nach entsprechender Schulung können die Eltern dieses Manöver auch selbst durchführen, was jedoch nur dann geschehen darf, wenn zuvor kein Sturz stattgefunden hat.

Eine Subluxation vermeiden

Tritt eine Subluxation häufiger auf, empfiehlt es sich, mit dem Arzt zu besprechen, wie sich die Verletzung in Zukunft vermeiden lässt. So gilt es als sinnvoll, das Kind lieber unter den Achseln hochzuheben, anstatt es am Arm zu ziehen.

Wird "Engelchen flieg" gespielt, lassen sich Gelenkverletzungen vermeiden, wenn das Kind seine Muskeln dabei anspannt.